Freitag, 26. November 2010

„Die spinnen ja“





Auf der Agraria in Wels machten heuer die Landtechnikhersteller einen auf ganz groß, so als wäre Wels Hannover und Agritechnica. Riesige Traktoren mit 250 und noch mehr PS im grellen Scheinwerferlicht, Saatbeetkombinationen, fünf, sechs Meter breit, Riesenpflüge und Feldspritzen kaum unter 15 Meter. Von den Mähdreschern gar nicht zu reden. Dazwischen Verkäufer im feinen Tuch, mitunter breit grinsend und anbiedernd feixend. Fast wie in einem schlechten Film.

Nicht wenige Bauern schüttelten den Kopf, viele hielten mit der Verärgerung nicht hinter dem Berg. „Die spinnen ja“. Da könne man ja gleich daheim bleiben. „Für uns gibt es da nichts“.

Kaum sonst wo wie auf solchen Messen wird dem durchschnittlichen österreichischen Bauern so drastisch vor Augen geführt, dass er ein Auslaufmodell zu sein scheint. Mit seinen durchschnittlich 20 Hektar hat er, pointiert formuliert, nicht einmal genügend Platz um mit solchen Maschinen umzudrehen. Gar nicht zu reden davon, dass er sie sich nicht leisten kann.

Aber immerhin darf er noch in die Hallen hinein und schauen.

So selbstverständlich, wie man meinen möchte, ist das aber vielleicht gar nicht mehr. Denn viele Unternehmen in Industrie und Handel sind dabei die Bauern in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu teilen. Reden mag freilich niemand davon, und zugeben mag es schon gar keiner: Aber immer mehr schauen sehr genau, wen man wohin einlädt und wer Zusendungen und Informationsmaterial bekommt und wer nicht.

Die Adresslisten vieler Unternehmen sind fein ziseliert. Zielgruppenorientierung ist das Schlagwort, nach denen sich die Marketingprofis richten. Gefragt ist der „Profilandwirt“, wer und was immer das ist. Nur zwei, drei, oder fünf Hektar zu haben reicht dafür nicht immer und wer nur mit ein paar hundert und nicht zumindest mit ein paar tausend Euro in der Transparenzdatenbank stand, ist auch immer seltener dabei.

Die Politik sollte sich darüber Gedanken machen. Immerhin werden auf diese Weise zumindest rund ein Drittel der heimischen Bauern, denen die Politik immer verspricht für sie zu kämpfen, ausgegrenzt und von der Zukunft abgeschnitten. Ein maßgeblicher Teil der heimischen Landwirtschaft wird damit ausgehöhlt. Dass Bauern, die den Zukunfts-Kriterien von Herstellern und Handel nicht entsprechen, kein Informationsmaterial oder die eine oder andere Einladung nicht bekommen ist dabei noch das geringere Problem. Schwerer wiegt, dass immer weniger Produkte entwickelt werden, die ihren Bedürfnissen entsprechen und sie damit vom Fortschritt abgeschnitten werden.

Aber vielleicht gehört all das zur Agrarstrukturpolitik, wie sie in Österreich verstanden wird – die Bauern einfach sterben lassen, dann lösen sich auch die Probleme. Industrie und Handel machen sozusagen, was sich die Politik nicht traut.

Ist übrigens nicht das erste Mal. In der Agrarforschung und im Versuchswesen erlebt nicht nur ein Drittel der Bauern, was es heißt Bauern zweiter Klasse zu sein, sondern gleich die gesamte heimische Landwirtschaft. Die öffentlichen Institutionen sind längst finanziell ausgehungert, das Heft haben Konzerne in der Hand. Die freilich haben ihren Sitz, ihre Forschung und ihr Versuchswesen selten in Österreich. Den Bauern bleibt trotzdem nichts anderes, als sich nach dem zu richten, was von dort geboten wird.

Und das sind oft nicht mehr als Brosamen – nur sehr bedingt tauglich für die österreichischen Verhältnisse.

Blick ins Land - Dezember 2010

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