Dienstag, 8. März 2011

Börsen geben Bauern Sicherheit





Angesichts des Höhenflugs der Rohstoffpreise nutzen auch Bauern Terminbörsen – um ihre Haut zu retten.

HANS GMEINER Salzburg (SN). „Da hat das Ganze wieder ein bisserl Sinn.“ Der junge Landwirt aus Leonding bei Linz freut sich. Für 240 Euro pro Tonne hat er Mitte Februar über sein Lagerhaus auf der Warenterminbörse Euronext in Paris einen Teil seiner heurigen Weizenernte verkauft, die gerade auf den Feldern heranzuwachsen beginnt. So viel Geld gab es für Weizen noch nie. Hätte der Bauer zwei Wochen länger zugewartet, hätte er deutlich weniger zu erwarten. Derzeit liegt die Novembernotierung für Weizen, zu der er das Geschäft abschloss, nach einem heftigen Preisrutsch nur mehr bei rund 215 Euro je Tonne. Und im Sommer, zur Ernte, so fürchten die Getreidebauern aus der Erfahrung der vergangenen Jahre, könnte es noch weit weniger sein.

Erstmals nutzen sie daher heuer Warenterminbörsen in größerem Stil, um Preise abzusichern. Die Mengen, um die es geht, sind noch gering. „Wir haben heuer in den Getreidebaugebieten für rund 20.000 Tonnen Weizen und 25.000 Tonnen Raps Euronext-Verträge abgeschlossen“, sagt Ernst Gauhs von Österreichs größtem Getreidehändler Raiffeisen Ware Austria (RWA). Lagerhäuser und private Händler bieten solche Verträge an. „Sie geben den Bauern Sicherheit und machen die Ernte kalkulierbar“, sagt Gauhs.

Die Bauern wollen auf der Preis-Achterbahn nicht unter die Räder kommen. Zudem geht es darum, die deutlich gestiegenen Kosten für Saatgut, Pflanzenschutz, Düngung und Treibstoffe wieder hereinzubringen. „Nichts abzusichern wäre Spekulation.“ „Hinter dieser Art von Termingeschäft steht echte Ware“, sagt Karl Bauer vom Lagerhaus Oberösterreich Mitte. „Das ist keine Spekulation.“ Das Risiko für die Bauern ist gering, der Preis ist garantiert. Es kann nur sein, dass im Sommer die Preise höher sind. Dann müssen sie dennoch zu den jetzt vertraglich fixierten Börsepreisen verkaufen. Das Risiko tragen die Aufkäufer, die das eigentliche Börsengeschäft abwickeln und sich dort entsprechend absichern müssen. Die Landwirte sind gebrannte Kinder. In den vergangenen Jahren kamen sie wegen der extremen Preisausschläge gleich mehrfach zum Handkuss.

Der Weizen, den sie 2007 nach der Ernte um 120 Euro je Tonne verkauften, wurde nur wenige Monate später um 250 Euro gehandelt. Bei der Ernte 2008 lag der Preis wieder bei 150 Euro, 2009 gab es gar nur 120 Euro. Vergangenen Sommer erwischten die Landwirte bei Weizen den Preishöhenflug ab Anfang August. Bei Gerste, die früher geerntet wird, schauten sie durch die Finger. Für die bekamen sie 120 Euro pro Tonne, heute wären es 240.

Der Höhenflug bei den Rohstoffpreisen, der für immer mehr Schlagzeilen sorgt, stellt aber auch Bauern in anderen Produktionssparten vor ungewohnte Aufgaben. Vor allem die Schweine- und Geflügelproduzenten leiden unter den stark gestiegenen Futterkosten. Dort versucht der Handel mittlerweile mit dem Angebot von Terminkontrakten für Futtermittel wie Soja zumindest eine gewisse Kalkulierbarkeit zu bieten.

Manchen ist auch das zu wenig. Angesichts der schlechten Schweinepreise verkaufen Bauern das Futtergetreide, das sie im Sommer billig einkauften, nun zu Höchstpreisen – und fahren die derzeit ohnehin oft defizitäre Schweineproduktion zurück.

Das sind nicht die einzigen unerwarteten Folgen der steigenden Rohstoffpreise. Derzeit kämpft Europa mit Zuckerknappheit. Um Staaten der Dritten Welt Zugang zum EU-Markt zu ermöglichen, wurde in den vergangenen Jahren die Zuckerproduktion zurückgefahren. Angesichts der hohen Weltmarktpreise verkaufen diese Staaten Zucker nun überall anders hin, aber nicht in die EU.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 08.03.2011

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