Montag, 25. Juli 2011

Keiner will der Verlierer sein





Drei Bauern, respektive deren Meinungen, unter einen Hut zu bringen gilt gemeinhin als unmöglich. Die Agrarförderungen so zu gestalten, dass sie von allen Bauern als gerecht empfunden werden, muss demzufolge ein nachgerade herkulisches Unterfangen sein.
Zu beneiden ist die Agrarpolitik nicht. Und zu bemitleiden schon gar nicht.

Österreich wählte vor sieben Jahren das sogenannte „historische Modell“, obwohl man wusste, dass das nur vorübergehend sein kann. Aber es war damals der einfachste und politisch schmerzloseste Weg. Kein Bauer hatte große Einbußen, was er hatte, war zumindest für weitere sechs Jahre gesichert. „Und in sechs Jahren kann sich viel tun“, glaubte man sich über harte Schnitte drüberschwindeln zu können.

Das Kalkül ging nicht auf. Hinter den Kulissen geht es bereits heftig zu. Körndl- gegen Hörndlbauern, Flachland- gegen Bergbauern, Ost- gegen Westösterreich, Groß gegen Klein. Die Angst vor der Zukunft und der Agrarreform sitzt allen im Nacken. Niemand will da etwas verlieren. Das macht die Sache brisant.

Bisher sorgten die Umweltprogramme und die Bio- und Bergbauernförderung, bei denen auch Österreich maßgeblich mitzahlt, für Ausgleich. Ob das auch in Zukunft ein Weg ist, ist fraglich. Wie so vieles in der Landwirtschaft, solang die Agrarreform nicht steht.

Salzburger Nachrichten - Kommentar - Wirtschaft, 25. Juli 2011

Neuer Schlüssel für Agrargelder





Die EU-Agrarprämien müssen ab 2014 in Österreich völlig neu verteilt werden. Die Umsetzung wird für die Bauern spannend.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die EU-Agrarreform beschert der heimischen Agrarpolitik - neben vielen anderen - ein Thema, bei dem man sich nicht auf Brüssel ausreden können wird, sondern das man selbst lösen muss. Mit Beginn der neuen Budgetperiode 2014 muss die Verteilung der Agrarprämien, die direkt aus Brüssel kommen, in Österreich neu geregelt werden. Das Ziel: größere Verteilungsgerechtigkeit. Hinter verschlossenen Türen werden längst verschiedene Modelle gerechnet, darüber reden mag niemand, weil man um die Sprengkraft weiß, die in diesem Thema steckt.

Derzeit orientiert sich die Höhe dieser Prämien an den Produktionsverhältnissen der Jahre 2000 bis 2002. Dieses "historische Modell", für das sich Österreich entschied, obwohl man schon damals vom Änderungsbedarf wusste, war für Politik und Bauern das schmerzloseste. Inzwischen sorgt es aber wegen der unterschiedlichen Entwicklung der Agrarzweige und damit einhergehender Ungleichheiten für Unmut. Auch die EU verlangt Anpassungen.

Die Herausforderung ist groß, die Unterschiede sind zum Teil extrem, die Materie ist vielschichtig. Die Durchschnittsprämie, die ein österreichischer Bauer direkt aus Brüssel bekommt, liegt pro Hektar bei 275 Euro. Tendenziell erhalten Ackerbauern höhere Prämien pro Hektar als Grünlandbauern. Aber auch bei den Tierhaltern gibt es - wie etwa die Stiermäster - Bauern mit hohen Hektarprämien. Nicht berücksichtigt sind dabei freilich die Umweltprämien und die Bio- und Bergbauernförderung, die von Österreich mitfinanziert werden. Sie sind nicht direkt Thema der Verteilungsdiskussion, wirken aber tendenziell ausgleichend.

Regional lassen sich die Unterschiede bei den Direktprämien aus Brüssel - im Fachjargon "Zahlungsanspruch" - kaum festmachen. So liegt der Bezirk Landeck, in dem ein Zahlungsanspruch im Schnitt mit 137 Euro pro Hektar österreichweit am niedrigsten bewertet ist, genauso im Bundesland Tirol wie der Bezirk Schwaz, wo er mit 366 Euro je Hektar am höchsten bewertet ist. Nach Bundesländern führt Wien die Liste mit 309 Euro/Hektar vor Niederösterreich (296 Euro) an. Schlusslicht ist das Bundesland Salzburg mit nur 191 Euro pro Hektar.

Wie die Angleichung der Prämien erfolgen soll, ist offen. Derzeit tendiert man zu einer Aufteilung Österreichs in drei bis vier Produktionsregionen. Als Möglichkeit ventiliert wird auch, die Prämien auf Produktionssparten abzustellen. "Man soll dabei aber nicht zu viel differenzieren, sonst wird es zu kompliziert", sagt Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer.

Fix scheint lediglich zu sein, dass die Fläche, die ein Bauer bewirtschaftet, ein wichtiger Orientierungspunkt bleibt. Und fix scheint zu sein, dass keine in ganz Österreich einheitliche Prämie pro Hektar kommen wird. "Das würde zu allzu großen Verwerfungen führen und für einzelne Sparten die Wettbewerbsposition verschlechtern", sagt Wlodkowski. Er will die Gestaltung der Prämien auch von den Möglichkeiten abhängig machen, die sich aus den künftigen Umweltprogrammen ergeben.

Während zwischen den Länder-Bauernkammern längst die Wogen hochgehen, kommen von den Agrarlandesräten gemäßigte Töne. Oberösterreichs Landesrat Max Hiegelsberger will die Ergebnisse der Modellrechnungen abwarten. Und Salzburgs Sepp Eisl wünscht sich vor allem, dass die neue Regelung "möglichst einfach" wird. Daran, dass die Umsetzung schwierig wird, hat er keinen Zweifel. Über den Grund dafür auch nicht: "Es wird Verschiebungen geben."

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. Juli 2011

Dienstag, 19. Juli 2011

„ Vorschläge zu wenig innovativ“





Die Wissenschaft vermisst bei den Plänen zur EU-Agrarreform neue Ideen.

Nicht nur ums Geld solle es bei der EU-Agrarreform gehen, sagt der Agrarökonom Markus F. Hofreither im SN-Interview.

SN: Die geplante EU-Agrarreform macht den europäischen Bauern Sorgen. Es soll weniger Geld geben. Wie bewerten Sie, was bisher zu erkennen ist?

Hofreither: Zurzeit sieht es so aus, dass das EU-Agrarbudget um etwa sieben Prozent gekürzt werden könnte. Die endgültigen Werte stehen aber erst nach Ende der politischen Diskussion fest, in deren Verlauf noch nachgebessert werden dürfte. Aus meiner Sicht ist aber weniger der absolute Betrag entscheidend, sondern wofür und wie die Gelder ausgegeben werden.

SN: Erklären Sie das anhand eines Beispiels.

Hofreither: Heute geht der Großteil des Agrarbudgets für Einkommensstützungen in Form von Direktzahlungen auf. Die damit verknüpften Bedingungen gehen oft nur wenig über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Der von der EU-2020-Strategie geforderte „europäische Mehrwert“, also die Förderung von öffentlichen Gütern wie Klimaschutz oder Artenerhaltung auf der EU-Ebene, ist dadurch eher bescheiden.

SN: Geben die Vorschläge und der finanzielle Rahmen die notwendigen Perspektiven oder wird da eine Chance vertan?

Hofreither: Meiner Meinung nach ist der Vorschlag der Kommission wenig innovativ. Die zuletzt von Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy ventilierte Variante, die Einsparungen beim Agrarbudget stärker im Bereich der zweiten Säule vorzunehmen, steht im Gegensatz zur fast zwei Jahrzehnte andauernden Debatte in der wissenschaftlichen Agrarpolitik. Die spricht sich in erster Linie wegen der höheren Treffsicherheit für Umschichtungen von der ersten in die zweite Säule aus, wie das etwa in Österreich mit seinen Umwelt- und Bioprogrammen und der Bergbauernförderung bereits praktiziert wird.

SN: Also kein guter Weg?

Hofreither: So, wie es derzeit aussieht, eher nicht.

SN: Was könnte das für Österreich bedeuten?

Hofreither: Für Österreichs Landwirtschaft insgesamt dürfte sich eher wenig ändern, weil hier sowohl die Beträge je Hektar als auch je Betrieb nahe dem EU Durchschnitt liegen. Anpassungen stehen jedoch jenen Betrieben ins Haus, die bisher historisch bedingt hohe Flächenzahlungen erhalten haben.

SN: Die Bauern befürchten noch strengere Auflagen. Auch die Verteilung der Mittel wird oft als ungerecht empfunden. Zu Recht?

Hofreither: Bei Auflagen wäre es psychologisch günstiger, alle Zahlungen in Umwelt- und Regionalprogramme einzubinden. Dann würden die Landwirtinnen die Zahlungen als Gegenwert für erbrachte Leistungen empfinden, die durch Kontrollen bestätigt werden. Das brächte indirekt eine gerechtere Verteilung der Mittel.

SN: Warum?

Hofreither: Weil in der sogenannten zweiten Säule klar definierte Programme zur Lösung von Problemen im Interesse der Allgemeinheit angeboten werden. Dabei handelt es sich um Leistungsentgelte. Da erübrigt sich eine Verteilungsdebatte. Das Verteilungsproblem liegt ja primär bei den Geldern aus der ersten Säule, den entkoppelten Direktzahlungen, die mit dem Verweis auf eine Grundeinkommenssicherung und Bereitstellung grundlegender öffentlicher Güter legitimiert werden.

SN: Was ist von einer Förderobergrenze zu halten?

Hofreither: Ich sehe das eher skeptisch. Wenn Leistungen für die Allgemeinheit Voraussetzung für den Erhalt dieser Zahlungen sind, haben auch Großbetriebe Anspruch auf einen angemessenen Kostenersatz. Aber man könnte abhängig von der Flächengröße die Zahlungen nach einer Formel auf einen Mindestbetrag absenken, der dann aber ohne Flächenbegrenzung zur Verfügung steht. Ein Zehn-Hektar-Betrieb würde damit z. B. dasselbe erhalten wie ein größerer Betrieb auf seinen ersten zehn Hektar, darüber würden die Hektarsätze immer weiter absinken. Das wäre sachlich gerechter und vermutlich auch politisch akzeptabler als eine Höchstgrenze.

SN: Alle wollen den „kleinen Bauern“ helfen. Aber wie kann man ihnen helfen, ohne sie vollends von öffentlichen Geldern abhängig zu machen?

Hofreither: Ob ein kleiner Betrieb langfristig lebensfähig ist, hängt in erster Linie davon ab, wie kreativ er in Sachen Produkte und Marketing ist. Auf Märkten mit standardisierten Massenprodukten wird das kaum möglich sein, weil die Wertschöpfung je Erzeugungseinheit zu gering ist. Man müsste also mehr erzeugen, um davon leben zu können. Da helfen auch öffentliche Gelder langfristig wenig.

SN: Was ist von den österreichischen Bauern zu fordern?

Hofreither: Dass sie bei ihrer langfristigen Betriebsplanung berücksichtigen, dass die politische Unterstützung abnehmen könnte und gleichzeitig Agrarmärkte deutlich volatiler als in der Vergangenheit sein werden.

SN: Und was von der Agrarpolitik?

Hofreither: Dass Brüssel das, was in den zahlreichen EU-Grundsatzpapieren steht, zumindest ansatzweise auch in der politischen Umsetzung berücksichtigt.



Markus F. Hofreither
Der Volkswirtschafter arbeitet am Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur in Wien. Er ist die Stimme der Wissenschaft in der heimischen und internationalen Agrardiskussion. So gehörte Hofreither u. a. zu den Unterzeichnern einer von europäischen Wissenschaftern verfassten Deklaration, in der eine ehrgeizige Agrarreform gefordert wird.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Juli 2011

Donnerstag, 14. Juli 2011

Vom Nährboden für immer neue Drangsal





Franz Kafka, Joseph Roth, Fritz von Herzmanovsky Orlando und wie sie alle heißen - sie sind längst tot. Aber die Bürokratie, die sie so wortreich, witzig und eindringlich vorführten und bekämpften, die lebt. Mehr denn je. Und selbst trotz der famosen Pläne, mit denen sich neuerdings Länder wie die Steiermark in die Herzen der Wähler kuscheln möchten.

In Oberösterreich sorgte dieser Tage ein Landwirt für Schlagzeilen, der ankündigte, einen Stier zu versteigern. Er wollte damit gegen eine Verwaltungsstrafe protestieren, die ihm aufgebrummt wurde, weil er nicht Willens war, bei der Agrarerhebung des Statistischen Zentralamtes mitzumachen. "Die haben eh alles schon sechsmal“, ließ er ausrichten und weigerte sich zu all den anderen Formularen, die vielen Bauern das Leben vermiesen, ein weiteres mit Daten auszufüllen, die ohnehin längst bekanntgegeben waren.

Mit ihm fühlen viele. Nicht nur in der Landwirtschaft. Überall fühlt man sich gequält von der immer wilder um sich greifenden Hybris der Datengier. An die 6000 Punkte insgesamt umfasst der Katalog all der Themen, zu denen etwa Unternehmen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu Auskünften angehalten werden. Ungezählt sind die Doppelgleisigkeiten, die es auch dort gibt - mit allerhand Steuer- und anderen Nummern und noch mehr Formularen.

Mit mehr als 60 Stunden beziffert die Wirtschaftskammer den jährlichen Zeitaufwand eines jeden Mitarbeiters eines Kleinbetriebs nur für die Bürokratie. Ob da die Zeit für den Umgang mit der zuweilen ebenfalls sehr üppigen Kammer-Bürokratie enthalten ist, ist freilich nicht überliefert.

Dem gemeinen Staatsbürger geht es nicht anders - von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare.

Was wurden nicht schon Seiten gefüllt mit Geschichten über die Bürokratie. Zeitungen, Zeitschriften, Bücher. Seit Jahrzehnten und immer wieder.

Aber die Bürokratie ist immer schneller.

Dabei wird es wohl, das steht zu befürchten, auch bleiben. Denn ihr an die Wurzeln zu gehen, so der Eindruck, mag, allen leutseligen Beteuerungen zum Trotz, niemand. Nicht nur, weil es aussichtslos scheinen mag, sondern wohl auch, und sich das einzugestehen, mag vielen nicht leicht fallen, weil man sich möglicherweise auch selbst an der Nase nehmen müsste. Die Politiker in Bund, Ländern oder Gemeinden oder wo immer sie sitzen, sowieso. Oder glaubt man im Ernst, dass, wie dieser Tage ruchbar wurde, mehr als 100 von Bund und Ländern kaum abgestimmte Hilfsangebote für Familien kein Mehr an Bürokratie bedeuten? Oder die Vielzahl an Bau- und anderen -ordnungen, die viele Menschen in Brot halten und aus denen die politisch Verantwortlichen ihre Daseinsberechtigung beziehen?

Auf die Politik, ihre Eitelkeit und ihren Geltungsdrang alleine die Verantwortung abzuschieben, ist freilich zu wenig. Denn die Politik reagiert vor allem und sie spiegelt die Strömungen der Gesellschaft wider, die zuweilen in Kontrollwahn, Besserwisserei und Gschaftlhuberei zu kulminieren scheinen.

Die einen fürchten sich vor allem und jedem und vermuten hinter allem und jedem eine Gaunerei, die anderen wissen alles besser. Und die dritten, das sei freilich auch genannt, haben vor allem im Sinn, ihre Pfründe zu sichern.

Das ungehemmte Wuchern der Bürokratie hat auch damit zu tun, dass in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten der Grundkonsens verloren gegangen ist, das gegenseitige Vertrauen, die Handschlag-Qualität. Statt dessen machten sich eine Kultur des Forderns, ja vielerorts eine Abzockermentalität breit, die auf nichts Rücksicht nimmt, als auf sich selbst.

Und die arbeitet der Bürokratie in die Hände, ist nichts anderes als reicher Nährboden für immer neue bürokratische Drangsal, weiß doch die Politik viel zu selten Besseres zu tun, als darauf mit immer neuen Regularien zu reagieren. Und die sind immer mit neuen Vorschriften und Formularen verbunden - mit neuer Bürokratie eben.

Die Spirale in den Griff zu bekommen, ist längst zu einer herkulischen Aufgabe geworden. Sie wird es freilich bleiben, solange von allen Seiten Ängste und Neid geschürt werden, dass irgendjemand zu kurz kommen und über den Tisch gezogen werden könnte, und die Gesellschaft nicht bereit ist, über ihre Grundlagen zu reden.

Davon ist freilich nichts zu sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Juli 2011

Montag, 11. Juli 2011

Die Kraft der Wirklichkeit





Simmering gegen Kapfenberg, ließ uns schon Helmut Qualtinger wissen, das sei Brutalität. Er kannte damals die Usancen in der heimischen Biogetreidebranche nicht. Dort ging es in den vergangenen Jahren zu wie nirgendwo in der Landwirtschaft. Mit Vehemenz verteidigte ein kleiner Klüngel von selbst ernannten Biopionieren aus Land- und Futtermittelwirtschaft, zu denen auch der Salzburger Raiffeisenverband als Gesellschafter der Agentur für Biogetreide gehört, mit Zähnen und Klauen und mitunter äußerst fragwürdigen Mitteln ihre Pfründe – ungeachtet jeder Marktentwicklung.
Die Bauern ließen sich das lang gefallen. Die Millionenverluste, die ihnen zuletzt zugemutet wurden, die leeren Versprechungen, die Unsicherheit und die völlig fehlende Transparenz rund um die Agentur und die Bio-Austria-Verbände Niederösterreich und Burgenland haben sie erstaunlich lang akzeptiert. In der konventionellen Landwirtschaft hätten solche Machenschaften längst zu Aufständen geführt.

Doch nun ist es mit dem Augenzudrücken auch bei den Biobauern vorbei. Die jahrelang dominierende Agentur für Biogetreide ist in Konkurs, die Platzhalter gaben ebenfalls auf. Der Markt ordnet sich derzeit völlig neu.

Damit kommt wieder ein Stück der heimischen Biolandwirtschaft in der Realität an. Und da ist kein Platz für Wolkenkuckucksheime. Denn nicht dort muss man bestehen, sondern in der Wirklichkeit. Erst da zeigt sich, ob man gut ist. Und daran besteht bei den Biobauern kein Zweifel.

Kommentar - Salzburger Nachrichten, 11. Juli 2011

Biogetreide: Karten neu gemischt





Das Chaos der vergangenen Jahre auf dem Markt für Biogetreide hinterließ Opfer - nicht nur Bauern zählen dazu. Auch Werner Lampert geriet mit "zurück zum Ursprung" in die Bredouille.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Auf dem heimischen Biogetreidemarkt geht es wieder einmal rund. Nach dem endgültigen Straucheln der Agentur für Biogetreide, dem einstmals größten Vermarkter in Österreich, der vor einem Monat Konkurs anmeldete, zog nun kurz vor der Ernte auch die Bio-Qualitätsgetreide (BQG) die Notbremse. Diese Gesellschaft, die mehrheitlich den Bio-Austria-Landesverbänden Niederösterreich und Burgenland gehört, war in die Geschäfte der Agentur für Biogetreide eingetreten. Ohne Erfolg. Die BQG wird heuer kein Getreide mehr übernehmen, sondern sich aus dem Geschäft zurückziehen.

Damit werden die Karten auf dem rund 200.000 Tonnen großen Markt unmittelbar vor der heurigen Ernte neu gemischt. Neuer großer Player neben der Crop Control, einer Tochter der saatbaulinz, und dem burgenländischen Händler Pinczker, ist die Raiffeisen Ware Austria (RWA). Die neu gegründete Tochtergesellschaft Biogetreide Austria (BGA) kauft über die Lagerhäuser heuer erstmals Biogetreide auf. Diese drei Unternehmen werden sich, so rechnet man in der Branche, rund 75 Prozent des Markts teilen.

Die Agentur für Biogetreide und die BQG hinterließen einen Scherbenhaufen. Nicht nur, dass sich viele Bauern kurzfristig neue Abnehmer suchen müssen, sie müssen sich auch noch mit mageren Preisen für die vorjährige Ernte zufrieden geben. Bei Biobrotgetreide kamen die BQG-Lieferanten nach einer späten Nachzahlung letztendlich auf einen Preis von rund 220 Euro pro Tonne. Das war nicht mehr, als auch für konventionell erzeugte Ware gezahlt wurde.

Aber nicht nur Bauern zahlten drauf. So ist dem Vernehmen nach etwa auch bei Werner Lampert und seinem "zurück zum Ursprung"-Programm für den Discounter Hofer Feuer am Dach. "Nach dem Rückzug der BQG, die ihm bisher über die BQG-Mutter Agricultura, eine PR-Gesellschaft, das Getreide lieferte, steht er nun ohne Vertragsbauern und ohne Versorgungsstrukturen für das kommende Jahr da", heißt es in der Branche.

Genau das aber war bisher eine der zentralen Säulen des "zurück zum Ursprung"-Konzepts. Dort stehen die Bauern als Persönlichkeiten, die Vertrauen schaffen sollen, im Mittelpunkt. Lamperts ganzer Stolz war bisher, dass die Herkunft des Getreides bei jedem einzelnen Stück Gebäck bis hin zu den Adressen samt Fotos der Bauern, die das Getreide dafür lieferten, per Internetcode nachvollziehbar gemacht wurde.

Die Branche schaut Lampert, der für die "Salzburger Nachrichten" nicht erreichbar war, genau auf die Finger. "Nun muss er in kurzer Zeit alles neu organisieren", heißt es mit einem Anflug von Schadenfreude. "Jetzt braucht er neue Vertragsbauern, muss die aufwendigen und personenorientierten Marketingmaßnahmen neu aufstellen und entsprechende neue Versorgungsstrukturen aufbauen", heißt es in der Branche. "Wir sind gespannt, wie er das hinbringt."

Laut Branchenkennern geht es dabei um ein jährliches Volumen von rund 8000 Tonnen Biobrotgetreide und 6000 Tonnen Biofuttergetreide.

Dem Vernehmen nach hat Lampert in den vergangenen Wochen nicht weniger als fünf Unternehmen mit der Aufbringung von Biogetreide für das kommende Jahr beauftragt. Dazu gehören die Raiffeisen Ware Austria genauso wie der Futtermittelhersteller Vitakorn, bisher Gesellschafter der Agentur für Biogetreide, oder die Mauthner-Gruppe, einer der größten privaten Landesproduktenhändler Österreichs.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. Juli 2011

Freitag, 1. Juli 2011

Bauern erleichtert, aber nicht zufrieden





Hans Gmeiner Salzburg (SN). „Eine extreme Kürzung des Agrarbudgets konnte verhindert werden“, sagte Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich in einer ersten Reaktion zu den EU-Budgetplänen. Die dabei mitschwingende Erleichterung trifft wohl die Stimmung in der Landwirtschaft. Glücklich ist niemand darüber, dass die EU ab 2014 das Agrarbudget um insgesamt 6,5 Prozent kürzen will, aber die Bauern haben Schlimmeres erwartet.

Derzeit geht man davon aus, dass Österreichs Bauern in Zukunft mit 150 Mill. Euro weniger auskommen müssen. „Inakzeptabel“ hieß es Donnerstag zwar allerorten, was aber diese Kürzung wirklich bedeutet, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Denn Agrarkommissar Dacian Ciolos wird erst aufgrund der Budgetvorgaben bis zum Herbst einen konkreten Vorschlag für die künftige Gestaltung der EU-Agrarpolitik ausarbeiten. Was er in groben Zügen vorhat, weiß man freilich bereits. Dass es dafür weniger Geld geben soll, macht es für die heimische Landwirtschaft nicht einfacher.

Spannend ist vor allem, wie stark, in welchem Zeitraum und in welcher Form die vom Kommissar beabsichtigte Angleichung der höheren Prämien in den alten EU-Staaten und der niedrigeren Prämien in den neuen EU-Staaten in Osteuropa kommen wird. Und spannend ist, wie sich das „Greening“, die von Ciolos geplanten Umweltauflagen, und die bisherigen österreichischen Umweltprogramme zusammenfügen, ohne dass die Bauern viel verlieren. Dabei die Verluste möglichst gering zu halten und für die Bauern dennoch attraktive Modelle zu entwickeln, gehört zu den Hausaufgaben der heimischen Agrarpolitik.

Zu den Hausaufgaben gehört auch die Neuausrichtung des Prämiensystems in Österreich selbst. Von diesem „historischen Modell“, das auf den Ertrags- und Einkommensverhältnissen der späten 1990er-Jahre beruht, muss Österreich abgehen. Das Wie und die Richtung sind heftig umstritten. Ziel ist eine tendenzielle Angleichung. Und weil die nicht nur Sieger, sondern auch Verlierer bringen wird, birgt sie enormen politischen Sprengstoff.

Was wirklich kommt, wird man erst 2013 wissen. Bis zu den Schlussverhandlungen auf der Ebene der Staatschefs und der „Nacht der langen Messer“, in der dann Nägel mit Köpfen gemacht werden, kann noch viel passieren.

2006 hatten Österreichs Bauern Glück und bekamen im allerletzten Moment noch eine Milliarde für Umweltprogramme. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft 1. Juli 2011
 
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