Donnerstag, 10. März 2011

Ein Schubladkasten namens Österreich





Seit vorgestern ist der Fasching vorbei. Die Zeit der ausgelassenen Herumtollerei, bei der nicht immer alles ganz ernst gemeint ist, was gesagt wird, bei der alles lockerer ist, bei der man gerne in fremde Rollen schlüpft. Lugners Ruby ist vom Opernball wieder daheim, in Villach ist Ruh’ und überall anders auch.

Seit gestern ist Fastenzeit, Zeit der Askese, der Einkehr, der Besinnung, des Innehaltens. Und Zeit der inneren Reinigung – der Jahreskreis halt.

Gäbe es das doch auch in der Politik, mag man da seufzen. Fastenzeit täte auch dort gut. Einkehr, innehalten, innere Reinigung.

Es gibt so viele Themen, so viele Lebensbereiche, in denen auf die Politik gewartet wird. Schulen und Universitäten, Heeresreform, Migration und Integration, Verwaltungsreform und Gesundheitswesen. Die Liste der Themen, die durch die Jahre gewälzt werden ist lang. Aber es geschieht nur wenig. Und wenn etwas geschieht, ist man schnell dabei, sich zu blamieren. Hohle Phrasen, dicke Schlagzeilen, wenig Argumente und kaum wo Fortschritt.

Dass Politik eine ernsthafte Disziplin ist und als solche betrieben wird, ist zuweilen kaum zu erkennen. Dabei wäre die Bereitschaft für Veränderungen in der Bevölkerung groß wie kaum je in den vergangenen Jahren. Überall ist das zu spüren. Man erwartet Entscheidungen, man erkennt und anerkennt, dass Schnitte notwendig sind.

Aber die Politik versteht das nicht zu nutzen. Lieber dort noch ein „Hinsichtl“ und da noch ein „Rücksichtl“. Da meinen Gruppen ihre Süppchen kochen und sich wichtig machen zu können. Und dort werden Justamentstandpunkte nur deswegen aufgebläht, um dem anderen eine Idee madig zu machen. Und dann meint auch noch die eine oder andere Zeitung Politik machen zu müssen.

Der Blick aufs Ganze, das Ganze selbst sind dabei längst unter die Räder gekommen. Österreich hat, so scheint es, Politik verlernt – im Kleinen wie im Großen ist der Verlust der politischen Kultur zu beklagen und der Niedergang der Politik als Handwerk.

Aber nicht nur das. Mit der Politik hat auch die Gesellschaft den Umgang mit der Politik und mit politischen Themen verlernt.

Österreich leidet seit geraumer Zeit daran, dass es keinen offenen Diskurs zu wichtigen politischen Themen mehr gibt, schon gar keinen Diskurs, der vorwärts führt, der das Land weiter bringt. Nicht in der Politik, nicht in der Gesellschaft insgesamt. Es gibt kaum einen unvoreingenommenen Austausch der Ideen und viel zu selten ein objektives Abwägen von Standpunkten mit dem Ziel, zu möglichst guten Lösungen zu kommen.

Was es gibt, sind Streitereien, Untergriffigkeiten, zuweilen lustvolle Bösartigkeit. Schwarz oder weiß ist die Devise im Parlament und an den Stammtischen. Die vielen Facetten dazwischen zählen nichts mehr.

Den anderen in der politischen Auseinandersetzung nicht leben zu lassen, scheint oberste Maxime zu sein. Blockaden sind die Folge. Stillstand. Nichts geht mehr weiter. Nichts soll mehr weiter gehen. Wichtiger als sich mit einer Idee auseinanderzusetzen scheint oft zu sein, möglichst rasch - und möglichst laut - eine Gegenposition aufzubauen. Und dabei geht es praktisch nie um die Sache selbst, sondern um das, von dem man meint, das sei das eigene Profil.

Österreichs Politik und Österreichs öffentliches Leben sind ein großer Schubladkasten geworden, in dem es für jeden der sich offen äußert, ein eigenes Kästchen gibt.

Das tut dem Land nicht gut. Und das tut der Politik nicht gut. Österreich braucht Luft und keinen Schubladkasten.

Weil das aber nicht so ist, diskutiert man hierzulande herzhaft und mitunter ausschließlich lieber über einen ehemaligen Finanzminister und seine schmeichelhafte Fanpost, über einen alten Wiener Baumeister und seine blutjungen Gespielinnen und Wirtschaftsskandale, die Leute diesen Zuschnitts angerichtet haben.

Dabei kracht rundherum die Welt und Österreich bräuchte dringend Ideen, wie es sich da in Zukunft zurechtfinden kann – eine Fastenzeit eben. Einkehr, innehalten, Reinigung.

Raiffeisenzeitung - 10. März 2011

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