Donnerstag, 21. April 2011

Merkwürdige Schöpfung Funktionär





Mit dem überraschenden Rücktritt Josef Prölls schlug die Stunde der Parteifunktionäre. Wieder einmal. Und wie immer in Fällen, denen eine große Portion an Überraschung innewohnt. Da glühen die Telefondrähte, da brodelt die Gerüchteküche, da werden Informationen gestreut und ausgetauscht. Hinter vorgehaltener Hand und unter dem Siegel der Verschwiegenheit, versteht sich.

Ein richtiger Zirkus, zuweilen großes Kino, wie da Namen lanciert werden und verschwinden. In Wien, in den Landeshauptstädten, draußen in den Gemeinden. Die Funktionäre spüren in Situationen, wie sie in den vergangenen Tagen die Volkspartei erlebte, den "Atem der Politik“ wie sonst kaum. Keine Frage, dass das zum Spekulieren animiert.

Das ist, nimmt man ein durchschnittliches Funktionärsdasein als Maßstab, durchaus verständlich. Etwas anderes bleibt den allermeisten von ihnen ja nicht.

Viel ist das freilich nicht. Selten wird den Funktionären so drastisch vor Augen geführt, wie machtlos sie eigentlich sind, wie gering ihr Einfluss, welche Position ihnen wirklich zugedacht ist und wie groß die Defizite von vorgeblich demokratischen Strukturen sind, wie sie Parteien vorgeben zu leben - gerade dann, wenn es um grundsätzliche Entscheidungen und Weichenstellungen geht.

"Oben“ sind die paar wenigen, die den Ton angeben. Dann kommt das Fußvolk - auf Informationsbrösel angewiesen, abgeschnitten von den echten Diskussionen, draußen gehalten vor der Tür.

Dort werden die Funktionäre zuweilen mit der Frage allein gelassen, wozu sie eigentlich da sind. Nur zum Aufzeigen? Nur zum Zustimmen? Nur zum Flugblattverteilen?

Sie, nicht nur die sogenannten "kleinen“ Funktionäre, sondern auch viele von denen, die in der Öffentlichkeit als mächtig eingeschätzt werden, müssen damit leben, dass sie mit den Gängen in diesem Land wenig zu tun haben. Jedenfalls viel weniger, als sie selbst gerne hätten, und oft viel weniger, als sie anderen sonst so gerne glauben machen.

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie darauf zurückgeworfen sind, das zu trommeln, was oben ausgegeben wird. Das macht den Funktionär, respektive die Funktionärin, zu merkwürdigen Schöpfungen. Denn diese unklare Position schmerzt, so scheint es, nur wenige. Und genau das schmerzt. Allein Funktionär zu sein, füllt allzu viele reichlich aus. Ganz im Sinne von funktionieren.

Viele leben gut damit, zumal dann, wenn sie im Genuss von Aufwandsentschädigungen stehen. Da verteidigen sie beredt an den Stammtischen des Landes, was von oben kommt, akzeptieren die Entscheidungen, stellen sich hinter die ihnen vorgesetzten neuen Leute und hoffen das Beste.

Viele freilich wollen genau das nicht. Und das ist wohl auch ein Grund dafür, dass sich nicht nur Parteien, sondern auch andere Organisationen und Unternehmen immer schwerer damit tun, jemanden zu finden, der sich für eine Funktion hergibt. Viele Funktionäre geben dann auf. Bloß Stimmvieh, bloß Zettelverteiler, bloß Wählerbetreuer wollen sie nicht sein.

Die Parteien, Kammern und Organisationen haben das Problem durchaus erkannt. Ein Patentrezept, den demokratischen Ansprüchen an ein Funktionärsamt nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Praxis gerecht zu werden, haben sie freilich noch nicht gefunden. Für die Verantwortlichen in den Führungsetagen ist es eine heikle Gratwanderung. Viele Entscheidungen können einfach nur abseits der Öffentlichkeit getroffen werden, allein schon um die Personen, um die es geht, zu schützen.

Befriedigend sind all die Versuche - von Votings, SMS- und E-Mail-Diensten, Informationsveranstaltungen und Hintergrundgesprächen bis hin zu bis Telefonketten - das Problem zu lösen, bisher freilich allesamt kaum.

Das sollten sie aber sein. Denn angesichts der grassierenden Müdigkeit, öffentlich Ämter zu übernehmen, wird genau das zur Überlebensfrage. Nicht nur für die Volkspartei, sondern auch für alle anderen Parteien und Organisationen, deren Existenz auf der Beteiligung möglichst vieler Menschen beruht.

Mit Namen gezeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers übereinstimmen.

Raiffeisenzeitung "Meine Meinung" - 21.April 2011

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