Freitag, 13. Mai 2011

"Aber sonst geht es mir gut"





"Kammerlander" ist ein wunderschöner Name. Er muss für einen Österreicher erfunden worden sein. Denn in keinem anderen Land gibt es derart viele Kammern wie bei uns. Von der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer über die Ärztekammer bis hin zur Notariatskammer, Architektenkammer und Dentistenkammer. Jede für sich eine schier uneinnehmbare Festung. Mehr oder weniger erfolgreich für ihre Klientel und - da seien Eigeninteressen davor - nicht immer in Sinne des Ganzen.
Aber sei's drum. Die Kammern haben in den vergangenen Jahren fraglos viel getan, um ihr Image zu entstauben und auf der Höhe der Zeit zu arbeiten. Steht ihnen aber auch an, haben sie doch die allerbesten Voraussetzungen dafür und es sich fein eingerichtet in diesem Land. Richtig kommod und beneidenswert. Beim Gesetzgeber haben sich die Kammer jedweder Couleur ein Umfeld maßschneidern lassen, von dem Unternehmen, die sich täglich um Kundschaft balgen müssen, nur träumen können, das manch einfachem Staatsbürger, der auf Freiheit, Leistung und Wettbewerb hält, ein Gräuel ist.
Man stelle sich vor, die Kundschaft eines Bäckers wäre verpflichtet, jeden Tag eine bestimmte Menge Semmeln bei ihm zu kaufen, gleich, ob sie gebraucht wird oder nicht. Was heißt kaufen - bezahlt wird nicht beim Bäcker, sondern das lästige Inkasso übernimmt freundlicherweise das Finanzamt, das dann das Geld an den Bäcker überweist. Jedes Monat und ganz sicher.
Im kafkaesken Österreich gibt es das - bei den Kammern. Bei den Bauern und Unternehmen etwa hebt das Finanzamt die Kammerbeiträge ein, bei er Arbeiterkammer der Arbeitgeber. Ganz abgesehen davon, dass es, wenn das nicht reicht - und das tut es praktisch nie - Zubrot von den öffentlichen Haushalten gibt.
Fein, aber nicht alles. Denn so etwas wie ein Leistungsnachweis ist auch nicht eigens erforderlich. Die Pflichtmitgliedschaft bei einer Kammer ist verfassungsrechtlich abgesichert, da gibt es ohnehin kein Entkommen.
Das mag das ja durchaus Sinn machen, zumal für kleine gesellschaftliche Gruppierungen wie die Bauern, denen so eine Zwangsmitgliedschaft durchaus politisches Gewicht geben kann. Das Ganze hat aber jedenfalls dort eine Grenzen, wo man gleich mehrfach zu Kammermitgliedschaften verpflichtet ist. Und das ist hierzulande gar nicht selten.
Klassisches Beispiel sind die Nebenerwerbsbauern. Sie sind nicht nur bei der Landwirtschaftkammer Mitglied, sondern müssen als unselbstständige Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen für die Arbeiterkammer auch gleich ihren ärgsten Gegner finanzieren.
Aber es geht durchaus noch verquerer - und teurer. Vor allem dann, wenn man es - nur um ein Beispiel zu nennen - als Nebenerwerbslandwirt, dessen Landwirtschaft nicht für ein ganzes Einkommen reicht, zum Geschäftsführer eines Unternehmens bringt. Der sieht dann überall Geld davon rinnen. Das Unternehmen zahlt an die Wirtschaftskammer, er selbst als für dies Unternehmen Verantwortlicher an die Arbeiterkammer. Und da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die von ihm auf beiden Seiten finanzierten Juristen, Präsidenten und Pressesprecher in irgendeiner Sache wegen seines Unternehmens aufeinander losgehen. Und wenn es dann von einer dieser Kammern vielleicht auch noch gegen die Bauern geht, werden auch dort noch die von ihm finanzierten Heerscharen mobilisiert. Kein Wunder, dass der gute Mann in Sarkasmus flüchtet. "Alle werden von mir fein durchgefüttert", sagt er. Nachsatz: "Aber sonst geht es mir gut".
Man versteht, dass man sich in solchen Strukturen gefangen fühlen kann. Aber die Österreicher wären nicht Österreicher, wenn das Verhältnis zu ihren Kammern nicht einen neurotischen Schuss hätte.
Sogar die sonst so Kammer-mürrischen Bauern. Jedenfalls die im Mühlviertel. Sie schrien laut auf, als ihre Kammer vom Linzer Stadtteil Urfahr über die Donau ins vier Kilometer entfernte Landwirtschaftskammer-Gebäude auf der Gugl verlegt werden sollte. Und sie setzten sich durch. Die Bezirksbauernkammer Urfahr bleibt, wo sie immer war - in Urfahr.
Das freilich wird sie nicht hindern wieder aufschreien, wenn die Kammer die Beiträge erhöhen wird. Das sind ja zwei unterschiedliche paar Schuhe - eh klar. Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Gar nichts.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Mai 2011

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