Samstag, 5. Februar 2011

Von der fatalen Sucht nach Öffentlichkeit





Von „Millionen gefährdeten Verbrauchern“ sprach die Tierschutzorganisation Vier Pfoten und empfahl, da war der Dioxinskandal in Deutschland noch nicht viel mehr als ein Gerücht, auch in Österreich Schweinefleisch zu meiden.

Gleich hinterdrein polterte der Agrarsprecher des BZÖ und schaltete auf Presseaussendungs-Dauerfeuer: „Gesundheitsrisiko für österreichische Bevölkerung steigt“ hieß es einmal und dann „Dioxin-Skandal erreicht Bayern und somit Österreich“.

Was bei einer Tierschutzorganisation, zumal einer vom Zuschnitt von Vier Pfoten, noch nachvollziehbar sein mag, ist es für einen Vertreter der Landwirtschaft nicht. Das ist Öl ins Feuer gießen und nichts anderes als Wichtigmacherei auf dem Rücken der Schweine- und Geflügelbauern.

Und wenig zur Entspannung trug auch bei, dass selbst von Agrarpolitik und von Vertretern der Schweinebauern mit Krawallworten wie „Preis-Tsunami“ und Ähnlichen die Diskussion in den Schlagzeilen gehalten wurde.

Aber eigentlich war es wie immer: Gibt es irgendwo einen Skandal, der mit Ernährung zu tun hat, springt die Landwirtschaft, gleich ob die Bauern selbst oder ihre Vertreter, mit Anlauf in alle bereit stehenden Fettnäpfchen. Man bettelt nachgerade darum, so zuweilen der Eindruck, verantwortlich gemacht zu werden und Schuld tragen zu dürfen. Man zerrt regelrecht Skandale ins Land und betet Absatz- und Preiszusammenbrüche herbei. Man erklärt Dinge, nach denen keiner fragt und man drängt sich in Positionen, in denen man nichts verloren hat.

Das war bei BSE so, das war beim Quargel so, das war bei nahezu allen anderen Skandalen so. Und das war mit dem Dioxin-Skandal im fernen Norddeutschland so. Die Futtermittelindustrie, zumal die im Ausland? Die Verarbeiter? Der Handel? Allenfalls gelassene Reaktionen, kurze Statements, wenn sie gefragt werden, möglichst schnell zurück zu täglichen Geschäft. Deckung.

Nur die Landwirtschaft blieb übrig. Wie immer. Und nicht immer, weil die anderen so böswillig sind.

Um nicht missverstanden zu werden. Hier soll nicht einer Verniedlichung der Probleme, die der Dioxin-Skandal auch für die österreichischen Bauern gebracht hat, das Wort geredet werden, und schon gar nicht einer Vertuschung. Weniger Aufgeregtheit ist es aber, die zu wünschen ist, mehr Sachlichkeit und rasches und zielorientiertes Handeln.

Dass das ein Wunsch und nicht Wirklichkeit ist, hat damit zu tun, dass die Landwirtschaft in ihrem ewigen Bestreben sich als notwendig für Land und Gesellschaft zu rechtfertigen, die Öffentlichkeit sucht, wie keine andere Branche.

Und es hat damit zu tun, dass gerade in der Agrarpolitik (oder was sich dafür hält) politisches Handeln gerne mit dem Verschicken von Presseaussendungen verwechselt wird. Motto: erst sicherheitshalber einmal schreien, ganz egal, was man damit anrichtet, und dann erst schauen, was man wirklich tun kann.

Von diesem Geist getragen sind auch die Rufe nach Importsperren oder die Hohelieder, die gerade in den vergangenen Wochen wieder besonders laut auf die heimische Qualität gesungen wurden.

Beim einen vergisst man darauf, dass man selbst zu einem guten Teil vom Export lebt. Und beim anderen kehrt man unter den Teppich, dass es ein österreichisches Unternehmen war, das den Deutschen den letzten Skandal eingebrockt hat - mit Quargel. Der kostete acht Menschen das Leben.

Gott möge verhüten, dass als Folge des jetzigen Dioxin-Skandals auch nur einer stirbt.

Blick ins Land - Februar 2011

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