Samstag, 3. Dezember 2011

Jakob Auer: Bauer im Nadelstreif




HANS GMEINER

In Gunskirchen (OÖ) wird heute, Samstag, Ökonomierat Jakob Auer, Abgeordneter zum Nationalrat, Präsident des Aufsichtsrats der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich (RLB) und Chef des Raiffeisenverbands im Land ob der Enns zum Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes gewählt. Der Abgang seines Vorgängers Fritz Grillitsch und Auers Nominierung sorgten für Staunen. Auer hatte keiner auf der Rechnung, zumal er mit 63 in einem Alter ist, in dem zumeist nur noch die Pension Ziel ist.
Dass Auer noch Anfang November in Interviews Interesse bekundete, Christian Konrad als Chef des Österreichischen Raiffeisenverbandes nachzufolgen, zeigt, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist. Seither verstummen auch Gerüchte nicht, die einen Zusammenhang zwischen den in den Interviews avisierten Absichten und Auers rascher Kür zum Bauernbundpräsidenten sehen.
Auer, der seine familiären Wurzeln in Tirol hat, ist einer der dienstältesten Politiker im Land. Seit den frühen 1980er-Jahren sitzt er für die ÖVP im Nationalrat, mehr als 20 Jahre war er Bürgermeister in Fischlham, wo sein 40-Hektar-Schweinemastbetrieb steht. Seit dem Jahr 2000 hält er die Zügel bei Raiffeisen Oberösterreich fest in der Hand und hielt RLB- Generaldirektor Ludwig Scharinger den Rücken für dessen expansive Geschäftspolitik frei. Das war in den vergangenen Jahren seine Welt. Mehr Nadelstreif als Trachtenanzug oder gar Gummistiefel.
Unbeschriebene Blätter schauen anders aus. Der neue Bauernbundpräsident ist absoluter Profi, ein pragmatischer Politiker, der das Etikett „mit allen Wassern gewaschen“ wie kaum ein anderer verdient, sehr machtbewusst, beinhart, wenn es sein muss, und das, was man durchsetzungsstark nennt.
Das ist es auch, was ihn in der derzeitigen Situation der heimischen Bauernvertretung zum richtigen Mann macht. Auer bringt alle Voraussetzungen mit, zum starken Mann zu werden, und hat die nötige Schlitzohrigkeit, um die zuweilen zwischen Bauernbund, Ministerium und Landwirtschaftskammer irrlichternde Agrarpolitik auf Linie zu bringen. Durchaus möglich, dass Grillitsch nicht das letzte Opfer im Zuge der Neuorientierung der Bauernführung war.
Es würde nicht wundern, wenn Auer nicht auch versuchen würde, in der ÖVP ein kräftiges Wort mitzureden. Mit mehr als 300.000 Bauernbund-Mitgliedern hat er jedenfalls ein starkes Atout in der Hand. In der Organisation, die er nun führen wird, wartet freilich viel Arbeit. Der Bauernbund ist nur mehr ein Schatten von einst, groß längst nicht mehr aus eigener Kraft, sondern weil die politischen Gegner im Mikrokosmos Landwirtschaft so schwach sind.
Auers Bestellung wirft aber auch Fragen auf. Wie nehmen es die Bauern auf, dass mit Auer nun einer der mächtigsten Raiffeisen-Männer auch im Bauernbund das Sagen hat, zumal er nicht daran denkt, seine Funktionen zurückzulegen? Und: Wie verhalten sich die jüngeren Agrarpolitiker, die bei der Bestellung Auers übergangen wurden?

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 03.12.2011

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