Donnerstag, 3. März 2011

Profil statt leerer Worthülsen





Der Wiener Edelgastronom feuert seine Rindfleischlieferanten wegen ein paar Cent, die die mehr wollen. Der Wirt ums Eck stellt Fleisch vom deutschen Tiefkühllieferanten auf den Tisch, weil’s ein bisschen billiger ist. Vom Handel kennt man das sowieso. Die Preise müssen runter. Tief, tiefer, noch tiefer.

Die Bauern schäumen. Gerade in den vergangenen Wochen gingen die Wogen wieder hoch.

Die Agrarier haben recht, Verständnis einzumahnen. Freilich schmerzt es, wenn ausgerechnet ein Handelsboss erklärt, der Preiskampf sei "verrückt“, gehe es doch um "unsere Bauern“, um "unsere Almen und Wiesen“, um "unser“ Kulturgut. Und am nächsten Tag flattert von genau diesem Konzern ein Flugblatt mit "Zwei zum Preis von einem“-Angeboten ins Haus.

Aber, das zu beklagen und um Verständnis zu heischen, hilft ganz augenscheinlich wenig. Die Landwirtschaft ist damit in den vergangenen Jahren zum Bittsteller geworden. Mit lauen Argumenten, ohne überzeugende Fakten und entsprechend wenig, auf das sich Selbstbewusstsein und Stärke gründen könnten.

Und nicht nur das. Die Agrarier müssen sich, ohne allzu viel entgegenhalten zu können, sogar sagen lassen, dass sie eher sich selbst als die Konsumenten im Focus haben, dass sie - wie vor drei Jahren - in Österreich höhere Milchpreise fordern, während sie ihre Überschüsse im Ausland billig verscherbeln oder dass sie nur den Handel kritisieren, aber die restlichen 40 Prozent des Marktes, die Gastronomie und die Großküchen vor allem, unbehelligt lassen.

Die Landwirtschaft und ihre Vertreter wirken hilflos. Die Argumente der Landwirtschaft verfangen längst nicht mehr so, wie sie müssten. "Unsere Produkte sind ehrlich,“ buhlte kürzlich etwa der junge Tiroler Kammerpräsident, ein Hoffnungsträger der heimischen Agrarpolitik, bei einer hochkarätig besetzten Veranstaltung ganz altbacken um die Gunst von Handel und Molkereien. "Wir produzieren nachhaltige und hohe Qualität,“ meinte er. Und: "Wir erwarten uns dafür einen fairen Anteil an den Preisen“.

Eindruck beim Publikum machte er damit nicht.

"Nachhaltig“, "ehrlich“, "Qualität“. Diese Begriffe sind heute selbstverständlich - sogar im Diskont. Und es ist naiv zu glauben, dass man mit solchen Allgemeinplätzen noch jemanden dazu bringt, mehr zu zahlen - zumal dann, wenn man nicht dazusagt, was damit wirklich gemeint ist.

Allzu lange schon macht es sich die Landwirtschaft in solchen Worthülsen bequem. Was heißt "Nachhaltigkeit“ wirklich? Was "ehrliche Produktion“? Was "Qualität“? Das behaupten doch auch die bayerische Landwirtschaft und die dortigen Verarbeiter von sich, die in Frankreich, die in Italien und sogar die in Polen. Und das völlig zu recht. Auch dort werden gute Produkte erzeugt.

Mit solch allgemeinen Begriffen kann man sich heute auf den Märkten nicht mehr von anderen Anbietern abheben. Zumal dann, wenn sich, genau betrachtet, die Produktionsweisen kaum von denen in anderen Ländern unterscheiden. Die Kühe stehen auch anderswo wie in Österreich auf Wiesen, Schweine liegen auch bei uns oft auf Spaltenböden und ein österreichischer Getreidebauer arbeitet kaum anders als sein norddeutscher Kollege.

Die Unschärfen in der Landwirtschaft finden in der Verarbeitung nahtlos ihre Fortsetzung. Dort geht man - um Kosten zu sparen oder auf Druck des Handels - vor allem mit der Differenzierung zwischen den eigenen Markenprodukte und den Handelsmarken, für die man produziert, zuweilen unscharf um. Man macht es dem Handel leicht, noch fester an der Schraube zu drehen, wenn sich in der Verpackung, die unter einer Handelsmarke im Regal liegt, die gleiche Ware befindet wie in der Verpackung mit dem eigenen Logo. Immer mehr Konsumenten wissen davon. Es darf daher nicht verwundern, wenn sie die gleiche Ware für weniger Geld kaufen.

Dass mittlerweile selbst auf den Verpackungen der Diskont-Handelsmarken allerlei Etiketten und sogar das AMA-Gütesiegel zu finden sind und diese Produkte mit den gleichen Slogans wie Markenprodukte beworben werden, sollte bei den Agrariern endgültig Großalarm auslösen.

Die Landwirtschaft ist angesichts dieser Entwicklungen dringend gefordert, ihre Argumentation nachzuschärfen und mit Daten und Fakten zu belegen. Sie sollte klären, was an der Art und Weise, wie in Österreich Landwirtschaft gemacht wird, was an den Produkten, die sie erzeugt, wirklich anders ist, was sie einzigartig macht.

"Was macht Österreichs Landwirtschaft wirklich aus?“ ist das Thema, um das es dabei gehen muss.

Ein zuverlässiges Kontrollwesen alleine, das heute als einzig greifbares Argument für Österreichs Produkte gilt, ist sicher zu wenig.

Gefordert ist, so wie die Dinge liegen, eine weitere und schärfere Differenzierung.

Das mag aufwendig sein, mühselig und langwierig. Der Handel zeigt das da und dort schon vor. Die Landwirtschaft soll sich nicht grundsätzlich dagegen sperren. Es führt kein Weg herum, wenn es gelingen soll, dass die österreichische Landwirtschaft tatsächlich ein eigenes Profil gewinnt, mit dem es sich auf den Märkten unverwechselbar macht - zumal sogar von der EU-Agrarreform Druck kommen wird, genauer zu differenzieren.

Gelingt es nicht, einen tauglichen Weg zu finden, verliert die derzeitige Agrarpolitik samt all der Aufwendungen, die sie nach sich zieht, einen Gutteil ihrer Grundlage. Denn dann ist es wohl besser, so billig wie möglich zu produzieren - das wäre dann wirklich "ehrlich“.

Raiffeisenzeitung 3. März 2011

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