Donnerstag, 24. November 2011

Zum nationalen Kraftakt an den Runden Tisch - bitte!





Die Überraschung war groß. Vor drei Wochen wusste man noch nicht, was eine Schuldenbremse ist, jetzt wissen wir, dass Österreich - auch wenn man allem Anschein nach immer noch nicht recht weiß, was das ist - eine bekommen soll. Um die Rating-Agenturen mild zu stimmen und das Triple A zu retten, um den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen - und das alles im Verfassungsrang.

Dieses Tempo war man nicht gewohnt. Schon gar nicht in Österreich, schon gar nicht von dieser Regierung, die sich seit Monaten von allen Seiten Nichtstun und Lähmung vorwerfen lassen musste. Endlich eine Aktion, endlich eine Reaktion. Die Regierung tat, was man von ihr eigentlich erwartet - regieren. Erleichterung machte sich darob breit. Geht ja doch, wenn der Druck nur groß genug ist.

Aber das war es auch schon. Seither geht es wieder rund. Die Länder fühlen sich übergangen, die Gemeinden, die Oppositionsparteien und die Gewerkschaften. Und alles lief, das erleichterte Beklatschen der wiedergefundenen Handlungsfähigkeit an der Regierungsspitze war noch gar nicht verhallt, flugs gleich wieder in den altbekannten österreichischen Bahnen. "Kommt nicht in Frage“, tönt es seither von allen Seiten in bester österreichischer Manier, obwohl man noch gar nicht weiß, was nicht in Frage kommen kann, weil es noch nicht viel mehr gibt als das Wort Schuldenbremse.

Längst hat nicht mehr die Regierung das Heft in der Hand. Nicht einmal die eigenen Parteien hat man geschlossen hinter sich, gar nicht zu reden von den Oppositionsparteien. Längst haben die politischen Kuhhändler die Regie übernommen. Da versucht man Kleingeld zu machen und dort ein politisches Geschäft. Nur eine Lösung, eine Lösung, die will man offenbar nicht.

Verbockt hat es wieder einmal, anders kann man es nicht sagen, die Regierung. Wie kommt man nur auf die Idee, ein so weitreichendes Projekt in einer so heiklen Phase ganz alleine durchsetzen zu wollen? Warum hat man die wichtigsten Entscheidungsträger in diesem Land, es sind ohnehin nicht allzu viele, nicht eingebunden? Warum zeigten sich selbst Landeshauptleute überrascht und überrumpelt? Ganz abgesehen davon, dass die Frage nach der Ausgestaltung der Schuldenbremse zu stellen ist.

Das ist nur Dilettantismus zu nennen. Fahrlässiger Dilettantismus, der einen fragen lässt, ob man die Situation denn überhaupt ernst nimmt, zumal dann, wenn man wenige Tage nach Ankündigung der Schuldenbremse zur Kenntnis nehmen muss, dass das Budgetdefizit im kommenden Jahr weiter anwachsen wird und man erst ab 2013 gedenkt, sparen zu wollen.

Kann sich Österreich das leisten? Das Land, das wurde in den vergangenen Wochen immer deutlicher, ist keine Insel im Finanzstrudel. Die Lage ist nicht so, wie man sie sich lange schön gerechnet hat. Immer klarer wird, dass es einen nationalen Kraftakt braucht, um sich aus dem Strudel herauszuhalten. Politisches Kleingeld ist dabei nicht die Währung, die hilfreich ist.

Es ist ein nationaler Schulterschluss aller maßgeblichen Kräfte zu fordern und ein Beitrag aller. Österreich muss an einem gemeinsamen Strang ziehen. Es ist zu fragen, ob es nicht an der Zeit ist, die maßgeblichen Kräfte des Landes an einem Runden Tisch zu vereinen, um dort zu einer Lösung zu finden, die von den maßgebenden Parteien und Interessenvertretungen und damit von möglichst großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen wird. Die Zeit scheint reif zu sein dafür.

Die Ankündigung der Schuldenbremse, der Dilettantismus der sie begleitete, waren eine vertane Chance. Das politische Hickhack, das seither das Land beherrscht, ist der Sache alles andere als förderlich und kostet nichts als wertvolle Zeit.

Zeit aber glaubt man offenbar in Österreich nicht nur in der Politik noch viel zu haben. Am Donnerstag vergangener Woche protestierten in Wien rund 400 Menschen auf dem Ballhausplatz gegen die ausufernden Staatsschulden. Während in anderen Ländern Demonstranten mitunter täglich auf die Straßen ziehen und sogar Lager aufschlagen, hat es in Österreich das unzufriedene Volk nicht eilig. Im März - immerhin wird "spätestens“ hinzugefügt - soll die nächste Kundgebung folgen.

Insofern hat das Land wohl die politische Führung, die es verdient.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24.11.11

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