Freitag, 14. Oktober 2011

Eine Reform mit Haken




Die EU-Agrarreform macht die heimische Agrarpolitik zur Großbaustelle.

HANS GMEINER Wien (SN). Die heimische Agrarpolitik reagiert auf die am Mittwoch präsentierten Vorschläge zur EU-Agrarreform indifferent. „Nicht mit uns“, „Rolle rückwärts“, „problematisch“, das ist zwar überall zu hören. Dass Österreichs Bauern aber, wie es aus heutiger Sicht scheint, finanziell glimpflicher davonkommen als befürchtet, wird durchaus anerkannt. Groß ist freilich die Verwunderung, dass trotz der angespannten Agrarmärkte sieben Prozent der Agrarflächen zu Ökoflächen werden sollen.

Für Österreichs Bauern hat die Reform einige Haken. Vor allem die Ländliche Entwicklung, die „zweite Säule“ der Agrarpolitik, mit Programmen, deren Gestaltung weitgehend in der Hand der Mitgliedsstaaten selbst liegt, wird für Österreich zur zentralen Herausforderung.

Über die notwendige Vereinheitlichung der Hektarsätze und die seit Längerem diskutierten Probleme für die Umweltprogramme hinaus rücken neue Themen in den Mittelpunkt. So scheinen über der Bergbauernförderung, die bislang als gesichert galt, dunkle Wolken aufzuziehen. „An der Definition der Berggebiete ändert sich nichts“, sagte Klaus-Dieter Borchardt von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission bei der Präsentation der Reformpläne in Wien. „Es gibt aber weniger Flexibilität für die Mitgliedsstaaten.“ Das System werde schwerfälliger, weil die Förderwürdigkeit je Fall festgestellt werden müsse. Sorgenfalten treibt den Agrariern auch die Neuabgrenzung der sogenannten benachteiligten Gebiete auf die Stirn, in denen derzeit mehr als 30.000 Bauern ähnlich wie die rund 70.000 Bergbauern Ausgleichszulagen bekommen. Gelingt es nicht, die Grenzen zu ändern, würden Tausende Bauern um diese Fördergelder umfallen.

Und über allem steht die Ungewissheit über die in der zweiten Säule zur Verfügung stehenden Mittel. Von Brüssel gibt es dazu noch keine Zahlen, und auch in Österreich selbst werden die Karten neu gemischt.

Geld aus dem EU-Budget soll es in Zukunft nur mehr auf Grundlage eines sogenannten nationalen Partnerschaftsvertrags geben, in dem Ziele und Verteilung der Mittel formuliert sind. Dabei hat nicht allein das Landwirtschaftsministerium, sondern vor allem das Bundeskanzleramt, das mit Ausnahme des ELER-Agrarfonds für diese Fonds zuständig ist, ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.

Kenner wie der oberösterreichische Bauernkammerdirektor Fritz Pernkopf gehen davon aus, dass es zu einer „massiven Umverteilung der Mittel“ kommen wird. Einrichtungen wie die Wirtschaftskammer Österreich freilich warten genau darauf. „Wir begrüßen die gemeinsame strategische Ausrichtung der Fonds“, sagte Daniela Andratsch. Man will vor allem, dass Kleinunternehmen auf dem Land auch von diesen Mitteln profitieren.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 14.10.2011

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