Montag, 1. Dezember 2008

… und es denkt sich niemand etwas dabei





Nicht weniger als 80 Vorschriften und Produktionsregeln muss ein Landwirt beachten, der für Franz Fischlers "gut so!"-Programm Milch erzeugt. Bei Werner Lamperts "Zurück zum Ursprung" wird's nicht viel weniger sein. Und auch nicht beim AMA-Gütesiegel und schon gar nicht bei den Bio-Verbänden und den vielen anderen Programmen. Aber auch wer nicht im Rahmen von Sonderprogrammen produziert, hat es kaum besser. 64 Seiten umfasst alleine das Heft, in dem alle Vorschriften zusammengefasst sind, die ein Landwirt beim Ausfüllen des Mehrfachantrags zu beachten hat. Dazu kommen dutzende Seiten mit Cross-Compliance-Paragraphen und allerlei anderen Feinheiten, die von den Bauern beachtet werden müssen, damit sie ans Geld kommen.

"Die spinnen, die Bürokraten", denken sich immer mehr Bauern. Für 95 Prozent von ihnen steht inzwischen die Eindämmung der Bürokratie an vorderster Stelle, wenn man sie nach ihren dringlichsten Wünschen fragt. Zu verdenken ist es ihnen nicht. Denn all die bürokratische Pein samt finanziellem Striptease steht zumeist in keiner Relation zum Mehrverdienst, den sie dafür bekommen. Ein paar Cent sind es beim Gütesiegel-Fleisch, ein paar Cent bei anderen Qualitätsprogrammen. Man muss selbst als Biobauer zumeist froh sein, wenn sich da gerade einmal der Mehraufwand rechnet. In vielen Fällen ist es oft nicht einmal das. Da sei nur die Umstellung auf gentechnikfreie Fütterung in der Milchproduktion genannt. Der Ausgleich der Mehrkosten, den damals die Molkereien den Bauern vollmundig versprochen haben, ist längst in Vergessenheit geraten. Das zeigte sich gerade in den vergangenen Wochen bei Milch und Molkereiprodukten. Dass in Österreich gentechnikfrei gefüttert wird, ist den Konsumenten keinen Cent wert. Und dem Handel schon gar nicht. Was von der heimischen Landwirtschaft immer wieder gefordert wurde, interessierte mit einem Mal niemanden mehr. Wenn es aber nur das wäre. Was ebenso schwer wiegt: Trotz aller Vorschriften und Kontrollen geht immer noch jede Menge daneben. Staunend muss man, wie beim jüngsten Bio-Skandal, zur Kenntnis nehmen, wie lückenhaft das System ist. Die Landwirtschaft scheint dabei zu sein, zu einem Selbstbedienungsladen für Geschäftemacher zu werden, die mit den Bauern nach Belieben fuhrwerken. Nicht nur für Handel und Verarbeiter, sondern auch für die Kontrollore. Die Ausarbeitung aller Vorschriften und deren Überwachung sind längst zu einem Millionengeschäft geworden. Werner Lampert lebt mit eigener GmbH davon und nahm dafür erst kürzlich einen 1,5-Mill.-Euro-Zuschuss vom Bund. Die "fairea" von Franz Fischlers Ökosozialem Forum erhielt 400.000 Euro für "gut so!".

Bei den Kontrollunternehmen selbst herrschen, man mag es kaum anders nennen, ohnehin fröhliche Zuständ. Die am Produktionsprozess Beteiligten machen am liebsten auch gleich die Kontrolle selbst. So mischen die Bioverbände nach wie vor bei der Austria Bio Garantie mit, hat der grüne Abgeordnete Pirklhuber mit der BIOS sein eigenes Unternehmen, ist die Biobäckerei Mauracher an Lacon beteiligt und macht sich manche Landwirtschaftskammer mit der Beteiligung an Kontrollfirmen ein Körberlgeld. Und so weiter und so fort. Und als ob das nicht genug wäre, sitzen die Kontrollstellen auch gleich in jenen Gremien, die die Kontrollrichtlinien beschließen. Und offenbar niemand denkt sich etwas dabei. Nur die Bauern. Aber auf die hört anscheinend keiner.

"Blick ins Land" Nr. 12/08 vom 01.12.2008
 
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