Samstag, 18. Juli 2009

Der eigene Herd ist wieder Goldes wert






Die Krise verändert die Konsumgewohnheiten. Man kocht daheim. Fleisch gewinnt, Milch und Bio verlieren.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Drei Mal pro Jahr lässt die AMA-Marketing das Konsumverhalten der Österreicher analysieren. Selten war die Überraschung so groß wie diesmal. „Die Krise hat das Einkaufsverhalten bei Lebensmitteln definitiv verändert“, sagt Hermine Hackl, Sprecherin der AMA-Marketing. Immer mehr Menschen kehren zum eigenen Herd zurück. Je kleiner der finanzielle Spielraum ist, desto größer ist die Tendenz, Grundnahrungsmittel zu kaufen und das Essen wieder selbst zuzubereiten. „Viele Leute können oder wollen es sich nicht mehr leisten, auswärts zu essen“, sagt Hackl. „Bevor man 50 oder mehr Euro für ein Essen im Restaurant ausgibt, kauft man sich lieber ein besseres Stück Fleisch und brät es daheim.“ Die Folge: Der Verkauf von Fleisch im Handel und in Metzgereien legt seit Monaten kräftig zu. Von Produkten, die man fürs Backen braucht, ist Ähnliches zu hören.
„Cocooning“ sagen die Trendforscher zu diesem Rückzug in die eigenen vier Wände, der auch zur starken Nachfrage bei Bau- und Gartenmärkten passt. „Bevor sie verzichten, machen sich die Leute lieber etwas selbst“, sagt Hackl.
Bei Fleisch schlägt sich dieser Trend nun auch in der Statistik nieder. Laut RollAMA verkauften Supermärkte und Metzger heuer in den ersten vier Monaten um 5,6 Prozent mehr Fleisch als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Zu besonderen Verkaufshits wurden Rind- und Kalbfleisch (plus zehn Prozent) und vorbereitete Fleischteile. Der Absatz in diesem Segment legte mengenmäßig gleich um gut 16 Prozent zu.
Insgesamt treten die Österreicher beim Lebensmitteleinkauf freilich kürzer. In den meisten Sparten liegen die verkauften Mengen unter den Werten des vergleichbaren Vorjahreszeitraumes. Der Absatz von Milch, Topfen und Joghurt ging um drei Prozent zurück, bei Milchmixgetränken gab es ein Minus von 5,7 Prozent. Nur bei Käse gab es einen leichten Zuwachs. Markante Rückgänge gab es auch bei Frischobst und Frischgemüse.
Zu den Verlierern zählt in manchen Sparten auch Bio. Der Absatz von Biomilch sackte binnen Jahresfrist um 23 Prozent ab, auch bei Butter, Fleisch, Gemüse und Kartoffeln gab es ein Minus.
Im Handel kann man mit der Entwicklung leben. „Wir sind von der Krise nicht so stark tangiert wie andere Bereiche“, betont Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. „Die Leute greifen verstärkt auf Produkte im Preiseinstiegsbereich“, sagt Rewe-Sprecherin Corinna Tinkler. Aktionen und Eigenmarken gewannen im Lebensmittelhandel in den vergangenen Monaten weiter an Bedeutung. „Unsere S-Budget-Linie geht supergut“, sagt Berkmann. Ähnliche Erfahrungen hat man bei Rewe gemacht, wo sich bei Grundnahrungsmitteln die verkauften Mengen der Rewe-Eigenmarke „clever“ teilweise sogar verdoppelt haben.
Die Landwirtschaft kommt mit den neuen Entwicklungen schwerer zurecht. Bei Fleisch hofft man weiter auf Rückenwind und darauf, dass sich die Nachfrage auch in höheren Preisen niederschlägt. „Wenn mehr daheim gekocht wird, profitieren die heimischen Bauern“, sagt Hermine Hackl. „Im Handel und bei den Fleischern liegt der Anteil von heimischem Fleisch bei 90 Prozent, in der Gastronomie hingegen nur bei geschätzten 50 Prozent.“
Die Milchbauern hingegen stehen der neuen Entwicklung immer noch hilflos gegenüber. Trotz des schrumpfenden Marktes lag die Produktion in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 2,1 Prozent höher als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Während die Milchbauern im Osten Österreichs ihre Produktion einschränkten, weiteten die Bauern in den westlichen Bundesländern die Milcherzeugung weiter aus. An der Spitze dabei ist Salzburg mit plus 1,2 Prozent.
„Die Bauern müssen reagieren“, fordert daher Adolf Marktsteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich mit Nachdruck. Er erwartet, dass der kürzlich beschlossene schärfere Kurs gegen Bauern, die ihre Quoten überliefern, bald Früchte trägt. „Wer mehr als sechs bis zehn Prozent seiner Richtmenge überliefert, muss rückwirkend ab 1. April bis zu 19 Cent pro Kilogramm Preisabschlag in Kauf nehmen.“ Bei den 25 bis 30 Cent, die derzeit gezahlt werden, bleibt dann nicht mehr viel. Marksteiner: „Damit ist Überliefern uninteressant.“
Wirtschaft / 18.07.2009 / Print

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