Freitag, 17. September 2010

Notwendigkeit und Chance




Die heimische Milchwirtschaft galt über Jahrzehnte als Inbegriff wirtschaftlicher Behäbigkeit. Abgeschottet durch ein planwirtschaftliches System, das einer geschützten Werkstätte glich, verarbeitete man Milch, die niemand brauchte, zu Produkten, die niemand wollte.
Das hat sich inzwischen geändert. Heimischer Käse und all die anderen Produkte, die die Molkereien erzeugen, können sich auch international sehen lassen.

Nach einer ersten Welle der Strukturbereinigung rund um den EU-Beitritt ist nun der Druck wieder so groß, dass man die Strukturen den Bedürfnissen des Marktes anpassen muss. Dort weht ein rauer Wind. Internationale Molkereien, die ein Mehrfaches der heimischen Produktion verarbeiten, bestimmen das Geschäft. Da braucht es andere Betriebe als bessere Sennereien, um die inzwischen durchaus beachtlichen Mengen, die heimische Milchbauern erzeugen, auch verkaufen zu können.

Fusionen wie Berglandmilch und Landfrisch, Salzburger Alpenmilch und Käsehof und jetzt Berglandmilch und Tirol Milch sind daher der richtige Weg. Es werden noch weitere folgen.

Für die Bauern hat das freilich zwei Seiten. Auf der einen Seite erkennen sie die Bedeutung großer Einheiten für eine erfolgreiche Vermarktung ihrer Milch. Auf der anderen Seite haben sie das ungute Gefühl, allzu großen Abnehmern ausgeliefert zu sein.

Dieses Unbehagen ist verständlich. Es ist eine Herausforderung für die Verantwortlichen in der Milchwirtschaft, die Bauern nicht zu enttäuschen. Dann werden diese den Weg mittragen. Er ist für die heimische Milchwirtschaft ohne Alternative, er gibt aber auch Erzeugern von Spezialitäten die Chance, die Lücken im Angebot der großen Verarbeiter zu füllen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 17. September 2010

Tapfere Milchzwerge




Die Fusionswelle in der Milchwirtschaft wird weitergehen. Der Druck wächst.

HANS GMEINER Zeillern (SN). Wenn nichts mehr dazwischenkommt, wird nächste Woche der Zusammenschluss der Berglandmilch mit Tirol Milch endgültig fixiert. Diese Fusion, die über den Sommer heftigen politischen Staub aufwirbelte, ist bereits die dritte innerhalb eines Jahres. Vor einem Jahr übernahm Berglandmilch die Welser Landfrisch, Anfang Juli zogen die Salzburger Alpenmilch und Käsehof unter ein Dach.
Abgeschlossen ist damit der Konzentrationsprozess in der heimischen Milchwirtschaft noch lang nicht. Die niederösterreichische NÖM, die in Tirol den Kürzeren zog, signalisiert immer wieder Interesse an der Übernahme anderer Molkereien. Der Gmundner Milch werden ähnliche Ambitionen nachgesagt. Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Molkereien, wundert das nicht: „Der Druck wird nicht weniger.“

Schon jetzt arbeiten die Molkereien in den unterschiedlichsten Formen zusammen. Insbesondere hilft man sich gegenseitig in der Produktion aus. „Aus solchen Kooperationen können dann schon Fusionen entstehen“, sagt Molkereien-Sprecher Petschar.

Von Größenordnungen wie sie international üblich sind, ist man in Österreich ohnehin weit entfernt. „Da sind wir Zwergerl“, sagt Josef Braunshofer, der mit der Berglandmilch künftig mehr als 50 Prozent der heimischen Milch verarbeiten wird. „Die deutsche Müllermilch verarbeitet an einem einzigen Standort mehr, als die gesamte heimische Milch ausmacht.“ Das sind immerhin 2,7 Millionen Tonnen jährlich. Auf den Märkten fragt niemand danach. „Gegen die müssen wir aber antreten“, sagt Braunshofer.

Dass das nicht leicht ist, zeigt die Außenhandelsstatistik des ersten Halbjahrs. Während die Exporte um fast vier Prozent zurückgingen, legten die Importe um fast fünf Prozent zu. „Der Druck von außen nimmt zu“, sagt Braunshofer. „Die sind billiger, weil man dort den Bauern weniger zahlt.“

Insgesamt liegt die heimische Milchwirtschaft umsatzmäßig aber heuer besser als im Vorjahr. Auch bei den Bauern geht es leicht aufwärts. Im Jahresvergleich gab es beim Erzeugermilchpreis mit netto 29,11 Cent je Kilogramm ein Plus von 1,11 Prozent. In Summe macht das für die 38.000 Lieferanten ein zusätzliches Milchgeld in der Höhe von 18,6 Mill. Euro aus.

Sah es vor dem Sommer noch so aus, als steige der Bauernmilchpreis weiter, ist inzwischen Skepsis eingekehrt. Die Anlieferung steigt, Donnerstag gab der Landwirtschaftsminister sogar zusätzliche Quoten frei. „Derzeit ist der Marktpreis stabil“, sagt Petschar. „Ich hoffe, dass wir ihn bis zum Jahresende halten können.“

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 17. September 2010

Donnerstag, 16. September 2010

Kein Überleben aus eigener Kraft




Für die Bauern steht in diesen Wochen viel auf dem Spiel. Aber der Streit um die Förderungen geht an den wirklichen Herausforderungen vorbei.

Hans Gmeiner Salzburg (SN). Im Streit um die Agrarförderungen und deren Verteilung sind die eigentlichen Probleme der heimischen Landwirtschaft ins Hintertreffen geraten. Dabei sind die groß wie nie. Die Bauern leiden vor allem unter ihrer fehlenden Wettbewerbskraft. Zudem stehen massive Budgetkürzungen ins Haus, und die EU plant eine Agrarreform, die weitere Einschnitte und Mittelumschichtungen befürchten lässt. Das stellt nicht nur die Bauern selbst, sondern auch die Strukturen im Hintergrund (Kammern, Verbände und Verwaltung) vor enorme Herausforderungen.
In Sachen Effizienz zählen die heimischen Bauern im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Sie produzieren für die Erlöse, die auf den Märkten zu erzielen sind, zu teuer. Vor allem die Struktur der heimischem Landwirtschaft und die Produktionsbedingungen, unter denen viele Bauern arbeiten müssen, erweisen sich als große Last.

Mehr als 50 Prozent der Betriebe haben weniger als zehn Hektar, die durchschnittliche Betriebsgröße erreicht kaum 20 Hektar, mehr als die Hälfte der Betriebe liegt im Berggebiet, zwei Drittel werden im Nebenerwerb bewirtschaftet. Nach internationalen Maßstäben, wo in Hunderten Hektar und Tausenden Stück Vieh gerechnet wird, nimmt sich das mickrig aus.

Mit reichlich Fördergeldern, ausgeklügelten Programmen, Qualität und Schläue ist es in der Vergangenheit gelungen, sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu behaupten. Darum will man von dieser Politik auch nicht abrücken. Argumente dafür lieferte Mittwoch das Wirtschaftsforschungsinstitut. Demnach würde ein Wegfall der 1,1 Mrd. Euro für die Ländliche Entwicklung (Umwelt-, Bio- und Bergbauernprogramm, Investförderung) 23.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und Abnehmern und bis zu 80.000 auf den Höfen kosten. Die Wertschöpfung der Landwirtschaft würde um 13 Prozent und der Umsatz um 15 Prozent verringert. Überdurchschnittlich stark betroffen wären vor allem Salzburgs Bauern. Im Flach- und Tennengau drohen Einbußen von bis zu 25 Prozent, in den Gebirgs gauen sogar von bis zu 30 Prozent.

Der Preis für die Förderungen, um die die Bauern kämpfen, ist freilich hoch. Ein ganzer Wirtschaftszweig hängt in einem extrem hohen Maß von Geldern und damit auch vom guten Willen der öffentlich Hand ab. Die Erlöse, die ein durchschnittlicher Hof rein für Getreide, Fleisch oder Milch erzielen kann, übertreffen die Produktionskosten kaum. Bei kleineren Bauern in geringerem Maß, bei größeren in einem etwas höheren. Bei den meisten ist es aber jedenfalls zu wenig, um aus eigener Kraft wirtschaftlich zu überleben. Das aber ist in der Diskussion kein Thema.

Zum Leben bleibt zumeist nicht viel mehr als das, was die öffentliche Hand an Ausgleichszahlungen und Förderungen gibt. In den 19.000 Euro, die einem Bauern jährlich im Durchschnitt bleiben, stecken 18.000 Euro an öffentlichen Geldern.

Das stellt auch die geforderte verstärkte Umverteilung der Mittel zu Kleinstbetrieben in ein besonders Licht. Zum einen würde dadurch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit tenden ziell einzementiert, zum anderen aber vor allem deren Abhängigkeit von öffentlichen Geldern weiter vergrößert.

Dabei sollte der umgekehrte Weg das Ziel sein – und zwar für die gesamte Landwirtschaft. Aber dafür ist in der Debatte kein Platz.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 16. September 2010

Samstag, 11. September 2010

Aufschrei gegen den Handel





Der Handel betreibe "Wertvernichtung", kritisiert die heimische Lebensmittelindustrie. Preiserhöhungen stehen bevor.

Wien (SN-gm). Im Vorjahr ging der Umsatz der Lebensmittelindustrie (225 Unternehmen, knapp 30.000 Mitarbeiter) um 7,1 Prozent auf 7,2 Mrd. Euro zurück, heuer setzte es im ersten Halbjahr neuerlich ein Minus von 4,4 Prozent. Das Wort "mies" wählt Michael Blass, der Geschäftsführer des Verbands der Lebensmittelindustrie, um die Lage der Branche zu beschreiben. Auf der einen Seite sorgen die gestiegenen Rohstoffpreise bei Getreide, Früchten, Honig, Kaffee und Kakao für Druck. Auf der anderen Seite sieht man sich mächtigen Handelsketten gegenüber, über deren Geschäftspolitik man zunehmend erbost ist. "Der Lebensmitteleinzelhandel betreibt mit seiner Preispolitik Wertgefährdung, in manchen Bereichen sogar Wertvernichtung", sagt Blass und verweist auf die "überzogene Aktionitis und den Eigenmarkenboom". Ein Dorn im Auge sind ihm auch Forderungen wie die sogenannten "Restrukturierungsbeiträge bis zu ein paar Zigtausend Euro", wie sie etwa Zielpunkt von seinen Lieferanten zur Sanierung des Unternehmens verlangt.

"Rewe, Spar und Hofer haben bald 80 Prozent Marktanteil", sagt Blass. Das sei einzigartig in Europa. Stephan Mikinovic, Chef der AMA-Marketing: "Wenn wir in Deutschland Österreich-Wochen machen, haben wir 40 Handelsorganisationen als mögliche Partner." In Italien seien es gar 120. Da ist für Blass das "Interesse der Bundeswettbewerbsbehörde, sich mit der Konzentration im Einzelhandel zu befassen", Balsam auf die Seele der Lebensmittelerzeuger.

Bei den derzeit laufenden Preisverhandlungen mit dem Handel geht es darum, die erhöhten Rohstoffkosten in den Preisen unterzubringen. Vor allem Mehl, aber auch Produkte wie Fruchtsäfte, Marmeladen oder Mehlspeisen werden sich wohl empfindlich verteuern.

Lichtblicke gibt es dennoch. Seit drei Monaten ziehen die Agrarexporte an, besonders nach Deutschland.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 11. September 2010

Donnerstag, 9. September 2010

Von der Feldarbeit zur Kopfarbeit



Festschrift 60 Jahre Saatbau Linz

„Nicht die stärksten Arten werden überleben, auch nicht die intelligentesten, sondern diejenigen, die am besten auf Veränderungen reagieren“.
Charles Darwin



Zahllos sind die Zukunfts-Einschätzungen, die den Bauern seit Jahren aufgetischt werden. Hell und optimistisch getüncht die einen, pessimistisch und schwarz die anderen. Die Zuversichtlichen zimmern sich daraus ihre Träume, die Ängstlichen ihre Untergangsszenarien. Doch Aufgeregtheit ist fehl am Platz. Gefragt sind Köpfchen, Offenheit - und ein endgültiges Adieu an die Vergangenheit.

Die Landwirtschaft ist längst auf dem Weg in die Zukunft. Die großen Weichen sind gestellt. Die Herausforderung für einen Bauern ist, damit zurecht zu kommen. Dabei geht es, allen persönlichen Befindlichkeiten zum Trotz, darum, die Chancen zu finden und die Gefahren zu erkennen. Aufmerksamkeit.
Denn, was kommt, muss keineswegs nur von Nachteil für die Landwirtschaft sein, sondern kann durchaus auch Chancen bieten.
• Der Trend zu einer Liberalisierung der Märkte, einst als Dolchstoß für die Landwirtschaft gefürchtet, zeigt nach und nach auch positive Seiten. Österreichs Landwirtschaft exportiert soviel wie nie zuvor. Dass sich die Ausfuhren vervielfachten, gehört zu den Erfolgsstories der heimischen Wirtschaft und eröffnete große Absatzmöglichkeiten.
• Klar ist auch, dass für die Landwirtschaft in Zukunft weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Die öffentlichen Kassen sind spätestens mit der aktuellen Finanzkrise auf lange Zeit hinaus leer. Da sollten sich die Bauern keinen Illusionen hingeben.
Das freilich ist schon ziemlich alles, was klar ist. Bei den Produktionsauflagen, die so gefürchtet sind, ist wohl zu differenzieren. Schon jetzt bekommen die Bauern (was gerne übersehen wird) Geld für die Erfüllung von Auflagen – „Ausgleichszahlungen“ eben. Das wird im Zusammenhang mit Umweltprogrammen auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Vor allem aber werden die Auflagen im Zusammenhang mit Sonderprogrammen etwa des Handels von größerer Bedeutung werden – ebenfalls gegen Geld natürlich. Dem freilich – den Auflagen und dem Geld - kann man sich entziehen, indem man da nicht mitmacht.
Vieles unabwägbar ist auch bei Energie aus Biomasse, Verzicht auf Gentechnik oder Regionalität und manchem anderen, das gerne als taugliche Strategie für die Zukunft verkauft wird. In Wirklichkeit sind sie zumeist allesamt doch nicht mehr als ein Beitrag, das derzeitige Preisniveau abzusichern.
Dass das von den meisten Bauern als zu niedrig empfunden wird, mag verständlich sein, daran wird sich aber wohl in absehbarer Zeit nichts Grundlegendes ändern. Und das erzeugt Handlungsbedarf.

Es gibt kein Patentrezept
Die Landwirte müssen sich und ihren Betrieb in die Lage versetzen, damit zurecht zu kommen. Da führt kein Weg herum.
Entscheidend dabei wird sein, wie sie das Thema anpacken. Was will man? Was kann man? Was ist man bereit zu geben? Dabei wird man sich, auch wenn das sehr schmerzhaft sein kann, von lieb gewordenen Traditionen und Einschätzungen verabschieden müssen. Offenheit für Entwicklungen und Trends und Ehrlichkeit zu sich selbst sind gefordert.
Landwirtschaft wird in einem noch viel größerem Ausmaß als bisher Kopfarbeit. Wer in der Landwirtschaft bleiben will, muss ständig mitdenken, die Nase im Wind haben, flexibel sein und bereit neue Wege zu gehen. Die Welt darf nicht an der Landesgrenze und schon gar nicht an der Dorfgrenze enden.
Ein Patenrezept gibt es nicht. Perfektion in der agrarischen Produktion alleine wird, auch wenn sie das letzte Kilogramm herausholt, jedenfalls zu wenig sein. Der Umgang mit den zahllosen Informationsangeboten, Kenntnis von Märkten und dem Funktionieren der Instrumentarien werden sehr rasch viel wichtiger als sie noch heute sind. Selbst die Kenntnis von zumindest einer Fremdsprache ist für den Bauern der Zukunft unabdingbar – allein schon um sich international informieren zu können.
Genauso wichtig ist die sparsame Produktion, die zwar längst ein Thema, oft aber nicht Realität ist. Betriebskooperationen, effektiver Maschineneinsatz und ein hohes Maß an Kostenbewusstsein können auch neue Möglichkeiten bieten, um mit dem, was derzeit unbezwingbar erscheint, zurecht zu kommen.

Zukunft gehört dem „Patchwork-Bauern“
Das Gesamteinkommen wird sich in Zukunft bei den meisten Betrieben noch viel mehr als bisher aus verschiedenen Einkommen zusammensetzen – aus der Landwirtschaft, aus dem Nebenerwerb, aus Vermietung. Der Kreativität des künftigen „Patchwork-Bauern“ sind keine Grenzen gesetzt. Die Herausforderung ist, den Betrieb in diesem Umfeld so zu organisieren, dass die Arbeit in Landwirtschaft bewältigbar ist und trotzdem etwas zum Gesamteinkommen beiträgt.
Darauf zu hoffen, dass die Landwirtschaft alles, was sich Bauern vom Leben wünschen, alleine trägt, ist wohl der falsche Weg. Die Illusionen mancher, die sich für große Bauern halten, sind nicht angebracht. Um von der Erzeugung von so simplen Produkten wie Getreide, Mais oder auch Zuckerrüben leben zu können, sind sie zu klein. Ob mit 50, mit 100 und mit 300 Hektar ist einerlei. Das kann man in aller Welt.
Sie sind daher gut beraten, jene vielen „kleinen Bauern“ zum Vorbild zu nehmen, die in der Vergangenheit mit ihren Ideen und ihrer Bereitschaft zu Veränderungen bewiesen haben, dass Größe kein Kriterium für Erfolg ist.
Gerade Getreidebauern sind da gefordert. Sie vergessen gerne, dass es in der Geschichte nur ganze zehn Jahre wirklich möglich war, auch unter österreichischen Verhältnissen von Weizen, Gerste und Mais alleine passabel leben zu können. Das war in den 1950er und 1960er Jahren. Vorher trugen Kühe und Schweine das nötige zum Einkommen bei, nachher brauchte es oft einen Nebenjob oder ein anderes Zusatzeinkommen.
Schade, denken sich immer noch die meisten. Aber schlecht ist daran nur, dass viele ihre Befindlichkeit immer noch an diesen paar Jahren zu Mitte des vorigen Jahrhunderts orientieren.
Leere Kilometer. Diese Zeit wird nicht wieder kommen.

Der Rückzug des einen ist die Chance des anderen
So schlecht, wie manche meinen, wird die Zukunft aber auch nicht.
Die Veränderung wird kontinuierlich sein. Das Tempo wird vielleicht höher als in den vergangenen 20 Jahren, weil der Generationswechsel in der Landwirtschaft eine andere Qualität bekommt. Dass die Höfe einfach weitergeführt werden, wird nicht mehr ganz so selbstverständlich sein. Die nächste Generation wird genauer abwägen – nicht nur wegen der Lage der Landwirtschaft, sondern auch, weil die Nachfolger meist einen anderen Beruf erlernt haben und oft kaum mehr die Zeit finden sich um Feld und Stall zu kümmern.
Diese Entwicklung, und das sollte man nicht vergessen, hat auch eine andere Seite: Sie bietet vielen Bauern als Pächter, Partner, Käufer oder Investor die Chancen, die sie brauchen.
Die Landwirtschaft muss sich ihrer Kraft bewusst werden. Die Bauern haben Grund und Boden und oft große Häuser - Kapital, aus dem man, bei allen Ungewissheiten und Unabwägbarkeiten in den traditionellen Produktionssparten, etwas machen kann.
Andere beneiden die Bauern darum.
Das sollte man nicht vergessen. Schließlich sehen sich ja viele gerne als Unternehmer.
Genau die sind in den nächsten 20 Jahren gefragt.

Mittwoch, 8. September 2010

Wenn die Suche nach Bedeutung mit Politik verwechselt wird





Die Vorgänge rund um die Tirol Milch rückten die Agrarpolitik in den Bundesländern wieder einmal ins Rampenlicht. Ohne darauf näher eingehen zu wollen, nur so viel: Ein Ruhmesblatt haben sie da nicht beschrieben. Nicht der Präsident der Tiroler Bauernkammer, schon gar nicht der Agrarlandesrat und erst recht nicht der Landeshauptmann, der sich zu allem Überfluss auch noch einmischte. Sie zeigten (wie übrigens auch die lokalen Wirtschaftskämmerer oder Politgrößen wie Fritz Dinkhauser) alle Eigenschaften, die man Provinzpolitikern gerne im Klischee zuschreibt - eitle Machtbesessenheit, Kirchturmdenken und eine Meinung, die sich verhält wie eine Fahne im Wind.

Zugegeben, Agrarpolitiker in der Provinz haben es nicht immer freudvoll. Landesräte nicht, Kammerpräsidenten und -sekretäre nicht und Bezirksbauernkammer-Obmänner und die vielen anderen, die sich in der agrarischen Vertretung tummeln, auch nicht. Brüssel ist weit, Wien auch. Und zu sagen hat man wenig. Der Spielraum ist klein. Viel kleiner, als man sich zugestehen mag. Und viel kleiner auch, als er zum oft allzu aufgeblasenen Ego eines Vertreters passt. Kein Wunder, dass sich da viele, ja die meisten schwer tun, ihre Rolle in diesem Gefüge zu finden. Merken soll das freilich niemand. Auch nicht, dass dabei Sinn und Zweck ihres Daseins oft längst verloren gegangen sind.

Getrieben von dem Versuch, sich zu inszenieren und Bedeutung zu geben, halten viele ihre heftige und beständige Arbeit am Bild des wackeren Bauernvertreters für Politik -eine schlichte Verwechslung, die sich zumeist in Ersatzhandlungen manifestiert, die bei den Bauern den Anschein erwecken sollen, man habe ja doch etwas zu sagen. Man fehlt bei keiner Veranstaltung und bei keiner Eröffnung. Und man produziert Presseaussendungen am laufenden Band, drängt sich vor jede Kamera und tut ohne Genierer so, als habe man das Ohr derer, die wirklich etwas zu sagen haben -dabei hat man oft gerade einmal den Sekretär des Sekretärs des Präsidenten oder Generaldirektors vorbeihuschen gesehen und ein beiläufiges Nicken erheischt.

Zumeist ist es nachgerade so, dass sich Eitelkeit und Anbiederung reziprok zur tatsächlichen Bedeutung verhalten, die mitunter direkt in schräge Absonderlichkeiten münden. Da leuchteten doch allen Ernstes vor nicht allzu langer Zeit von den schwarzen Socken eines Agrarlandesrates groß und in Weiß die Initialen seines Vor- und Zunamens. Noch schlimmer ist dann zuweilen nur noch, wenn sie das machen, von dem sie meinen, dass es Politik sei. Dann glauben sie in ihrer kleinen Welt alles, was sie für ein Register halten, ziehen zu müssen, stellen sich damit - siehe Tirol -noch mehr bloß und scha den, was noch schwerer wiegt, der Sache selbst.

Nur wenige der Politiker und Interessenvertreter in den Ländern verstehen es, den ihnen vorgegebenen Rahmen für die Landwirtschaft zu nutzen, für die Bauern Möglichkeiten zu eröffnen, intelligente und nachhaltige Projekte zu entwickeln oder gar politische Positionen über Landesgrenzen hinaus aufzubauen. Sie zeigen, was möglich ist. Und dass es möglich ist. Sie sind es wohl auch, die die Verantwortung tragen, wenn für die Bauern in den nächsten Monaten die Weichen für die künftige Agrarpolitik gestellt werden. Und nicht die Polterer, Schreier und Aussendungs-Schreiber. Die aber könnten das zumindest als Gelegenheit nehmen, wirklich Politik für die Bauern zu machen. Und nicht nur Politik für die Befriedigung ihrer Eitelkeiten.

Blick ins Land 6. September 2010

Freitag, 3. September 2010

Die Landwirtschaft weiß um ihre Schwächen




Das Agrarsystem wird in diesen Tagen unter seinem Wert geschlagen. Zu verbessern ist es dennoch.

Die Bauern sind in diesen Tagen wieder einmal das, was sie am wenigsten wollen. Sie sind zum Spielball geworden. Geldverschwendung, Absahnerei und Ineffizienz wird der Landwirtschaft vorgeworfen, das ganze Förderungssystem an den Pranger und als unsinnig hingestellt und eine Umverteilung der Mittel eingemahnt.

Mögliche negative und kontraproduktive Folgen solcher Forderungen werden freilich tunlichst nicht diskutiert. Die Fixierung der Strukturen gehören da genauso dazu wie ein Festhalten an einer oft ineffizienten und international nicht konkurrenzfähigen Landwirtschaft, die keinesfalls die Forderung der Gesellschaft nach preisgünstigen Lebensmitteln erfüllen kann. Erst recht wird nicht diskutiert, dass damit die Bauern in eine noch höhere Abhängigkeit von Fördergeldern geraten würden.

So schlecht, wie das Agrarsystem in diesen Tagen gemacht wird, ist es nicht. Bisher ist es gelungen, damit Österreich flächendeckend zu bewirtschaften. Die die Landschaft ist gepflegt und damit Kapital und Grundlage für einen der wichtigsten Wirtschaftszweige Österreichs, den Fremdenverkehr. Landwirtschaft wird im Vergleich zu anderen Ländern mit relativ bescheidener Intensität betrieben, der Anteil von Biolandwirtschaft ist sehr hoch. Die Bauern schafften es, das kleine Österreich bei Nahrungsmitteln zum größten Teil zum Selbstversorger zu machen. Mehr noch: der Lebensmittelexport ist längst eine der wichtigsten Stützen des Außenhandels.
Das fein ziselierte System mit seiner Vielzahl an Programmen und Förderungen sorgte bisher auch dafür, dass in Österreichs Landwirtschaft die Strukturen mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 20 Hektar, zehn Kühen und 40 Schweinen im internationalen Vergleich noch sehr bäuerlich sind - allem Druck der Märkte zum Trotz.
All das ist freilich kein Grund, dieses System nicht zu ändern und nicht weiter zu entwickeln. Es gibt Schwächen, es gibt Ungerechtigkeiten bei den Förderungen, und es gibt Anpassungsbedarf bei den Ausgleichszahlungen, die zuweilen absurde Höhen erreichen.
Das weiß man in der Landwirtschaft. Die geplanten Einsparungen im heimischen Budget und die geplante EU-Agrarreform verlangen den Bauern enorme Anpassungen ab.
Sie wollen aber eine kontinuierliche Entwicklung und nicht, dass das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird.

Salzburger Nachrichten / Seite 1 - 4. September 2010

Die Bauern gehen in die Gegenoffensive





Bauern schlagen gegen das „Schwarzbuch“ raue Töne an.


Hans Gmeiner Wels (SN). Die Vertreter der heimischen Agrarpolitik ringen um ihre Contenance. Das am Montag präsentierte „Schwarzbuch Landwirtschaft“, das sich mit dem heimischen Agrarsystem auseinandersetzt, zerrt an ihren Nerven. „Unterste Schublade“, sagen sie. Da darf man auch in eben jene greifen, dürfte sich am Donnerstag wohl Bauerbundpräsident Fritz Grillitsch bei einem Pressegespräch auf der Landwirtschaftsmesse Agraria in Wels gedacht haben: „Da wird die Landwirtschaft als mafiös dargestellt, von einem Kriminellen, der selbst vorbestraft ist“, ließ er seinem Groll gegen den Autor des „Schwarzbuchs“, Hans Weiss, freien Lauf. Grillitsch hat diese Anwürfe in vollem Bewusstsein gemacht. Sollte er selbst geklagt werden, wolle er sich von seiner Immunität als parlamentarischer Abgeordneter entbinden lassen, sagte er. Gegen das Buch werde es jedenfalls Klagen geben, kündigte der Bauernbundpräsident an.

Der neben Grillitsch sitzende Agrarminister Niki Berlakovich will sich aus solchen Scharmützeln heraushalten und, wie er als Hobbyfußballer formuliert, „den Ball flach spielen. Die Diskussion über Agrarzahlungen wird zu führen sein, so wie in allen Bereichen“, versucht er jeden Verdacht zu vermeiden, dass er mauert. „Man soll aber die Kirche im Dorf lassen.“ Es geht um 2,2 Milliarden Die Diskussion um das Agrarsystem nahm in den Tagen seit der Veröffentlichung teils skurrile Formen an. Im Mittelpunkt stehen die rund 2,2 Mrd. Euro, die jährlich aus den Budgets von EU, Bund und Ländern an die Bauern, die Agrarverwaltung, Verbände, in das Schulwesen, aber auch in Bereiche wie Hochwasserschutz oder Lawinenverbauung fließen.

Vorschläge, Vorwürfe und Zahlen wurden von verschiedensten Seiten lanciert, die allesamt nicht zusammenpassten. Mit einem Mal standen sogar die Förderungen für Nebenerwerbsbauern zur Diskussion. Der ehemalige Agrarkommissar Franz Fischler hatte auf die Möglichkeit verwiesen, Bauern, die nicht ausschließlich von der Landwirtschaft lebten, von den Fördertöpfen auszuschließen. „Damit würde man erst recht industrielle Agrarstrukturen fördern und ganz sicher nicht den kleinen Bauern“, kam der Konter aus Agrarkreisen schnell. Bei Nebenerwerbsbauern handle es sich vor allem um kleine Bauern, deren Hof nicht genug trage. Inzwischen hat Fischler seine Forderung auf „sehr reiche Hobbybauern“ beschränkt.

Die Bauernvertreter haben alle Mühe in diesem Umfeld ihren Argumenten Gehör zu verschaffen. Gebetsmühlenartig kommen Erklärungen wie „es stehen überall Leistungen dahinter“, „bei der Milchkrise im Vorjahr hätte es ohne Förderungen ein riesiges Bauernsterben gegeben“, „wir können beweisen, dass kleinen Bauern geholfen wird“, „es gibt Einschleifregelungen bei hohen Förderungen“ und „das schöne Österreich gibt es nicht zum Nulltarif“.

„Die Fakten sagen, dass wir eine sehr gute Agrarpolitik machen“, meint Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowksi. Freilich müsse sie weiter verbessert werden.

Daran versucht man zu arbeiten. „Wir wollen eine vernünftige Entwicklung“, sagt Berlakovich. Muckte er im Frühjahr noch gegen die Budget-Sparpläne seines Vorgängers Josef Pröll auf, so sagt er jetzt: „Die Landwirtschaft wird ihren Beitrag leisten.“ Dabei soll aber nicht in die Zahlungen der Bauern eingegriffen werden. „Wir wollen weiter jeden möglichen Euro aus Brüssel holen und alle Programme ausfinanzieren.“

Wo gespart werden wird, wollte er freilich nicht sagen. Als am wahrscheinlichsten gelten Kürzungen in Bereichen wie Hochwasser- oder Lawinenschutz. Sie zählen nicht zum Kern des Ressorts und es muss nicht in laufende Verpflichtungen eingegriffen werden, sondern man kann durch die Verschiebung von Projekten Geld freimachen.

Obergrenzen für Förderungen will der Minister im Zuge der EU-Agrarreform 2014 durchsetzen. Damit freilich sind schon Wilhelm Molterer und Franz Fischler gescheitert. Ausgerechnet die Sozialdemokraten Tony Blair und Gerhard Schröder kippten bei der letzten Agrarreform die vorgesehene 300.000-Euro-Grenze.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 03.September 2010
 
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