Donnerstag, 7. April 2011

Die Politik braucht mehr Raum





Drei Politiker-Rücktritte binnen weniger Tage. Strasser, Kapeller, Ranner. Große Aufregung. Große Verwunderung. Kopfschütteln allerorten. Aber immerhin, sie sind - über das Wie sei in allen Fällen der Mantel des Schweigens gebreitet - zurückgetreten. Die politische Kaste freilich ist damit wieder heftig in den Schlagzeilen und jedermann und jedefrau kann das Gemüt daran kühlen.

Denen ist schwer etwas entgegenzuhalten. Außer vielleicht, dass es Politiker trotz allem braucht. Und außer vielleicht, dass nicht alle so sind.

Letzteres ist das, was eigentlich verwundert.

Denn es verlangt viel, im österreichischen Umfeld nicht so zu sein, wie es sich für den Beobachter gemeinhin darstellt. Und es verlangt noch mehr, nicht so zu sein, wie man sich hierzulande gemeinhin einen Politiker respektive eine Politikerin vorstellt und sich trotzdem in der Politik zu halten. Nicht der Schnittlauch auf allen Veranstaltungssuppen, nicht der polternde Hau-Drauf und nicht der anbiedernde Grüß-August auf jedem Fest.

Politikern wird ja hierzulande zumeist, aller Kritik und allen Vorbehalten zum Trotz, ganz in der Tradition der Monarchie, geradezu servil entgegengetreten. Herr Abgeordneter hier, Frau Präsident da. Da ein pickig-süßes Wort, dort ein schmeichelnder Applaus. Salbungsvolle Worte, Ehrerbietung, ja Unterwürfigkeit. Einen Blick erheischen, ein Handschütteln, ein Lächeln. Das ist, was viele wollen.

Und die Politiker tun alles, um diese Erwartungen zu erfüllen. Sie versuchen überall dabei zu sein, sie versuchen sich und ihre Dienste zumeist in einer Weise anzubieten, die schnell ins Anbiedern kippt. Für ein freundliches Lächeln, für ein Schulterklopfen sind sie bereit Dinge zu machen, die sie eigentlich im Grunde ihres Herzen verachten, von denen sie aber glauben, sie gehören zum Berufsbild eines Politikers.

Es gibt aber auch die andere Seite. Den Stress. Die Frustration. Das tägliche Scheitern. Das vor allem. Politik ist mühsam. Die Qualifikation der Politiker für ihre Aufgabe oft schlecht. Greifbare Erfolge, von Interventionen für die Wählerklientel einmal abgesehen, sind selten.

Einerlei. Beides verführt rasch in eine andere Welt. In eine Welt, in der man glaubt sich Privilegien nehmen zu können - Sonder-Parkplätze, Geld, Spesen.

Da verschwimmen die Grenzen schnell, kippt der Boden unter den Füßen weg. Dieses Leben korrumpiert. Und wenn nicht durch das ständige Erleben der Sonderstellung, die einem gegeben wird, dann durch die als unmäßig empfundene Belastung, für die man Trost sucht und die zum Glauben verführt, sich etwas Besonderes herausnehmen zu dürfen.

Das Ergebnis ist verheerend. Der Blick über den Tellerrand, Intellektualität gar, ein offener Diskurs, das sind in Österreichs Politik keine Kategorien. Nicht zugelassen von den meisten Medien, nicht zugelassen von der politischen Konkurrenz.

Nicht zugelassen aber auch, das vor allem, von den Wählern selbst. Die anbiedernde Unterwürfigkeit der einen zementiert das Gehabe der Politiker und die Art, wie hierzulande Politik gemacht und erlebt wird genauso ein, wie der schroffe Umgang mit einer Politik und mit Politikern, die nicht in die eigene Vorstellungswelt passen.

Österreich muss sich ein anderes Verhältnis zur Politik und den Menschen, die sie machen, überlegen. Ein entspannteres, ein ehrlicheres, ein weniger serviles, ein sachliches. Man sollte der Politik wieder Platz für die Politik geben. Für eine Politik, in der die Vorschläge des einen und der einen Seite nicht nur da sind, um vom anderen und der anderen Seite abgeschmettert, zerpflückt und vernichtet zu werden. Und für Politiker, die sich treu bleiben können.

Das Land bräuchte das dringend. Denn Österreich kann es sich nicht leisten, dass sich immer weniger Menschen für die Politik hergeben, dass sie in einem Ruf steht, der jeder Beschreibung spottet und die von vielen nur noch als abstoßend empfunden wird.

Denn damit macht man den Weg frei für den Schlag Politiker, der in diesen Wochen wieder für extradicke Schlagzeilen sorgt. Und von denen man weiß, dass die drei, die gegangen sind, längst nicht alle sind, die das tun sollten.


Raiffeisenzeitung - 7. April 2011

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