Montag, 7. März 2011

Bauern – die Aschenputtel des Agrarbooms?

Die Landwirtschaft gilt als die Boombranche der Zukunft schlechthin. Der rasante Zuwachs der Weltbevölkerung, der wachsende Hunger nach Fleisch oder die steigende Nachfrage nach Bio-Treibstoffen sorgen für immer neue, immer optimistischere Prognosen. Bis zu 70 Prozent muss bis Mitte dieses Jahrhunderts die Agrarproduktion gesteigert werden, um die Weltbevölkerung ernähren zu können. Die Preise werden anziehen heißt es.

Alles Paletti also? Mitnichten. Bei den Bauern mag das Gefühl nicht weichen, dass das alles in Zukunft dennoch nicht so einfach wird und vor allem nicht so rosig, wie es von manchen interpretiert wird. Man hat Sorge, dass man nichts davon hat, dass man trotzdem nicht mitkommt, dass alles in Richtung industrieller Produktionsformen läuft. Man ist verunsichert.

Zu verdenken ist es ihnen nicht. Anders als die heimischen Agrarindustrie, die wie etwa die Agrana oder die LLI-Gruppe zur europäischen Spitze gehören, sind die Bauern nicht wirklich gut aufgestellt für die Bewältigung der Anforderungen, die auf sie zukommen.

Ein Großteil der Betriebe in Österreich ist zu klein, um sich auf den traditionellen Agrarmärkten zu behaupten. Die eigentliche Achillesferse aber ist der enorm hohe Anteil der öffentlichen Gelder am Bauerneinkommen. Vor allem für kleine Betriebe wäre es mittlerweile rein rechnerisch sinnvoller, die Förderungen zu nehmen, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu machen. Es würde ihnen mehr bleiben, als wenn sie in den Stall gehen oder aufs Feld fahren.

Mit dieser Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln, die sie, genau betrachtet, zu Staatsdienern fast wie Beamte macht, haben die Bauern aber nichts mehr selbst in der Hand, sondern sind abhängig vom guten Willen anderer – keine angenehme und zukunftsträchtige Position, zumal angesichts der immer knapper werdenden öffentlichen Kassen der Druck und die Begehrlichkeiten aus anderen Gesellschaftsgruppen, die Bauerngelder zu kürzen, immer deutlicher formuliert wird.

Es ist zu spüren, dass die Gesellschaft und die Politik umzudenken beginnen.

Im Klartext bedeutet das: die Fundamente, auf denen derzeit die Agrarpolitik steht, bröckeln.

Da ist es verwunderlich, dass sich die Agrarpolitik nach wie vor praktisch ausschließlich darüber definiert, für die Bauern das Geld abzusichern. Von neuen Wegen, klaren Schritte gar oder einer offensive Strukturpolitik, die Antworten auf die Herausforderungen der nächsten Jahre bieten könnten, ist nichts zu sehen. Weil man keine Ideen hat oder weil man sich nicht traut, sei dahingestellt.

Landwirtschaft wird von außen zunehmend als ganz normaler Wirtschaftszweig gesehen. Darum sollten sich auch die Bauern damit anfreunden, die Landwirtschaft als ganz normalen Wirtschaftszweig zu sehen.

Dabei geht es, allen persönlichen Befindlichkeiten zum Trotz, darum, die Chancen zu finden und die Gefahren zu erkennen.

Wer sagt, „der Landwirtschaft wird ja eine gute Zukunft mit guten Preisen vorausgesagt - da lehn ich mich zurück, bis dahin wird’ ich’s schon aushalten“, dem sei zu Vorsicht geraten. Denn wenn auf der anderen Seite die Förderungen zurückgeschraubt werden, wird es mit großen Sprüngen wohl wieder nichts – zumal dann, wenn die Betriebsstrukturen unverändert bleiben.

Gastkommentar Agrozucker März 2011

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