Montag, 20. Dezember 2010

„Existenz der bäuerlichen Kultur auf dem Spiel“





Landwirtschaft gilt als Zukunftsbranche, dennoch wissen die Bauern nicht, wie weiter. Drei Bücher zeigen Hintergründe.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Den Bauern geht es kaum wo auf der Welt gut. Und das, obwohl viel Geld in die Landwirtschaft gesteckt wird und obwohl die Produktion von Getreide, Milch und Fleisch als eine der attraktivsten Zukunftsbranchen gilt.

Rund um den Globus leiden Bauern unter zu niedrigen Preisen, unter Billigimporten und hohem Marktdruck. Angehalten zu billiger Produktion, bei der oft ökologische und gesellschaftspolitische Folgen keine Rolle spielen, machen sie sich auf den internationalen Märkten gegen ihren Willen gegenseitig das Leben schwer. Längst ist Bauernsterben ein Begriff, den man überall kennt. Binnen weniger Jahrzehnte sind in Jahrhunderten gewachsene Strukturen unter extremen Druck geraten und vielerorts zerborsten.

Warum das so ist, versteht längst niemand mehr. Die Bauern tun sich schwer, in diesem Umfeld, mit seinen ständig neuen Ansprüchen und Anforderungen, mit seinen politischen Volten und in rascher Folge wechselnden Vorgaben, zurechtzukommen. „Es geht der Landwirtschaft nicht mal besser, mal schlechter, wie es das immer tat“, schreibt der Allgäuer Milchbauer Romuald Schaber in seinem Buch „Blutmilch“. „Heute steht die Existenz der bäuerlichen Kultur ganz und gar auf dem Spiel.“

Schaber ist Gründer und Präsident des European Milkboard (EMB), jener rund 100.000 Milchbauern aus ganz Europa, die Brüssel immer wieder mit ihren Demos in Atem halten und auf ihre Lage aufmerksam machen. Er ist ein Bauer, wie er im Buche steht. Mit 40 Kühen zählt er nicht gerade zu den Kleinlandwirten. Klar, uneitel und unprätentiös legt er aus der Sicht eines Milchbauern die Dinge dar und damit Zusammenhänge offen, die für Außenstehende nur mehr selten erkennbar sind – die Verbundenheit mit Tradition und Natur, die Probleme mit der politischen Bauernvertretung und mit Konzernen.

Schabers Buch ist nicht das einzige, das dieser Tage erschienen ist und Orientierung zum schlagzeilenträchtigen und zuweilen heiß diskutierten Thema Landwirtschaft bietet. Der steirische Bauer Toni Hubmann („Toni’s Freilandeier“) zeichnet nach, wie er es schaffte, mit gutem Marketing und besonderem Augenmerk auf Tierschutz zumindest für einige Hundert kleine Bauern eine Produktionsnische zu erschließen. Was er dabei mit Konkurrenz, Handel, Politik und Verwaltung in Österreichs agrarischem Mikrokosmos erlebte, erklärt manche Entwicklungen. Mittlerweile ist der Agrarexperte als Berater für die SPÖ tätig. Hubmann fordert: „Wer die Bauern stärken will, der muss die Vielfalt stärken.“

Genau dazu können auch die Konsumenten wesentlich beitragen, befindet der Wiener Wirtschaftsjournalist Paul Trummer. Anhand der Zutaten für eine Salami-Pizza bietet er Einblicke in die Zusammenhänge der internationalen Landwirtschaft. Er besuchte Fabriken und Bauern, sprach mit Politikern und Wirtschaftskapitänen in aller Welt. Sein Fazit: „Überraschend viele Probleme sind nicht von Wetter und Boden abhängig, sondern von der Politik.“ Und: „Bei der Produktion dominiert heute oft das Streben nach geringsten Kosten, denn wir Konsumenten wollen vor allem eines: billig einkaufen. Dass wir damit eine Spirale in Gang setzen, die oftmals auf Kosten von Mensch und Natur weltweit geht, ist uns kaum bewusst.“

Romuald Schaber: „Blutmilch – Wie die Bauern ums Überleben kämpfen“, Pattloch, München Toni Hubmann: „Wie wir uns über gute Lebensmittel freuen können, Bauernhöfe keine Fabriken werden und was sich dafür ändern muss“, Echomedia, Wien Paul Trummer: „Pizza globale – Ein Lieblingsessen erklärt die Weltwirtschaft“, Econ, Berlin

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