Donnerstag, 20. Oktober 2011

Neues Österreich zwischen "Reichen“ und "Trotteln“?





Dieser Tage das Streikgetöse der Metaller, zuvor die Debatten um die Besteuerung von Vermögen und um die Reichensteuer und die Drohung mit Verfassungsklagen gegen die Besteuerungsformen in der Landwirtschaft. Im Land verändert sich etwas. Die Stimmung ist dabei, nach Jahren der Betulichkeit, die zuweilen als Schwester der Orientierungslosigkeit daherkam, eine andere zu werden. An den Stammtischen, in den Medien, in der politischen Diskussion.

In den vergangenen Jahren entzündeten sich die politische Leidenschaft und das politische Bewusstsein allenfalls am Umgang mit Zuwanderern oder ausländischen Mitbürgern in unserem Land. Nun sind es zudem immer öfter klassenkämpferische Töne, die sich der Politik und der politischen Diskussion bemächtigen - mitunter solche, die man längst in die Mottenkiste der Politik verbannt wähnte. Die Eurokrise, die aufs Neue aufbrechende Diskussion um die Banken, die Bedrohung der internationalen Wirtschaft und die damit wachsende Sorge um Arbeitsplatz und Zukunft bieten das entsprechende Unterfutter.

Insbesondere die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften haben dadurch zu neuem Selbstbewusstsein gefunden. Das konservative bürgerliche Establishment, Unternehmer und Landwirte hingegen gerieten dabei zu Prügelknaben. Die Volkspartei, die von der politischen Vertretung dieser Gruppen lebt, hat dem nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Sie wirkt hilflos und überfordert.

Leute wie der Staatssekretär Ostermayer geben da den Ton vor, wenn sie "den Reichen“ eine höhere Besteuerung mit dem Hinweis schmackhaft zu machen versuchen, dass sie ja auch nichts anderes wollen, als in Frieden leben zu können - "Was nützt es, wenn man reich ist und sich ständig bedroht fühlt.“ Das gibt Mut und setzt sich fort. "Wennst mit den Trotteln nicht reden kannst, wird eben gestreikt“, kommt es dann von Betriebsräten. "Wir lassen uns doch nicht verschaukeln.“

Vier von fünf Österreichern sehen das, glaubt man einer Umfrage der Kronenzeitung, genauso.

Dass all die plakativen Ansagen und Forderungen noch lange keine Politik sind, spielt dabei keine Rolle. Die Sozialdemokraten verstehen es mittlerweile so gut wie Strache, die Frustration zu bündeln und für sich politisch zu nutzen. Dass man seit Jahren den Bundeskanzler stellt, die Politik der vergangenen Jahre bestimmen konnte, mithin für alles zumindest mitverantwortlich ist, wogegen man nun auftritt, ist einerlei. Man gibt wieder den Ton vor. Das zählt.

Darüber kann man sich alterieren, gar davor fürchten und den Klassenkampf heraufdräuen sehen. Wenn man es schon nicht verstehen kann, so kann man diesen Wandel in der Stimmung doch nachvollziehen. Das herablassende Gehabe und die dröhnende Selbstzufriedenheit, mit dem allzu viele, zumal allzu viele von den bürgerlichen Sofas, aus den Führungsetagen von Unternehmen, von Beamtenschreibtischen, von Rednerpulten und aus dicken Autos oder von großen Traktoren herab auf die anderen schauten, war zuweilen zu viel. Man übergoss zu oft andere Ansprüche mit Häme, erklärte sie für unmäßig und gefährlich für den Wohlstand, sprach ihnen jede Kompetenz ab und meinte, die alleinige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Ohne Wenn und Aber.

Bis man sich selbst nicht mehr und sonst auch nichts spürte.

Sie alle sollten nicht nur auf die anderen zeigen, sondern sich selbst an der Nase nehmen.

Das Pendel schlägt nun offensichtlich in die andere Richtung aus. Die, die bislang die Wahrheit für sich gepachtet glaubten, verstehen es nicht, mit den Themen und den Inhalten, die vorgebracht werden, umzugehen. Sie finden kaum griffige Argumentationen und haben ihnen nichts entgegenzusetzen.

Statt dessen festigt sich der Eindruck, dass man längst den Kontakt zu den Leuten verloren zu haben scheint. Es ist Sensibilität, die von den Menschen vermisst wird, das sprichwörtliche G’spür, oft auch die Achtung. Man hat das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit arg strapaziert und die Kompetenz, die man so gerne in Anspruch nahm, allzu selten bewiesen.

Und man tat es nicht nur - man tut es immer noch. Und daher wird man sich - je nach politischem Standort freilich - über die neue Stimmung auch weiterhin ärgern müssen oder freuen können.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Oktober 2011

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