Donnerstag, 30. Juni 2011

Griechenland als gefährliche Versuchung eines billigen Populismus





Es war nur eine Frage der Zeit. Das Milliardengrab Griechenland ist dabei, in der innenpolitischen Diskussion zur Keule zu werden, wenn es darum geht, Ansprüche irgendwelcher Art zu verteidigen, finanzielle Einbußen zu verhindern oder Wünsche durchzusetzen. Das flotte Motto: "Was sind schon meine paar Millionen gegen das, was wir für Griechenland hergeben sollen".
Die Versuchung, zu dieser Keule zu greifen ist groß. Oppositionspolitiker, zumal solche, die sich zu mehr berufen fühlen, glauben sich damit den Weg ins Kanzleramt freiknüppeln zu können. Vertreter kleiner Parteien, die nichts mehr zu verlieren haben, schlagen in ihrem Todeskampf damit wie wild um sich. Mittlerweile erliegen aber auch immer öfter Vertreter der Regierungsparteien der Versuchung, Politik mit dem Griechenland-Knüppel zu machen, zumal dann, wenn sie in ihren ureigensten Metiers Unbill auf sich zukommen sehen.
Die Landwirtschaft ist in diese Tagen ein solches Metier, dem Unbill droht. Die Agrarier zittern um ihre Zukunft. Eine große Agrarreform steht auf EU-Ebene an, heute will Brüssel mitteilen, wie viel Geld es künftig für die Bauern geben soll. Die Gerüchteküche brodelt, es ist nicht damit zu rechnen, dass es mehr wird.
Das wird die Bauern wenig freuen und manchen Agrarpolitiker in verzwickte Situationen bringen. Da scheint eine ordentliche Portion Populismus das probate Gegenmittel gegen allfällig drohende Anwürfe. Und da kommen dem einen oder anderen Agrarpolitiker schon Sätze wie "90 Milliarden hat die EU innerhalb weniger Tage für Griechenland aufgestellt und bei den Bauern wird wegen 51 Milliarden im Jahr groß diskutiert" über die Lippen. Hinterher kommt, um dem Ganzen noch mehr Gewicht zu geben, ein "nur, damit man die Relationen sieht".
Klingt fraglos gut, zumal in einem Bierzelt.
Argumentationen wie diese, die nun immer öfter und überall zu hören sind, machen Sorgen. Da werden um der billigen Polemik und des schnellen Applauses wegen und um den Kopf aus der politischen Schlinge zu retten, Dinge miteinander in Verbindung gebracht, die nichts miteinander zu tun haben.
Man vergleicht also Äpfel mit Birnen. Denn bei Griechenland geht es nicht nur um die Rettung eines Landes, das sich in den Ruin geritten hat, sondern es geht um einen ganzen Wirtschaftsraum, um eine Währung und vielleicht sogar um die Weltwirtschaft - um unsere ökonomischen Grundlagen schlechthin. Und wenn man das nicht in den Griff bekommt - und das macht den Unterschied - braucht man über eine Agrarpolitik gar nicht mehr nachzudenken.
Um nichts besser ist es freilich, das Griechenland-Problem klein zu reden. Finanzministerin Fekter tat das kürzlich im Parlament und erntete dafür heftige Schelte, weil sie damit den rechtspopulistischen Stimmenfängern und dem schlagzeilensüchtigen Boulevard eine große Spielwiese freimacht.
Beide Varianten, mit Griechenland in der Öffentlichkeit umzugehen, führen in die Sackgasse. Damit spielt man den politischen Zündlern in die Hände.
Der bisherige Umgang mit dem Thema Griechenland nicht nur in der europäischen, sondern auch in der österreichischen Öffentlichkeit macht Sorgen. Griechenlands Tragödie als Gunst der Stunde zu sehen und für innenpolitisches Zwecke und Polemiken zu nutzen sind sicherlich nicht der richtige Weg. Nicht richtig ist freilich auch wie Regierung, Wirtschaft und Hochfinanz damit in der Öffentlichkeit umgehen. Keine klaren Worte, nichts das Orientierung bieten könnte. Schon gar nicht von der Regierungsspitze.
Nur Schweigen, Verunsicherung, Nichtstun und allenfalls Verharmlosung sind von außen wahrzunehmen. Und der Verdacht liegt nahe, dass es von innen kaum anders sein wird.
Damit freilich leistet man billigem Populismus und den Parteien, die sich darauf - auf sonst aber kaum etwas - besonders gut verstehen, Vorschub.
Die Situation ist heikel. Vieleicht so heikel wie noch nie in der europäischen Geschichte der vergangenen Jahrzehnte. Die Zusammenhänge sind schwer einzuschätzen, die Folgen auch.
Umsicht verlangt die Situation, Geduld, Gespür und Gefühl. Vor allem verlangt sie von verantwortungsvollen Politikern und Wirtschafskapitänen eine sichere Hand und Leadership - ganz sicher aber keine starken Worte, die auf billige Instinkte abzielen.
Von niemandem.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Juni 2011

Dienstag, 28. Juni 2011

Sojaträume der Bauern





Soja gilt als eine Frucht mit großer Zukunft und ist umstritten. In Österreich sieht man genau deswegen Chancen.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Soja ist aus der Fütterung nicht wegzudenken. Und auch im Nahrungsmittelbereich wird es immer bedeutender. Der Haken dabei: Derzeit muss die kleine Bohne mit dem hohen Eiweißgehalt fast zur Gänze aus den USA, Brasilien und Argentinien importiert werden. Die CO2 - Belastung wegen der langen Transportwege aus Übersee und der Umstand, dass es sich dabei meist um gentechnisch veränderte Ware handelt, sorgen zunehmend für Diskussion. Zudem macht die Abhängigkeit von Importen Sorgen. Das soll nun anders werden. In Österreichs Agrarwirtschaft sieht man gute Chancen, dabei eine Schlüsselrolle zu spielen.

Schon jetzt zählt Österreich zu den wichtigsten Sojaproduzenten in der EU. Mit einer Anbaufläche von 35.000 Hektar und einer Jahresproduktion von knapp 100.000 Tonnen liegt man auf Rang drei.

Rund die Hälfte der heimischen Erzeugung – ausschließlich GVO-freies Soja – geht in die Lebensmittelwirtschaft. Insgesamt sind bereits rund 400 Lebensmittel auf Sojabasis auf dem Markt – von Drinks über Mehl bis zu Tofu als Fleischersatz. „Bereits jeder dritte Haushalt kauft hin und wieder Sojaprodukte“, sagt Matthias Krön. Mit seinem Unternehmen Mona verarbeitet er im Burgenland am Standort der ehemaligen Oberwarter Molkerei bereits jährlich rund 10.000 Tonnen GVO-freies Soja aus Österreich zu Produk-ten wie Sojamilch und Sojajoghurt.

Das Unternehmen, das im ostdeutschen Schwerin einen zweiten Standort betreibt, gehört mit einem Jahresumsatz von rund 40 Mill. Euro zu den Top 3 der Erzeuger von Lebensmitteln auf Sojabasis in Europa.

Bei Futtermitteln begreifen die Agrarier den immer lauter werdenden Ruf nach GVO-freier Ware als Chance, mit Soja stärker ins Geschäft zu kommen. In Güssing nimmt im Herbst eine Sojamühle den Betrieb auf. Dort will man 100.000 Tonnen GVO-freies Soja aus Österreich und Südosteuropa für die Fütterung aufbereiten. Das wird in der Branche nur als erster Schritt gesehen. Der Verein „Soja aus Österreich“, dem ein Großteil der maßgeblichen Unternehmen angehört, will den Donauraum zum europäischen Zentrum für GVO-freies Soja ausbauen.

GVO-freies Soja aus Österreich kann nach Einschätzung Kröns zu einer Premium-Lebensmittelmarke werden. GVO-freies Soja für die Fütterung soll aus den Nachbarstaaten entlang der Donau kommen. Dafür will er Züchtung, Produktion und Vermarktung gemeinsam mit Partnern aus der Saatgutwirtschaft, der Futtermittelwirtschaft, dem Handel und der Landwirtschaft vorantreiben. Den Namen für die Bohne, die Österreichs Futtermittelversorgung auf eine neue Basis stellen soll, gibt es schon – Donaubohne.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 28.06.2011

Samstag, 25. Juni 2011

"Wir arbeiten dafür, dass was weitergeht“






Oberösterreich feierte am Fronleichnamstag im Linzer Volksgarten ein "Fest der Natur“. Biobauernmarkt, Showprogramm, Ponyreiten und freier Eintritt. Feine Sache. Ganzseitige Inserate. Die freilich ohne irgendeinen Bezug zur Natur, sondern groß, mittig und dominierend mit dem Gesicht eines jungen Mannes, den man in Oberösterreich kennt - das des Naturschutz-Landesrates Haimbuchner von den Freiheitlichen, unter dessen Fittichen das Ereignis offensichtlich lief und der sich mit der finanziellen Unterstützung aus der Landeskassa gleich das Recht nahm, sich groß affichieren zu lassen. Wohl, und da geht man kaum fehl in der Annahme, nicht im alleinigen Interesse der Veranstaltung.

Die Finanzministerin machte es dieser Tage nicht anders. Bezahlt vom Finanzministerium, lächelt sie unter dem Titel "Einfacher zum Pflegegeld, schnellere Betreuung“ in Inseraten kämpferisch gegen ihr Herzlos-Image an und verspricht:"Wir arbeiten dafür, dass was weitergeht. Gemeinsam. Für Sie. Für Österreich“.

Der Herr Landwirtschaftsminister hat zumindest in solchen Dingen schnell von seinem Vorgänger gelernt und lobt gerne und häufig jede seiner Ideen großflächig in Tages- und Agrarmedien aus.

Gar nicht zu reden von den zahllosen Inserat-Strecken, mit denen Faymann, Häupl und Co viele Gazetten am Leben und sich in der Gunst der Schreiber und ihrer Untertanen zu halten versuchten und versuchen.

Alle tun es. Jeder greift gerne in die öffentlichen Schatullen, als gehörten sie ihm, um sich zu präsentieren und zu loben. Keinerlei Grenzen scheint es zu geben. Warum sie es tun, mag ja noch nachvollziehbar sein. Dass sie es tun, ist es definitiv nicht.

Es ist zuweilen beklemmend, wie sehr Politiker unser Leben durchdringen und wie sehr sie in unser Leben eindringen. In Kindergärten tätscheln sie fotogerecht Kinderköpfe, an Kreisverkehren durchschneiden sie Bänder, bei Vereinsjubiläen lassen sie sich huldigen und bei runden Geburtstagen kommen sie gar ins Haus. Sie begegnen einem in allen möglichen und - das noch häufiger - unmöglichen Situationen. Warum nur? Und mit welchem Recht?

"Was erlauben Strunz!“, hat Fußballtrainer Giovanni Trapattoni seinerzeit furios gewettert, als die Millionentruppe von Bayern München, die er damals trainierte, wieder einmal hochmütig versagte. "Was erlauben Politiker?“ denkt man in Anlehnung daran, wenn man, um nur ein Beispiel zu nennen, einer Sendung wie "Bundesland heute“ im ORF folgt. Manche Landeshauptleute könnten dort gleich als Moderatoren auftreten, so häufig sind sie im Bild, bei jedem auch noch so kleinen Polit-Beitrag dürfen artig Vertreter aller Landtagsparteien ihr G‘satzl aufsagen. Im Radio ist es nicht anders. Ein Buckel da, ein Buckel dort. Herr Landeshauptmann, was sagen sie? Wie ist ihr Meinung, Frau Abgeordnete?

Wenn das nur alles wäre. Wer in Oberösterreich - und in anderen Ländern wird es kaum anders sein - um eine Landesförderung für eine Pelletsheizung ansuchte, bekam im Vorjahr einen von nicht weniger als drei Landesräten persönlich unterschriebenen Brief, in dem jeder auf seine Verdienste hinwies - ganz so, als ob sie aus ihren privaten Taschen zusammenlegten, um die Stube des Untertans zu wärmen.

Ein Job für die Tochter? Eine Wohnung? Ein Problem mit der Behörde? Eine Intervention da? Ein kurzer Anruf dort? Der Politiker macht‘s nicht nur, er hat dabei zumeist auch Erfolg. Das System funktioniert - wenn schon nicht in den großen, den Staat und das Gemeinwohl betreffenden und vielfach so drängenden Dingen, so doch in diesen kleinen, mit denen man schnell punkten kann.

Die Politiker haben das Land in der Hand. Viele von ihnen haben es freilich in einer Art und Weise in die Hand genommen, wie es ihnen nicht zusteht - omnipräsent, alles bestimmend und mitunter in jede Ritze noch so privaten Lebens kriechend. Sie haben es freilich auch in einer Art und Weise in die Hand gegeben bekommen, die wohl nur in Österreich mit seinem schizophrenen Verhältnis zu Obrigkeiten möglich ist.

Denn, dass sie immer in der ersten Reihe sitzen, ist ihnen am wenigsten vorzuwerfen. Dass sie diese Geste der Freundlichkeit allzu oft als Zeichen ihrer Position verstehen, freilich schon. Das aber scheint hierzulande schon keinem mehr aufzufallen.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung 22. Juni 2011

Mittwoch, 22. Juni 2011

Regen rettete heimische Getreideernte




Bauern sichern sich immer öfter gegen Preissprünge ab

Geinberg (SN-gm). Der Regen der vergangenen Wochen kam gerade noch rechtzeitig. Die Trockenschäden bei Getreide sind geringer als befürchtet. „Einzig die Gerste litt wirklich“, sagte Reinhard Wolf, Vorstand in der Raiffeisen Ware Austria (RWA), die den größten Teil der österreichischen Ernte vermarktet, Dienstag bei einem Pressegespräch in Geinberg (OÖ). „Wenn nichts mehr passiert, ist eine gute Durchschnittsernte zu erwarten.“

In anderen Ländern ist das nicht so. Vor allem in Frankreich und in Deutschland erwartet man wegen des extrem trockenen Frühjahrs große Ernteeinbußen. Auch weltweit bleibt die Situation angespannt, obwohl bei Weizen die drittgrößte Ernte der Geschichte erwartet wird. Das US-Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass heuer die Ernten bei Weizen und Mais niedriger sein werden als der Verbrauch. Die Vorräte in den Lagern werden daher weiter schmelzen.

Auf die Preise wirkt sich die Knappheit einstweilen nicht aus. Die Branche rätselt. „Wir können uns das nicht erklären“, sagt RWA-Getreideexperte Ernst Gauhs. Darum will er auch nichts zu den Preisen sagen, die die Bauern heuer zu erwarten haben.

Die Landwirte sind dabei, den Umgang mit den unsicheren Märkten zu lernen. Zehn Prozent der RWA-Lieferanten haben bei Weizen und Mais den Preis heuer über eine Warenterminbörse abgesichert. Zwei von drei Lagerhaus-Lieferanten nutzen das sogenannte Pool-System mit Akonto- und Nachzahlungen. „Das bietet Sicherheit“, sagt Wolf. „Die Lagerhäuser zahlten bis zu 50 Prozent der Akontozahlung nach.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 22.06.2011

Samstag, 18. Juni 2011

Gruselthema ohne Schrecken





Die Verfütterung von Tiermehl soll wieder erlaubt werden. Ein Gruselthema? Mitnichten – zumal dann, wenn es so kommt, wie es derzeit diskutiert wird.

Man ist sich in agrarischen Kreisen und in Brüssel der Sensibilität des Themas bewusst und hat vor, alle Vorsicht walten zu lassen. Mit Wiederkäuern, also Rindern, will man sich erst gar nichts anfangen, da wird das Verfütterungsverbot nicht angegriffen.

Verwendet werden sollen Produkte, die aus hochwertigen Schlachtabfällen von Nichtwiederkäuern, also vornehmlich Schweinen und Geflügel, erzeugt werden. Verfüttert werden sollen sie ebenfalls nur an Nichtwiederkäuer. Allerdings nicht an die eigene Art. Also: Tiermehl aus Schlachtabfällen von Schweinen soll es nur für Geflügel geben, Geflügeltiermehl nur für Schweine.

Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden. Schon gar nicht von Menschen, die sich gern ein Grillhenderl oder einen Schweinsbraten schmecken lassen. Die tun ja, genau betrachtet, nichts anderes als das, was nun in der Tierfütterung wieder erlaubt werden soll.

Zehn Jahre nach BSE löst sich die Landwirtschaft damit wieder aus ihrer Schockstarre. Heute ist die Wissenschaft weiter, sind die Untersuchungsmethoden besser und man weiß mehr. Wenn wirklich alles so kommt, wie derzeit diskutiert, gibt es keinen Grund, die Nase zu rümpfen.

Das könnte man darüber, dass derzeit auf die Nutzung einer vorhandenen Eiweißquelle verzichtet wird, und um sie zu ersetzen, über Tausende Kilometer Soja aus Südamerika importiert werden muss.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 18.06.2011

Tiermehl als Futter vor Comeback





Zehn Jahre nach BSE ist die Verfütterung von Tiermehl wieder ein Thema. Die Landwirtschaft will eine Lockerung des Verbots.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Angesichts der starken Abhängigkeit von Eiweißimporten aus Übersee und der hohen Kosten dafür werden die Stimmen in der Landwirtschaft immer lauter, das Verbot der Verfütterung von Tiermehl zumindest teilweise zu lockern. Mit Eiweißgehalten von 60 Prozent und mehr gilt Tiermehl als hochwertiges Futtermittel. „Es ist viel zu schade, es nicht zu verwenden und zu verbrennen oder nur an Haustiere zu verfüttern“, heißt es aus der Landwirtschaft.

Am Verbot der Verfütterung von Schlachtabfällen an Rinder und andere Wiederkäuer – die Ursache für BSE – soll dabei nicht gerüttelt werden. Erlaubt werden soll aber, so der derzeitige Stand der Diskussion, die Verfütterung von Schlachtabfällen von Nichtwiederkäuern untereinander, also etwa von Abfällen aus der Schweineschlachtung an Geflügel oder von Geflügelmehlen an Schweine. Diese Tiere seien von Natur aus auf tierisches Eiweiß angewiesen.

Auf europäischer Ebene läuft das Projekt Rückkehr von Tiermehl in die Futtertröge bereits auf vollen Touren. Schon im Vorjahr wurde in einem Fahrplan über den künftigen Umgang mit der BSE-Prävention eine Lockerung des Verfütterungsverbots ins Spiel gebracht. Im heurigen Frühjahr sprach sich Verbraucherkommissar John Dalli dafür aus, das Fütterungsverbot zu lockern. Ein Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde EFSA bewertet das BSE-Risiko der Verfütterung von Tiermehl von Nichtwiederkäuern an Nichtwiederkäuer mit null, sofern das Kannibalismusverbot eingehalten wird.

Anfang Juli steht im EU-Parlament der Bericht des Umweltausschusses auf der Tagesordnung, der sich ebenfalls für eine Lockerung des Verfütterungsverbots ausspricht. „Es ist purer Luxus, dass wir Teile von Tieren, die wir nicht essen möchten, die aber zum menschlichen Verzehr geeignet sind, einfach wegwerfen“, sagt die bei diesem Bericht federführende deutsche Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt (SPD).

Wann es wirklich zu Veränderungen beim Verfütterungsverbot kommen wird, ist freilich noch ungewiss. Kommissar Dalli brachte einen Termin zum Jahresende 2011 für einen Vorschlag der Kommission ins Spiel. Der Landwirtschaft kann es nicht schnell genug gehen. Derzeit müssen 80 Prozent des Eiweißpflanzenbedarfs – vorwiegend aus Nord- und Südamerika – importiert werden. Das sind rund 35 Millionen Tonnen Soja und Sojaschrot jährlich. Zudem sind diese Produkte derzeit sehr teuer. Tiermehl könnte knapp zehn Prozent davon ersetzen.

In Österreich werden derzeit jährlich rund 500.000 Tonnen Soja und Sojaschrot importiert. Dem gegenüber stehen rund 50.000 Tonnen Schlachtabfälle, die größtenteils verbrannt, zu Haustierfutter verarbeitet oder exportiert werden.

Mit Verweis auf die enorme Importabhängigkeit, die Versorgungssicherheit, die schlechte CO2 -Bilanz von Übersee-Einfuhren und auf die Konkurrenzfähigkeit versuchen die Bauern auf europäischer Ebene, die Diskussion voranzutreiben. Nach außen hält man sich in Zeiten von Dioxin im Futter und von EHEC bedeckt. Auch in Österreich wagt niemand, das Thema aufzugreifen. „Wir fordern das offiziell nicht“, heißt es in verantwortlichen Kreisen hinter vorgehaltener Hand.


Salzburger Nachtichten - Wirtschaft / 18.06.2011

Donnerstag, 16. Juni 2011

Landleben zwischen Traum und Albtraum






Auf dem Land zu leben ist vielen ein Traum. Vielen ist es aber auch zuweilen ein Albtraum. Denn es ist nicht immer alles so eitel Wonne, wie man sich das in der Stadt vorstellt, nicht immer so einfach und nicht immer so problemlos.
Die Statistik gibt beredt Auskunft. Wird sie in Schlagzeilen gegossen, kommt dort das Wort "Landflucht" ins vielfältigen Formen und Ausprägungen vor. Der Zug vom Land in die Städte und Ballungsräume ist auch in Österreich ein Problem geworden.
Die Erklärungen kennt man seit Jahren. Von mangelnden Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten ist dann die Rede, von den Problemen mit der Nahversorgung. Die Wirtshäuser sterben, die Krämer, die Fleischhauer, die Bäcker. Es gibt keine Installateure und Handwerker mehr und auch die Ärzte mögen nicht mehr aufs Land. Und mit Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten schaut es auch schlecht aus.
Die gängigen Erklärungen kennt man. Supermärkte und Shopping-Citys an den Einfahrten jeder besseren Bezirksstadt sorgen für Kaufkraftabfluss. Nicht zuletzt, weil sie mit ihren Kampfpreisen und Billigangeboten den Unternehmungen draußen auf den Dörfern keine Chance lassen. Und dann noch all die Discotempel, Fleischlaberl-Schnell-Restaurationen und Cafès mit ihren Verlockungen. Unfair sei das und aussichtslos.
So weit so gut. Aber alles und ganz ehrlich ist das nicht.
Zum einen haben sich viele von denen, die sich da in Selbstmitleid ergehen, auch selbst an der Nase zu nehmen. Jeder kennt die angebräunten Wurst- und Käsescheiben, deren Ränder sich wenig einladend tagelang in der Theke des örtlichen Krämers hochkräuseln, einem den Appetit verderben und den Vorsatz festigen, das nächste Mal beim Heimfahren von der Arbeit schnell in den Supermarkt neben der Arbeit hineinzuschauen. Viele können von Abenteuern mit Handwerkern erzählen, deren Fachkenntnisse vor allem aus Lücken zu bestehen scheinen, denen Pünktlichkeit fremd, das Schreiben hoher Rechnungen aber durchaus geläufig ist. Brummige Gemeindebeamte und muffige Wirtshäuser mit ebensolchen Wirten sind auch oft nicht das, was verlockend ist. Und dann gibt's noch Vereinsmaier, die ihr Haupt-Trachten darin sehen, Vereinslokale aufzubauen und denen es -unterstützt oftmals mit Gemeinde- und Landesgeldern - völlig egal ist, wenn daneben dir örtliche Wirthauskultur verkümmert.
Zum anderen haben sich auch viele von denen an der Nase zu nehmen, die sich so gern darüber beklagen, dass der Bäcker zumacht, der Wirt, der Metzger, der Baumeister oder der Doktor, und dass auch sonst nichts los ist. Mit ihrer Gedankenlosigkeit, mit ihrer Selbstherrlichkeit, mit ihrer Geizistgeil-Mentalität, die sie jedem Cent nachrennen lässt, und ihrem herablassenden Gehabe dem Dorfleben gegenüber, zu dem sie sich weigern irgendetwas beizutragen, machen sie sich zu Totengräbern des Landlebens . Da kann sich mancher kleine Lebensmittelhändler, manch kleiner Bäcker, Fleischhauer oder der Kirchenwirt noch so bemühen. Und der Handwerker erst recht.
Die Gründe für die Krise des Lebens auf dem Land, für den Zug in die Ballungsräume, für die Landflucht, liegen tiefer als sie in der öffentlichen Diskussion gespiegelt werden. Auf dem Land wissen die Institutionen und politischen Parteien, die Unternehmungen, aber vor allem auch die Menschen selbst oft nicht, so der Eindruck, mit dem Landleben und seinen spezifischen Erfordernissen umzugehen. Zuweilen verschläft man Entwicklungen, die zumeist aus dem städtischen Umfeld kommen, zuweilen stemmt man sich gegen sie und merkt nicht, wie man damit die eigene Zukunft verbaut.
Denn oft ist es sehr stickig auf dem Land. Die Luft kann sehr dünn sein in diesem Klima, in dem jeder jeden kennt, in dem jeder von jedem und jeder über jeden etwas weiß und in dem Toleranz oft immer noch ein Fremdwort ist - und in dem es doch und gerade deswegen so schwer ist, etwas zu bewegen, Verhaltensweisen zu ändern und Dinge zu verändern. Damit muss man umgehen können und wollen.
Möglich ist es - wenn sich jeder selbst bei der Nase nimmt. Der Krämer mit den kringeligen Wurstscheiben, der muffige Wirt, der Herr und die Frau Gemeinderat und alle jene, die - zumeist - gedankenlos ihr eigenes Umfeld links liegen lassen. Die vor allem.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 16. Juni 2011

Sonntag, 12. Juni 2011

Frauen an die Macht






Die heimischen Agrarier gleichen einer Riege alter Kämpen. Viele in der Tat wegen ihres Alters und der oft überlangen Amtszeiten, praktisch ausnahmslos alle aber wegen ihres altbackenen Stils, den sie auf dem politischen Parkett an den Tag legen.

Man weiß, was sie sagen, man schämt sich oft, wie sie es sagen, und man ärgert sich zuweilen über das, was sie sagen. Sie finden kaum mehr Gehör, ihr Auftreten ist auch ihrer bäuerlichen Klientel zuweilen nachgerade peinlich und vor allem die Zielgruppen außerhalb der Bauernschaft, über deren Bedeutung für die Zukunft der heimischen Landwirtschaft sie so gerne reden, erreichen sie kaum mehr. Aber sie sitzen fest auf ihren Sesseln.

Dennoch ist nicht alle Hoffnung fahren zu lassen. Denn wie immer, wenn nichts mehr zu gehen scheint und die Männer vor sich und in sich selbst erstarren, sind es die Frauen, die neue Perspektiven suchen und auch bringen.

Das gilt auch für die Agrarpolitik. Bisher zumeist in den Bäuerinnen-Organisationen von Bundesebene abwärts bis hin in die Gemeinden straff organisiert, war es die Rolle der Frauen, Trachten tragend das freundlich traditionsorientierte Bild der Bauernschaft, in der die Welt noch in Ordnung ist, aufrechtzuerhalten - in Schach gehalten von Bauernvertretern, die ihnen zumeist allenfalls lediglich eine Statistenrolle in der Politik zugestanden. Das scheint nun anders zu werden. Und das ist gut so. Seit geraumer Zeit macht sich eine neue Generation Frauen daran, richtig Agrarpolitik zu machen und sich nicht mehr auf die Rolle als freundliches Beiwerk zu beschränken.

In Brüssel etwa macht die Europa-Abgeordnete Elisabeth Köstinger einen äußerst respektablen Job. Ehrgeizig und zielstrebig baut sie mit großem Engagement an Netzwerken, die den österreichischen Bauern auch im europäischen Gefüge Gewicht verleihen. Innerhalb von nur zwei Jahren mauserte sie sich zu einer der kompetentesten AgrarpolitikerInnen, die Österreich hat.

In Niederösterreich bringt Klaudia Tanner, die bereits eine Karriere außerhalb der Landwirtschaft hinter sich hat, als Direktorin nicht nur in den Bauernbund frischen Wind, sondern auch einen neuen Stil in die Agrarpolitik. Im Landwirtschaftsministerium sitzt mit Edith Klauser eine Sektionschefin an den Schalthebeln, die längst in der Männerdomäne Agrarpolitik Fuß gefasst hat und für Österreich an der künftigen EU-Agrarpolitik in Brüssel mitfeilt.

Zur neuen Generation gehören aber auch, selbst wenn sie nicht so im Vordergrund stehen, Frauen wie Erna Feldhofer, die vor gut einem halben Jahr die Führung der einst reinen Männerpartie IG-Milch übernahm.

Sie allesamt bringen frischen Wind in die muffige und sich zuweilen in Selbstmitleid ergehende heimische Agrarpolitik mit ihren erstarrten Fronten. Das braucht die Landwirtschaft. Und das tut den Bauern gut. Die Argumentationsstrukturen und Präsentationsmuster haben sich in den vergangenen Jahren festgefahren. Die Frauen bringen einen anderen Zugang zu den Themen und sie gehen anders damit um. Sie formulieren anders, sie schätzen Chancen und Möglichkeiten anders ein -und sie haben vor allem einen anderen Zugang zur Öffentlichkeit. Was sie sagen, hat zumeist eine wesentlich höhere Glaubwürdigkeit, als wenn ihre altbekannten männlichen Kollegen lospoltern oder sich in Worthülsen verlieren.

Darum sollten ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden. Denn in Zeiten, in denen für die Landwirtschaft so viel auf dem Spiel steht, ist das von unschätzbarem Wert.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 14. Juni 2011

Freitag, 10. Juni 2011

Schweine ohne Genfutter als Marktlücke





Ein oberösterreichischer Fleischer setzt auf gentechnikfrei gefütterte Schweine. Die Branche beobachtet das mit Argwohn.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Fütterung mit gentechnikfreiem Soja und Regionalität sind die Kernpunkte eines Markenfleischprogramms, mit dem der oberösterreichische Fleischverarbeiter Oberndorfer seit Monaten nicht nur in der Schweinebranche, sondern auch bei Handel und Konsumenten für Aufmerksamkeit sorgt. „In der Vorwoche haben wir die ersten 600 Schweine geschlachtet“, sagt Firmenchef Franz Oberndorfer im Gespräch mit den SN. Mit den Ergebnissen ist er zufrieden. „Alle, denen wir Proben schickten, sind hellauf begeistert.“ Der Fleischer aus Ried im Traunkreis verhandelt derzeit mit einer Reihe möglicher Abnehmer in Gastronomie, im Groß- und im Fachhandel im In- und Ausland. „Für eine große Handelskette mit Sitz in Deutschland sind wir dabei, bereits entsprechende Mengen aufzubauen“, meint er. Zur Frage, ob diese Kette auch in Österreich vertreten ist, sagt er nichts. Aber auch rein österreichische Ketten zeigten sich sehr interessiert. Oberndorfer: „Alle schauen auf uns.“

In den kommenden Wochen soll das konventionell erzeugte Fleisch unter der Marke IBO (Ich bin aus Oberösterreich) auf den Markt kommen. Zurzeit hat Oberndorfer 150 Bauern unter Vertrag. In spätesten zwei Monaten soll er pro Woche 1500 Schweine, die nach den IBO-Vorschriften gefüttert und gehalten werden, liefern.

Die höheren Futtermittelkosten für das gentechnikfreie Soja werden den Bauern mit einem Zuschlag von fünf Cent je Kilogramm Schwein abgegolten. „Für die Konsumenten wird das Fleisch aber leistbar bleiben“, verspricht Oberndorfer. „Selbst wenn das Kilogramm um 50 Cent teurer sein sollte als herkömmliches Fleisch, sind das bei einem durchschnittlichen Schweinefleisch-Konsum von 50 Kilogramm pro Jahr nicht mehr als 25 Euro, nicht einmal eine Autotankfüllung“.

In der Agrarpolitik und in der Vertretung der Schweinebauern beobachtet man das Projekt Oberndorfers mit Zurückhaltung. Unterstützung gibt es kaum. Man befürchtet, unter Druck zu geraten, wird doch von manchen politischen Seiten und von NGO seit Längerem eine Umstellung auf gentechnikfreie Fütterung gefordert.

In der Fütterung von Milchvieh und Geflügel ist die Verwendung von gentechnikfreiem Futter bereits Realität. Dort hat man sich freiwillig auf die Umstellung verständigt. Bei Schweinefleisch scheint man davon weit entfernt zu sein. Für die Schweinebauern, die, wie ihre Berufskollegen überall in Europa, günstigeres und leichter verfügbares gentechnisch verändertes Soja verfüttern, ist das unter den derzeit schwierigen Marktverhältnissen unvorstellbar. Sie haben Angst davor, auf den hohen Kosten und dem teureren Fleisch sitzen zu bleiben und den heimischen Markt zu verlieren, während ausländische Lieferanten das Geschäft machen.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 10. Juni 2011

Donnerstag, 9. Juni 2011

Durchgekaut, zerbissen, ausgelutscht - und ausgespuckt






"Gurken-Taliban", "Bio-Sündenfall" oder einfach ein vor Häme triefendes "Es waren Bio-Gurken" - wie ein Tsunami fegte in der Vorwoche über die heimische Bio-Landwirtschaft und schien alles mitzureißen, was in den vergangenen Jahren mit Mühe, Engagement und gegen viel Widerstand zu einem veritablen und vorzeigbaren Zweig der Landwirtschaft aufgebaut wurde. Im wahrsten Sinne wie die Gurken durchgehachelt wurden die gesamte Branche von einer toll gewordenen Medien-Maschinerie. Und als sich dann nach wenigen Tagen herausstellte, dass alles nicht stimmte, war nichts als dröhnendes Schweigen. Kein Wort der Entschuldigung, kaum Bemühen um Schadensbegrenzung. Die Karawane zog weiter. Auf der Suche nach dem nächsten Opfer.
Durchgekaut, zerbissen, ausgelutscht - und ausgespuckt. EHEC, Vogelgrippe und Aids. Kampusch, Kachelmann, Strauss-Kahn, Grasser. Haiti, Fukushima, Irak, Afghanistan, Libyen. Asyl, Integration, Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer. Es scheint überall das gleiche zu sein. Themen werden hochgejazzt, hysterische Reaktionen und Stellungnahmen bestimmen ein paar Tage die öffentliche Diskussion mit einer erdrückenden Präsenz, die alles daneben als unbedeutend erscheinen lässt und verschwinden dann im Orkus der Informationsgesellschaft.
Beim Fernsehen steht dafür der Ausdruck "zappen". Hier aber geht es um Leben, Politik, Hilfe. Und das sind nicht wirklich Themen, die sich fürs "zappen" eignen.
Gemeinhin gibt man den Medien die Schuld, dass es so ist. Dem ist wenig entgegenzuhalten. Vor allem die Boulevardmedien tun alles - und das in einer immer größeren Dreistigkeit - um diesen Ruf weiter zu festigen. Aber auch als seriös geltende Medien zeigen sich immer öfter anfällig für blanken Aktionismus, wenn er nur Auflage verspricht.
Es sind aber nicht die Medien alleine. In die Pflicht zu nehmen sind auch viele von denen, die sich darüber zuweilen heftigst gerieren - die Politik, die Wirtschaft, die Interessensvertretungen, Behörden und sogar Wissenschaft und Justiz.
Denn der korrekte und sachliche Umgang mit Information, Verantwortung, Rechtssicherheit und die richtige Einordnung von Ereignissen sind auch ihre Themen. Und bei denen versagen sie häufig ebenso wie die so gerne gescholtenen Medien.
Sie alle lassen mitunter Verantwortung vermissen und heizen Stimmungen an, weil sie glauben, nicht mehr anders Gehör zu finden und Zahl und Länge von Zeitungsartikeln und Rundfunk- und Fernsehminuten nicht nur als Bestätigung, sondern oft auch als Inhalt ihrer Arbeit betrachten.
Zu fragen ist, was die Beteiligten vor Augen haben, wenn sie fette Schlagzeilen und vor Häme und zuweilen Hass triefende Presseaussendungen formulieren und bei Reden agitiere, statt zu argumentieren. Was etwa ist von einer Politik zu halten, die nur einseitig Interessen der eigenen Klientel im Auge hat und deren vorderstes Trachten es ist, allenfalls dem politischen Gegner eins auszuwischen?
Was etwa ist das für eine Justiz, die mit ihrer Informationspolitik Leuten wie Karlheinz Grasser oder Helmut Elsner die Möglichkeit gibt, sich zu Märtyrern zu stilisieren, statt sich an die Grundsätze des Persönlichkeitsschutzes zu halten und sie wie jeden anderen zu behandeln? Und was ist das für eine Wissenschaft, die arglos Verdächtigungen streut, statt sich an Fakten zu halten?
In diesem Klima ging in den vergangenen Jahren viel kaputt und verloren - von der Handschlagqualität im Umgang der Repräsentanten öffentlicher Institutionen miteinander bis hin zum Vertrauen der Menschen in die Politik, Justiz und Wissenschaft.
In diesem Klima, in dem alle Beteiligten die öffentliche Aufmerksamkeit zur obersten Maxime erhoben haben, sind die Sitten in den vergangenen Jahren regelrecht verludert. Statt Kontinuität, wie sie jede Gesellschaft braucht, gibt es oft nur mehr Blockade und Zerstörung, die Opfer hinterlässt, aber in der Sache nichts weiterbringt.
Diesmal war's schlimm für die Biobauern. Die Letzten werden sie nicht sein. Demnächst kommen andere dran.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 9. Juni 2011

Freitag, 3. Juni 2011

Ein Land schaut weg - und die nächste Generation schaut nicht hin





In Spanien gehen die Studenten auf die Straße. Riesige Zeltlager, Demonstrationen, ab und an ein Scharmützel mit der Polizei. Noch ist alles relativ friedlich. Und dennoch sind das Bilder, die in Europa verstören. Bilder, die Sorgen machen. Bilder, die Folge einer permanenten Missachtung und eines permanenten Wegschauens sind. Bilder, die es auch bei uns geben könnte.

Denn hierzulande läuft es kaum anders. Der Punkt "Perspektiven für die Jugend“ gehört zwar zu jeder besseren Sonntagsrede, viel mehr ist aber nicht und dahinter ist schon gar nichts. Die Jugendarbeitslosigkeit ist zwar bei uns weit von den spanischen Zuständen entfernt, dass die Quote mit knapp zehn Prozent aber doppelt so hoch ist wie vor zehn Jahren, sollte durchaus als Alarmsignal genommen werden.

Wer je in den vergangenen Jahren an einer Uni war, weiß, wovon die Rede ist. Die räumlichen Verhältnisse sind beengt, Anmeldelisten die Regel. Studenten, die sich in aller Früh anstellen müssen, die auf dem Boden sitzend versuchen mitzuschreiben, gar nicht zu reden von den Aufnahmetests zu Beginn mancher Studien.

Man weiß um die Umstände, man weiß um die Probleme, man weiß um die Folgen - aber man tut nichts. Seit Jahren schiebt die Politik die Probleme vor sich her.

Nicht nur an den Unis. Es sind nicht nur die Studenten, die ihrem Schicksal überlassen werden. Die gesamte Jugend droht zu einer Generation ohne Zukunft zu werden, eine "Generation prekär“, ohne viel Sicherheit, belastet vor allem mit dem, was ihr aufgelegt wurde von der Generation ihrer Eltern und ihrer Großeltern.

Die Bemühungen um Veränderungen sind enden wollend. Schnell steht nach der Rede am Sonntag am Montag wieder anderes auf der Tagesordnung - die Sicherung der Pensionen, der weitere Ausbau der sozialen Sicherheit, die Durchsetzung einer Forderung dort, die Verwirklichung eines Wunsches da. "Wir haben Anspruch darauf“, heißt es dann - und es finden sich immer Politiker oder Parteien, die das um des eigenen Vorteils willen und ungeachtet der oft weitreichenden Folgen durchzusetzen versuchen. Meistens erfolgreich.

Die Folgen sollten Sorgen machen. Ohne viel Federlesens werden immer neue Schulden aufgetürmt, ohne mit der Wimper zu zucken Tilgungspläne präsentiert, die Jahrzehnte in die Zukunft reichen. Wir haben uns so daran gewöhnt. Und bei all den großen Zahlen kann man sich ohnehin nichts Genaues mehr darunter vorstellen. Dass die Pensionen nicht gesichert sind? "Na und? Hauptsache wir haben noch eine - und die nach uns erwarten sich ohnehin nichts mehr.“ Die ärztliche Versorgung? Die Spitäler? Das Kindergeld und die Kinderbetreuung? Die Bildung? Die künftige Steuerbelastung? Alles politische Großbaustellen, auf denen nichts weitergeht und auf denen das Scheitern schon als gegeben hingenommen wird.

Ein ganzes Land schaut weg - und die nächste Generation schaut nicht hin. Politik ist ihre Sache nicht. Das ist zwar angesichts des Zustandes der heimischen Parteien respektive ihrer Jugendorganisationen durchaus nachvollziehbar, zu akzeptieren ist es nicht.

Die nächste Generation muss mitreden. Und sie muss, das vor allem, auch mitreden können. Diese Gelegenheit hat sie derzeit schlicht und einfach nicht. Zu oft und in allen Parteien und auf allen Ebenen sitzen reichlich angejahrte Leute an den Schaltstellen, denen das eigene Hemd, sprich die eigene Klientel, allemal näher ist als die Studentin am Nebensitz in der U-Bahn, als der junge Elektriker, der da im Vorzimmer den Schalter repariert und die Tochter der Sekretärin, die in einem überfüllten Klassenzimmer ihre Schuljahre abdient. "Wir haben auch was leisten müssen und nicht alles gekriegt“.

Österreich ist in Sachen Jugend-Proteste und Unruhen nicht Spanien. Österreich hat durchaus viele Voraussetzungen, Spanien zu werden. Österreich hat das nicht verdient und die Jugend schon gar nicht. Wenn es aber einmal zu spät ist, ist das aber wohl nicht das Thema. Sondern das, was man schon lange erkennt, aber nicht angreifen mag.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 2. Juni 2011
 
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