Montag, 10. Januar 2011

Der Dioxin-Skandal und wir





Die Gier nach billigen Lebensmitteln sorgte dafür, dass man sich weltweit vor einem einzigen Futtermischer fürchten muss.

Von Hans Gmeiner

Und wieder sorgt ein Lebensmittelskandal für dicke Schlagzeilen. Und wieder in Deutschland. Nach Gammelfleisch und Schummelkäse nun Dioxin im Futter, in Eiern und möglicherweise in Fleisch. Und wieder sind die Fragen da: Was ist das, was uns da täglich in Plastikfolien eingeschweißt in den Supermärkten als Essen angedient wird? Dieses Fleisch, diese Milch, dieser Käse, diese Eier von angeblich „glücklichen Tieren", wie sie auf den Verpackungen dargestellt werden?

Und wieder sind es die gleichen Antworten. Man echauffiert sich über die Produktionsweisen, beklagt die Geldgier der Agrarindustrie und geißelt die Politik. Ja, da mag überall etwas dran sein. Aber: All diese Diskussionen zielen in die falsche Richtung und greifen zu kurz. Jedenfalls in diesem Dioxinskandal. Denn zum einen ist das offenbar ein simpler Kriminalfall. Zum anderen ist die industrielle Erzeugung von Lebensmitteln nicht per se schlecht oder gar gefährlich.

Das Problem sind die Strukturen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Groß, größer, noch größer mussten die Lebensmittelerzeuger und -verarbeiter werden, damit das Essen billig, billiger und noch billiger werden konnte. Alle machten mit, mussten mitmachen. Der Handel, die Erzeuger und Verarbeiter, wir Konsumenten sowieso. Ein Teufelskreis.

Metzger blieben dabei auf der Strecke, Bäcker, Müller und der Kaufmann ums Eck, die Bauern sowieso. Und damit auch das Sicherheitsnetz, das uns vor der lawinenartigen Verbreitung der Folgen eines Skandals wie dem aktuellen schützt.

Denn erst damit wurde möglich, dass ein einziger krimineller Futtermischer aus Norddeutschland einen Schaden anrichten konnte, der binnen kürzester Zeit bis ins benachbarte Ausland und sogar nach Übersee reichte. Die Marktanteile, die solche Unternehmen heute halten, sind groß, die Mengen, die sie umsetzen, riesig, die Distanzen über die sie ihre Geschäfte machen, weit. Und entsprechend groß ist der Schaden, wenn etwas gedreht wird oder etwas passiert.

Der Konsument kann sich inzwischen kaum mehr schützen. „Österreichisch kaufen", empfiehlt man nun allerorten. Damit ist man sicher auf der besseren Seite. Mehr aber auch nicht. Den letzten Lebensmittelmittelskandal brockte den Deutschen ein österreichisches Unternehmen ein. Mit Quargel. Der kostete acht Menschen das Leben.

Salzburger Nachrichten, 11. Jänner 2011 Seite 1

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