Donnerstag, 12. August 2010

Der Sommer, die Schlange, das Kaninchen und die Krux





Österreichs Landwirtschaft im Sommer 2010: In Brüssel wird an einer Agrarreform gebastelt, die den heimischen Bauern nicht viel Gutes verheißt. Hierzulande ist die Landwirtschaft angesichts der Budgetnöte in das Zentrum eines dräuenden Verteilungskampfes geraten und zum politischen Spielball geworden. Man trachtet den Bauern nicht nur nach den Förderungen, sondern will ihnen auch höhere Steuerleistungen abverlangen. Und dazu die Preise für Agrarprodukte, die sich nicht und nicht erholen wollen und die Einkommen entsprechend gedrückt halten. Ein Minus von 28 Prozent gegenüber 2008 weist der Grüne Bericht für 2009 aus. Einen derartigen Rückschlag gab es noch nie.

„Es regnet überall herein“ pflegt man solche Situationen auf dem Land üblicherweise zu beschreiben. Nicht zu unrecht.

Die Landwirtschaft ist gefordert. Und sie tut sich ziemlich schwer damit, war man doch in den vergangenen Jahren so etwas wie politisches Liebkind der Nation, ja sogar ein bisschen verhätschelt – vom Politmarketing als brave Landschaftserhalter, tüchtige Umweltpfleger, ehrliche Nahrungsmittelerzeuger gezeichnete Bauern, denen man nichts verwehren wollte, hatten sie es auf den Märkte ohnehin schwer.

Das scheint angesichts der leeren öffentlichen Kassen und der Begehrlichkeiten rundum inzwischen anders zu sein. Es ist nicht zu verkennen, dass die Stimmung für die Bauern labil geworden ist. Bioschwindel, Schummelkäse, Listerienquargel, falsch deklarierte Eier, aber auch die Preissprünge vor zwei Jahren tun das ihre dazu.

Das heile Bild von der heimischen Landwirtschaft hat einige Kratzer.

Auf einmal gibt es wieder klassenkämpferische Töne gegen die Bauern. Selbst im eigenen Lager sind die Risse im einst unerschütterlichen Fundament nicht zu übersehen. Da holen sich die Bauern etwa bei ihren eigenen Leuten Abfuhren, die es bisher kaum gab.

In Sachen Budget-Sparvorgaben etwa nutzte ihnen der Hinweis darauf, dass die Gelder aus Brüssel zu Unrecht in die Ausgangsbasis hineingerechnet wurden wenig, der Finanzminister zwang aufmuckende Funktionäre zum Kotau. Und beim Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien ließ der Wirtschaftsminister den Landwirtschafts- und Umweltminister gleich völlig vor der Tür stehen.

Den Bauern und ihren Vertretern ist dazu noch nicht viel eingefallen. Nicht zu dem, was aus Brüssel zu hören ist und nicht zu dem, was sich hierzulande zusammenzubrauen scheint. Was bisher zu sehen ist, ist sehr herkömmlich. Starke Worte allenfalls, aber wenig Wirkung.

Diskussion, Forderungen und Vorschläge lassen oft jeden Bezug zur politischen Realität und dem, was sie zu bringen droht, vermissen. Man tut, als bliebe alles beim Alten und übersieht, dass man dabei in einem Sandkasten spielt.

Die Agrarier gehen mit der Zukunft defensiv um. Aus Gewohnheit, aus Angst, aus Unfähigkeit. Man jammert, schimpft und leidet. Man klammert allerorten – wortreich, seitenweise und ellenlang und vor allem mit dem immer gleichen Tenor: „Die Bauern brauchen jeden Euro, ohne Geld keine Zukunft“.

Aber ist nicht das, was man jetzt verteidigt, genau das, wovor man noch vor der letzten Agrarreform, vor dem EU-Beitritt und noch früher eindringlich warnte? Übrigens mit den gleichen Argumenten wie diesmal.

Nun ist schon klar, dass man nicht von vorneherein klein beigeben muss, aber so toll war all das, was dank all des Geldes bisher war, auch nicht. Der Strukturwandel ist trotz all der Gelder, die in die Landwirtschaft fließen, ziemlich ungebremst. Die Bauern sind alles andere als zufrieden und die Landwirtschaft kein florierender Wirtschaftszweig.

Man kann freilich einwenden, dass die Agrarier aus ihrer Sicht mit dieser Strategie im Vergleich zu anderen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten durchaus erfolgreich waren. Nur – und da ist man sich ziemlich einig – diesmal dürfte es wirklich anders kommen. „Bisher haben wir alles mit Geld lösen können“, gibt man hinter vorgehaltener Hand zu. „Das wird diesmal nicht mehr gehen“.

Damit ist klar: Die Bauern müssen sich warm anziehen, um in dem rauen Klima bestehen zu können, das da auf sie zukommt. Denn, und das macht es besonders schwierig, dieses Klima wird nicht nur für sie, sondern für alle Gesellschaftsgruppen rau.

Es wird mühsam für die Bauern, die sich nach Kontinuität sehnen, die sich immer noch für etwas Besonders im gesellschaftlichen Gefüge halten und die sich immer noch sehr schwer tun mit ihrem Unternehmerbild. Immer noch leben viele die Illusion vom freischaffenden Bauern und fordern gleichzeitig mit der Vollkaskomentalität eines Gewerkschafters Schutz und Unterstützung vor allen Unbilden des Marktes.

Das mag verständlich sein, richtig ist es nicht, wie das Kaninchen beim Blick auf die Schlange zu erstarren. Es wird nicht für alle weitergehen, keine Frage, aber es kann für viele weitergehen. Und denen, die das so sehen, muss man Hilfestellungen bieten. Berlakovichs Offensive unter dem Namen „Landwirtschaft 2020“ könnte eine solche sein. Die bäuerliche Öffentlichkeit freilich steht ihr reserviert gegenüber. „Das kennen wir ja alles schon“, heißt es an den Stammtischen. „Was soll das bringen?“

Man kann dem auch Zuversicht abgewinnen. Denn so redete man schon immer. Was hat es nicht, um nur zwei Beispiele zu nehmen, für Widerstände gegen Bio und den Feinkostladen Europas gegeben, wie viel Häme, wieviel Unkenrufe? Heute sind es, sieht man von den aktuellen Problemen der Biogetreidebauern ab, Erfolgsstories, die vielen Bauern jene Zukunft gaben, von der man an den Stammtischen glaubte, dass es sie nicht gäbe.

Zwei Beispiele, die nach Nachfolgern verlangen. Etwas Ähnliches dieser Qualität und Tragfähigkeit ist freilich nicht in Sicht, ja nicht einmal in Diskussion. Das aber, und nicht die Gefahr, dass es weniger Geld geben wird, ist die eigentliche Krux für die heimische Landwirtschaft.

Raiffeisenzeitung - Gastkommentar - 12. August 2010

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