Mittwoch, 1. Dezember 2010

Zündstoff für die Stammtische





Agrarkommissar Ciolos stellt die Bauern mit seinen Reformvorschlägen zur Agrarpolitik vor heikle Probleme. Im Mittelpunkt: Die Angleichung der Prämien.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Erleichtert zeigten sich die heimischen Agrarier nach der ersten Analyse der Vorschläge zur EU-Agrarreform. Zündstoff gibt es dennoch genug. Im Mittelpunkt stehen dabei die Beseitigung von Unterschieden bei den Prämienansprüchen der Bauern, die künftige Ausgestaltung der Agrar-Umweltprogramme und die Festlegung der benachteiligten Gebiete, für die es Sonderförderungen gibt – ganz abgesehen davon, dass aus derzeitiger Sicht völlig offen ist, wie viel Geld es in Zukunft für die EU-Agrarpolitik und einzelne Maßnahmen gibt.

Bei den Betriebsprämien stehen gleich von zwei Seiten Veränderungen ins Haus. Zum einen will der Agrarkommissar die Prämien EU-weit angleichen. Dabei haben Österreichs Bauern relativ gute Karten, weil ihre Hektarprämien im Gesamtschnitt innerhalb der EU nur im Mittelfeld liegen. Zum anderen steht aber auch in Österreich selbst eine Angleichung an. Und die ist heikel. Die Verteilung der sogenannten einheitlichen Betriebsprämie, die von Brüssel bezahlt wird, erfolgt in Österreich nach dem historischen Modell und orientiert sich noch an den Produktionsverhältnissen zu Beginn des Jahrzehnts. Daraus entwickelten sich Ungleichheiten. Der Bogen reicht von durchschnittlich 137 Euro pro Hektar im Bezirk St. Johann im Pongau bis zu 325 Euro pro Hektar in Ackerbaugebieten oder gar 366 im Bezirk Schwaz in Tirol mit seiner intensiven Milchproduktion.

De facto freilich sind die Unterschiede nicht so gravierend. Durch die Gelder, die die heimischen Bauern aus der freiwilligen Teilnahme an Umweltprogrammen lukrieren, und durch die Bergbauernförderung werden die Förderungen für die einzelnen Bauern stark angeglichen, bleibt es bei Hektar als Maßstab. Beispiele im Grünen Bericht zeigen, dass die öffentlichen Mittel, die Bauern pro Hektar insgesamt bekommen, in allen Betriebszweigen, Betriebsgrößen und Produktionsgebieten in der Größenordnung zwischen 500 und 700 Euro pro Hektar liegen. Einzig die Biobauern liegen deutlich darüber.

Dennoch sind die politischen Grabenkämpfe längst in Gang. Die ÖVP-Bauernvertreter lehnen eine einheitliche Prämie für ganz Österreich ab und wollen allenfalls eine Annäherung. Die SPÖ etwa pocht massiv auf Umverteilung und will die Zahl der Arbeitskräfte auf einem Hof als Kriterium für die Prämien einfügen.

Bei der Neugestaltung wird es Sieger und Verlierer geben. Die Tendenz ist absehbar: Das Geld wird eher in Richtung Grünlandgebiete fließen. Einbußen haben vor allem Ackerbauern zu erwarten, oder Landwirte, die vom historischen Modell besonders profitierten, wie etwa Stiermäster.

Vor diesem Hintergrund kommt der künftigen Gestaltung der rein österreichischen Umweltprogramme ein besonderer Stellenwert zu. Was Ciolos vorstellte, macht die heimischen Bauern skeptisch. Maßnahmen wie die Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen oder Begrünung der Äcker im Winter, mit denen die Bauern bisher ihr Einkommen auffetten konnten, sollen künftig Bestandteil der Brüsseler Betriebsprämie werden. Wie und mit welchen Maßnahmen trotzdem auch in Zukunft die Umweltgelder für Österreichs Bauern gesichert werden können, ist noch völlig unklar.

Unklar ist auch, was in Zukunft als Bergbauerngebiet oder benachteiligtes Gebiet gilt. Käme das, was sich der Agrarkommissar wünscht, müssten vor allem viele Bauern in Übergangszonen um ihre Zusatzförderungen fürchten. Die heimischen Agrarier beruhigen aber einstweilen: „Das ist noch nicht gegessen.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 01.12.2010

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