Dienstag, 21. April 2009

Krise greift nach den Bauern





Die weichen Währungen und die Krise in Osteuropa bringen die Bauern und die Verarbeiter von Lebensmitteln gewaltig unter Druck.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Im vergangenen Herbst schlug bereits die Holzwirtschaft Alarm, nun ist auch in der Landwirtschaft Feuer auf dem Dach. Die Krise und die damit einhergehenden Währungsturbulenzen bringen die Warenströme durcheinander. Vor allem Osteuropa macht Sorgen. Zum einen kommen die Ausfuhren in Länder wie Ungarn, Polen, Rumänien oder Russland ins Stocken, weil sich die Menschen dort die Waren aus Westeuropa nicht mehr leisten können. Zum anderen sorgt die kräftige Abwertung mancher Ostwährungen für starken Preisdruck, weil die Importe von Agrarprodukten wie Getreide aus diesen Regionen wesentlich billiger wurden. Schutzzölle, wie sie in Russland bei Agrarimporten gang und gäbe sind, machen die Lage nicht einfacher. Einbußen in Osteuropa Für die heimische Land- und Lebensmittelwirtschaft steht viel auf dem Spiel. In den vergangenen Jahren baute man erfolgreich neue Märkte auf. „Zweistellige Zuwachsraten im Export waren die Regel“, sagt Josef Domschitz von der Wirtschaftskammer Österreich. Allein 2008 wuchsen die Exporte in diese Länder (ohne Russland) um 25 Prozent auf knapp 1,4 Mrd. Euro.
Dieser Boom ist nun ins Stocken geraten. „Es gibt spürbare Einbußen“, sagt Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch. Von Rückgängen von 50 und mehr Prozent spricht Hans Schlederer, Geschäftsführer der Schweinebörse. Forint, Zloty und andere Währungen werteten in den vergangenen Monaten um bis zu 40 Prozent ab. „Damit sind unsere Produkte für die Konsumenten dort zu teuer geworden“, sagt Schlederer.
Als zusätzlicher Hemmschuh erweist sich die angespannte Situation bei der Finanzierung von Exportgeschäften. Die Exporteure trauen sich nur mehr gegen Bankgarantien oder Vorauskassa zu liefern, um zu ihrem Geld zu kommen. Genau damit tun sich die Importeure in den betroffenen Ländern schwer.
Auch die Vorsicht der heimischen Banken erweist sich nicht als Hemmschuh, wird geklagt. „Bei der Einschätzung des Risikos steht oft nicht mehr die Bonität des einzelnen Kunden, sondern immer öfter die des Landes, in dem er sitzt, im Vordergrund.“
Noch schwerwiegender als die Einbußen im direkten Geschäft wirkt sich die Veränderung der Warenströme auf die heimischen Bauern und Verarbeiter aus. Schweinefleisch, Milch und andere Agrarprodukte, die derzeit nicht in Osteuropa verkauft werden können, sorgen auf dem westeuropäischen Markt zunehmend für Preisdruck. Billigkäse, der für Russland bestimmt war, kommt in Deutschland in die Geschäfte und drückt dort und damit indirekt auch in Österreich auf die Preise. Schweinefleisch, das in Warschau oder Moskau nicht verkauft werden kann, wird nun in Berlin und München angeboten oder eingelagert. „Die Lager füllen sich rasant“, heißt es. Getreidepreise unter Druck Bei den Importen hingegen wirken sich die Krise und die neuen Währungsrelationen, die Produkte aus Ländern wie Ungarn, Polen oder Tschechien wesentlich verbilligen, vorerst kaum aus. „Da ist noch nichts erkennbar“, sagt Franz Sinabell vom Wifo. Das könnte aber bald anders werden. „Wir haben über Jahre von den Währungsrelationen profitiert, jetzt kann es sein, dass wir Dampf kriegen.“
Auf den Getreidemärkten ist das längst der Fall. Der Preisverfall im vergangenen Herbst hatte nur zum Teil mit dem großen Angebot zu tun. „Da wurden die gesunkenen Wechselkurse bereits eingepreist“, sagt der Getreidehändler Thomas Lang von der Linzer Intertrading. Die Preise für Mais und Weizen liegen deutlich unter dem Vorjahresniveau. Selbst Biomais ist derzeit in Ungarn um rund ein Drittel billiger als in Österreich.
Das könnte sich aber bald wieder ändern. Wegen des fehlenden Kapitals und der schlechten Preise wird in Osteuropa heuer deutlich weniger Sommergetreide und Mais angebaut. Das sollte Druck aus dem Markt nehmen und vielleicht bessere Preise bringen – auch das ist eine Folge der Krise.
Wirtschaft / 21.04.2009 / Print

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