Donnerstag, 27. Dezember 2012

Der verschwenderische Umgang mit dem Boden





Österreich verliert den Boden unter den Füßen. Pro Kopf wird doppelt so viel Fläche wie in Deutschland zubetoniert.

HANS GMEINER Salzburg (SN). „Jeder Mensch braucht ein Stück Boden, um zu leben“, sagt Kurt Weinberger, Chef der österreichischen Hagelversicherung, „dennoch werden in Österreich jährlich 0,5 Prozent der Ackerfläche verbaut.“ Seit den 1950er-Jahren ging so fast ein Viertel der österreichischen Agrarfläche verloren, eine Fläche so groß wie Kärnten. Längst ist der Bodenverbrauch nicht nur in der Landwirtschaft ein Thema. Auch den Umweltschützern macht der unmäßige Flächenverbrauch immer mehr Sorgen. Sie warnen immer lauter vor den Folgen für das Klima und die Wasserversorgung.

Obwohl kaum ein anderes Land wegen des hohen Gebirgsanteils über so wenig geeignete Flächen verfügt, geht kein anderes Land in Europa derart verschwenderisch mit seinen Böden um wie Österreich. „Der Bodenverbrauch pro Kopf ist bei uns nach wie vor doppelt so hoch wie in Deutschland“, sagt Gerlind Weber, Professorin an der Universität für Bodenkultur. Seit 1950 wuchs die Siedlungsfläche pro Kopf in Österreich von 374 auf 537 Quadratmeter.

Nach wie vor verschwinden in Österreich täglich knapp 20 Hektar unter Asphalt und Gebäuden oder werden zu Bergbau- oder Freizeitflächen. Übers Jahr summiert sich das laut Umweltbundesamt auf rund 75 Quadratkilometer, etwas mehr als die Fläche der Stadt Salzburg. Vom Ziel der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie, den Flächenverbrauch auf zwei Hektar pro Tag zu senken, ist man weit entfernt.

Als Gründe für die ungebremste Entwicklung gelten eine zahnlose und zuständigkeitsmäßig aufgesplitterte Raumordnung sowie ungehemmte Standortkonkurrenz zwischen Ländern und Gemeinden. Die Schuld für den hohen Flächenverbrauch und die Verschandelung ganzer Regionen schiebt man hin und her. Bei einer Tagung des Ökosozialen Forums zum Thema Bodenverbrauch sagte Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Verbands der Einkaufszentren, die oft als maßgeblich an der Zersiedelung beteiligt an den Pranger gestellt werden: „Es ist nirgends leichter als in Österreich, zu irgendeinem Bürgermeister zu gehen und ihn zu verführen.“ Man sei systematisch aus den Städten vertrieben worden. „Wir gehen den Weg des geringsten Widerstands, daraus sind die Scheußlichkeiten entstanden.“

Das lässt Gemeindebundpräsident und Bürgermeister Helmut Mödlhammer nicht auf sich sitzen. Er gibt den schwarzen Peter weiter. „Wir sind Baubehörde, aber nicht Raumordnungsbehörde.“ Er nennt den Wunsch der Österreicher nach dem Haus im Grünen als Grund für die Zersiedelung. Daher brauche man „klare, nachvollziehbare Regeln“, sagt Mödlhammer, „es darf nicht drauf ankommen, wie ein Landesrat aufgelegt ist oder welche G’schichtln im Hintergrund laufen“.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, rückt die Nutzung von Leer- und Altbeständen in den Mittelpunkt. Schon 2004 erhob das Umweltbundesamt, dass allein in Industrie und Gewerbe durch Betriebsschließungen und Stilllegungen jährlich elf Quadratkilometer Brachflächen anfallen. „Es kann davon ausgegangen werden, dass der Wert heute weit höher liegt“, sagt Karl Kienzl vom Umweltbundesamt. Wie diese Flächen genutzt werden könnten, um den Verbrauch neuer Flächen zu vermeiden, ist weniger klar. „Für den geordneten Rückzug und den Rückbau fehlt es an Know-how“, sagt Weber, als Ruferin in der Wüste. Als solche wird sie nach 30-jähriger Befassung mit dem Thema in ihren Forderungen zusehends radikaler. „Angesichts der Flächenverschwendung und der immer größer werdenden Brachflächen ist der einzig ökologisch vertretbare Bau der, der nicht gebaut wird“, sagt sie. Das Bewusstsein dafür zu schärfen, ist ihr inzwischen zu wenig. „Damit ist es nicht mehr getan, man muss Sanktionen und Anreize setzen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Dezember 2012

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Auch die "Wutbürger“ sind Österreicher





In den Buchhandlungen stapeln sich die Bücher der Empörung. Auch wenn die Versammlungen und Märsche, die angesichts der Korruptionsfälle, Euro- und Bankenrettungsprogramme und der Krise in Griechenland die Wutbürger mobilisierten, erst wenige Monate her sind, liegt über ihnen bereits ein Hauch von Nostalgie. Der "Flächenbrand der Empörung“, wie eines dieser Werke heißt, blieb ganz offensichtlich aus.

Die Bewegung ist verebbt. Keine Schlagzeilen, keine Proteste, keine Versammlungen mehr. Angesichts der vollen Büchertische, die der Empörung gewidmet sind, könnte man glatt den Grund dafür darin sehen, dass die Szene in den vergangenen Monaten mit dem Niederschreiben ihrer Erlebnisse und ihre Ärgers beschäftigt gewesen ist, auf dass ihre Werke ins Weihnachtsgeschäft kommen.

Man hat sich offenbar wieder in die eigenen vier Wände zurückgezogen, in Bars und Cafès, führt Klage über die schlechte Welt, analysiert zynisch verhärmt den Gang der politischen Dinge und gibt sich dem Vergnügen hin, sich gegenseitig recht zu geben und für gut zu halten.

Als einer der wenigen Profiteure ist allenfalls der Kabarettist Roland Düringer zu nennen, der seiner Karriere mit einer viel beachteten "Wutrede“ einen neuen Schub gab. Sonst freilich blieb wenig, vor allem wenig Nachhaltiges. Die "Piraten“, der politische Arm der Bewegung, könnten es sein, haben es aber bisher nicht geschafft, schon gar nicht in Österreich. Im Nu scheiterte man an den Anforderungen des Alltags, an Streitereien und Meinungsverschiedenheiten, man kommt mit dem Aufbau von Strukturen nicht zurande und schon gar nicht mit der Forderung nach politischen Inhalten, die mehr heißen als "Wir sind dagegen“.

Und dass ausgerechnet Frank Stronach als sichtbares Resultat zu bleiben scheint, ist nicht wirklich ein herzeigbares Ergebnis für die Bewegung, die ganz sicher anderes wollte, als einem alten Milliardär mit altbackenen Ansichten in den Steigbügel zu helfen.

Schade. Schade um das ganze Engagement und die ganzen Engagierten. Das Land würde sie so sehr brauchen. Strasser, Mensdorff-Pouilly, Salzburg und die ganzen Umstände drumherum wären Aufgaben genug. Die Bedarfs- und Klientelpolitik, die in diesem Land zur Kultur geworden sind, die vielen eingefahrenen Gleise - die Liste des Handlungsbedarfs, der in Österreich ansteht, ist lange.

Das freilich zu ändern, ist eine herkulische Aufgabe. Politik ist mühsam, der Weg von einer Forderung, einer Idee zur Umsetzung oft unendlich weit. Der Aufschrei, die Aufregung, die Empörung sind die eine Seite. Sie zu kanalisieren, sie mit Inhalten, Konzepten und Strukturen als Alternativen in die Wirklichkeit zu bringen, ist die andere. Da wird nicht nur applaudiert, da ist nicht jede Idee willkommen, da gibt es immer mehrere Seiten und immer unterschiedliche Interessen. In diesem Gefüge mit seinem eingespielten Apparat etwas umzusetzen, verlangt einen langen Atem.Den freilich haben auch die Wutbürger nicht. Auch sie sind nichts anderes als gewöhnliche Österreicherinnen und Österreicher. Und die sitzen, man weiß es, gerne auf der Tribüne, schauen gerne zu und wissen gerne alles besser, oft ohne selbst etwas zu wissen.

Man will den schnellen Erfolg - und gibt es den nicht, dreht man sich wieder weg. Die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, wird immer geringer. Dabei wäre nichts wichtiger, als dass sie wächst.

Weil dem nicht so ist, macht auch das bevorstehende Wahljahr, das durch die Neuwahlen in Salzburg zum Superwahljahr wird, nicht zuversichtlich.

Es ist kaum damit zu rechnen, dass sich Neues etabliert: eine neue Kultur, ein neuer Stil, ein Stachel im (Sitz-)Fleisch der etablierten Politik. Die letzten waren die Grünen, die das schafften, vor mehr als 30 Jahren. Ob sie die Erwartungen und Hoffnungen erfüllt haben, sei dahingestellt. Jetzt ist Derartiges nicht in Sicht.

Angesichts Österreichs muss man sagen - leider. Denn die etablierten Parteien haben schon allzu oft bewiesen, dass sie die nötige innere Erneuerung nicht schaffen, auch wenn sie noch so oft davon reden. Dort halten sich seit langem nur mehr stromlinienförmige Meinungen. Wer oder was quer kommt, hat es schwer. Das verdrießt viele und stößt immer mehr ab. Übrig in der Politik bleiben daher zumeist die, über die man sich dann tagtäglich ärgert. Das sei jedem unbenommen, wundern freilich sollte man sich nicht.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Dezember 2012

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Griechenland? Das können wir auch





Österreich ist aus dem Häuschen. In Salzburg hat eine Landesbeamte 340 Millionen Euro verzockt, ohne dass - angeblich - irgendjemand davon etwas bemerkt hätte. In Linz sind‘s mehr als 400 Millionen. Und mit allem, was in den anderen Städten und Gemeinden und in manchem Bundesland dazukommt und noch dazukommen könnte, könnten es bald, so die jüngsten Schätzungen, irgendetwas zwischen acht Milliarden und zehn Milliarden Euro sein, die da in den öffentlichen Haushalten auf dem Spiel stehen.

Über Griechenland und seine Folgen braucht da hierzulande niemand mehr zu schimpfen. Sowas machen wir uns schon selbst. Und ohne Not. Wir haben ja keine Sorgen.

Im Stundentakt schier kommen seit Montag dieser Woche Forderungen und Ratschläge, wie man solche finanziellen Desaster, wie sie sich in den Kommunen dieses Landes zutragen, verhindern und in den Griff kriegen könnte. "Warum erst jetzt?“, ist da nur zu fragen. Es ist ja nicht so, dass man nichts geahnt und nichts gewusst hätte. Viele von denen, die sich jetzt so in den Vordergrund spielen und mit ihren Ratschlägen hausieren gehen (und nicht nur jenen, die in der konkreten politischen Verantwortung stehen), ist vorzuhalten, dass auch sie weggeschaut haben.

Das Spekulationsdesaster der österreichischen Kommunen ist ohne Frage nicht nur ein politisches Thema, sondern auch ein Thema der Kontrolle und des Kontrollwesens. Das hätte sich nicht deutlicher darstellen können, als dadurch, dass just am gleichen Tag, als in Salzburg die Bombe hochging, der Wiener Rechnungshof dem Land Salzburg bescheinigte, dass mit seinen Finanzierungsinstrumenten alles in Ordnung ist. Kein Wunder ist da, dass die Frage "Wie gibt es das, dass niemand etwas bemerkte?“ die ist, die die Menschen am meisten bewegt und erzürnt.

Noch nie wurde in diesem Land so viel kontrolliert wie heutzutage. Und dennoch werden die Skandale immer größer. Interne Kontrollen, externe Kontrollen, Revisionen, Prüfungen, Beurkundungen, Unterschriften da, Unterschriften dort, Zustimmungen, Abstimmungen. Die Ämter, Banken und Unternehmen leiden längt unter dem, was ihnen, zusätzlich und parallel zum Tagesgeschäft, abverlangt wird. Die Kosten sind enorm, der Zeitaufwand auch - und dennoch gibt es keine Sicherheit.

Den heutigen Anforderungen, den Mechanismen und der Komplexität in den öffentlichen Haushalten und in der Wirtschaft wird das Kontrollwesen oft nicht mehr gerecht. Die langen Hebel, die vielen Geschäften heute zu eigen sind, die Vielschichtigkeit, die Dimensionen der rechtlichen Konstruktionen und die großen Summen tun ihr Übriges. Dabei scheitert man nicht nur - Salzburg kann als Beweis dafür dienen - an der Entdeckung krimineller Machenschaften im Sinne von Bereicherung einzelner. Noch gefährlicher ist, dass man immer öfter auch daran scheitert, die Grundlagen für das Handeln von öffentlichen Einrichtungen oder Unternehmungen korrekt zu durchleuchten und nachzuvollziehen und damit die nötigen Entscheidungsgrundlagen abzusichern und außer Streit zu stellen.

Die fehlenden Millionen und Milliarden allein mit mangelnder Kontrolle zu erklären und gar zu entschuldigen, wäre freilich grundfalsch. Denn tatsächlich stehen dahinter Eigenschaften wie präpotente Dummheit, Nichtwissen und Gier. Allerorten geht man ans Äußerste, man verspricht zu viel und man verspricht wider besseres Wissen. Man steht unter Druck und will nicht blöd dastehen. Vor allem in den öffentlichen Haushalten. Heute genauso wie damals. Damals erst recht. Ende der 1990er, Anfang der Nuller Jahre, wurde müde belächelt und für einen Hinterwäldler gehalten, wer ein Projekt nicht mit einem Fremdwährungskredit finanzierte, wer Tilgungsträger scheute und wer sich nicht auf die immer neuen Produkte, mit denen der Finanzmarkt wundersame Aussichten versprach, einließ.

Die Zeit war verlockend. Mit einem Mal schien so vieles möglich und so relativ leicht wie schnell erreichbar. Paradiesische Zustände für allzu viele Politiker. Zumal solche, die sich schon damals in Nöten befanden und natürlich für solche, die sich zu profilieren suchten. Die Beamtenschaft, auch der Anwürfe, die ewigen Bremser zu sein, müde, richtete ihnen die Steigbügel - wie es scheint sehr oft für den Ritt ins Desaster.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Dezember 2012

Freitag, 7. Dezember 2012

Erfolgsmodell zum Nulltarif





Dass Österreich international irgendwo die Nase vorn hat, ist selten genug der Fall. Darum ist es erfreulich zu hören, dass unser kleines Land in Sachen gentechnikfreie Landwirtschaft und Produktion von Lebensmitteln ohne Einsatz von Gentechnik in Europa als Vorbild gilt.

Flächendeckend gentechnikfreie Milcherzeugung, Eier- und Geflügelproduktion und bald wohl auch Erzeugung von Schweinefleisch gibt es in keinem anderen europäischen Land.

Umso befremdlicher ist, dass es nicht gelingt, das auch entsprechend zu vermarkten, ja, dass nicht einmal der Versuch dazu unternommen wird. Während sich Politik und Handel als Vorreiter auf die Schultern klopfen lassen, bleiben vor allem die Bauern auf der Strecke. Den Landwirten wurde bei der Umstellung ihrer Betriebszweige zwar immer versprochen, dass ihnen die Mehrkosten für das teurere Futter und die zusätzlichen Kontrollen abgegolten werden. In der Realität erwiesen sich diese Versprechungen zumeist aber sehr schnell als Luftblasen. Und so müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass sie oft und zum guten Teil auf ihren Mehrkosten sitzen bleiben.

Wenn der Wunsch der Konsumenten nach gentechnikfrei erzeugten Lebensmitteln tatsächlich so groß ist und diese Produkte so besonders wertvoll sind, wie es allerorten heißt, dann ist nicht einzusehen, dass die gentechnikfrei erzeugten Waren nicht mit entsprechendem Nachdruck und entsprechenden Preisaufschlägen vermarktet werden. Das mag nicht immer leicht sein. Zu fordern ist es dennoch. Denn es kann nicht sein, dass eine der größten Profilierungsmöglichkeiten und damit Zukunftschancen der heimischen Landwirtschaft quasi zum Nulltarif verschleudert wird.

Salzburger Nachrichten - Kommentar Wirtschaft, 7. Dezember 2012

Österreich wurde zum Vorbild für Europa





Seit 15 Jahren werden gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel hierzulande gekennzeichnet. Nun sind europaweite Vorschriften das Ziel.

Wien (SN-gm). Markus Schörpf und Florian Faber, die beiden Köpfe der Arge Gentechnik-frei, können ihren Stolz kaum verbergen. „Österreich wurde in den vergangenen 15 Jahren in Sachen gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel vom spinnerten gallischen Dorf zum Vorbild für viele europäische Staaten.“ Erfahrung und Expertise der heimischen Fachleute sind nicht nur bei Hearings im Deutschen Bundestag, sondern auch in vielen anderen Ländern gefragt. „Wir könnten jede Woche irgendwo in Europa Vorträge halten“, sagte Faber am Donnerstag.

Österreich hat sich in den vergangenen Jahren in Europa als entschiedener Gegner des Einsatzes von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelerzeugung profiliert. Auf Österreichs Feldern ist der Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut tabu.

Ausgehend vom Anti-Gentechnik-Volksbegehren Mitte der 1990er-Jahre hat die Arge Gentechnik-frei zudem mit großer Beharrlichkeit in Österreich ein Kennzeichnungs- und Kontrollsystem für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel aufgebaut. Die Basis dafür bot der Biolandbau, bei dem gentechnisch verändertes Futter seit jeher verboten war.

Heute findet sich das markante grün-weiße Zeichen „gentechnikfrei erzeugt“ auf rund 1950 Produkten. Mit der Arge arbeiten nicht nur die großen Lebensmittel-Handelsketten, sondern auch zahlreiche Lebensmittelhersteller von den Molkereien über Eier- und Obst- und Futtermittelerzeuger, Mühlen bis hin zu den Fleischverarbeitern zusammen.

Nicht immer kamen diese Kooperationen freiwillig zustande. Wegen der Marktmacht der Handelsketten blieb der Milchwirtschaft, den Eierproduzenten und auch den Geflügelerzeugern nichts anderes übrig, als auf gentechnikfreie Produktion umzustellen. Dabei ging es hauptsächlich um den Ersatz von herkömmlichem durch gentechnisch nicht veränderten Sojaschrot in der Fütterung. Derzeit stellt man die Schweineproduktion um.

Nun will die Arge den nächsten Schritt machen. Europaweit sollten die Vorschriften und das Kontrollwesen für gentechnikfreie Produktion vereinheitlicht werden. „Das wird ein mühsamer Weg werden“, sagte der dafür zuständige Gesundheitsminister Alois Stöger.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Dezember 2012

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Krise? Ist da was?





"Eine Schuldenwand kommt auf uns zu“, warnte dieser Tage der Chefökonom der Weltbank. Die Kreditwürdigkeit Frankreichs wurde herabgestuft. Der Euroschutzschirm ESM gleich dazu. In Griechenlands, Spaniens, Italiens und Frankreichs Gebälken kracht es wie eh und je. In der Eurozone gibt es einen neuen Arbeitslosenrekord und in Österreich kehrt die Kurzarbeit zurück.

Vor zwei, drei Jahren wäre jede dieser Meldungen für aufgeregte Schlagzeilen, für besorgte Statements von Politikern und Wissenschaftlern, für Kursausschläge an den Börsen und für Panikattacken bei den Sparern gut gewesen.

Jetzt gibt es kaum mehr etwas davon. Obwohl Inhalt und Dramatik der ständig neuen Botschaften nichts an Brisanz und Gewicht verloren haben und die Häufigkeit, mit der sie auf alle niederprasseln, um nichts geringer geworden ist. Keine aufgeregten Schlagzeilen mehr. Die warnenden Statements der Wissenschaftler haben sich in Endlos-Wiederholungsschleifen verloren. Selbst die Börsen scheinen die Krise zu ignorieren. In Amerika sowieso, aber auch in Europa. In Deutschland gibt es schon erste Spekulationen darüber, dass der DAX im kommenden Jahr sein Allzeit-Hoch überspringen könnte.

Krise? Ist da was? Allerorten scheint man sich an die Krise gewöhnt zu haben. Man hat gelernt, damit zu leben. Man bemüht sich, keine Panik aufkommen zu lassen. Im Gegenteil. Die Tendenz sie zu ignorieren wächst. Und damit auch die Tendenz sie zu leugnen.

Das kann gefährlich werden. Denn, sosehr man sich an die immer neuen negativen Meldungen von der Schuldenfront und vom Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gewöhnt hat, man sollte die Zeichen an der Wand nicht übersehen. Wir stecken mitten in der Krise. Immer noch und mehr denn je. Und die Fortschritte, sie in den Griff zu kriegen, sind marginal.

Auf leisen Sohlen, aber mit immer größerem Druck, erreicht die Misere die öffentlichen Budgets und beginnt die politischen Handlungsmöglichkeiten zu beschränken. Immer öfter heißt es aus Verwaltung und Politik "kein Geld mehr da“, immer öfter "das können wir uns nicht mehr leisten“.

Und es wird noch öfter werden. Immer deutlicher wird, dass die vielen Nullen echt sind, die man in den vergangenen Jahren hinter immer größere Zahlen schrieb, um Euro, Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland, ja die Europäische Union, zu retten und Politiker- und Bankernerven und Wählervolk zu beruhigen. Immer deutlicher wird, dass es ums - echte - Geld und ins - echte - Geld geht.

Die Krisenländer, Europas Wirtschaft und der Euro sind noch lange nicht aus dem Wasser. Umso besorgniserregender ist es, wie sich Österreich für das Wahljahr 2013 aufstellt. Bürgerinnen und Bürger und die Gruppen, die vorgeben, deren Interessen zu vertreten, formulieren ihre Forderungen und Wünsche, als gäbe es kein Morgen. Politiker jedweder Couleur zeigen sich freudig bereit, das alles zu bedienen. Die Diskussionen rund um die Erhöhung des Pendlerpauschales zeigten, wie gering die Lernbereitschaft und der Lernfortschritt ist. Sie sind nur ein Beispiel für das, was noch kommt. Eine Erhöhung des Kinderfreibetrages wird schon als Wahlzuckerl in Stellung gebracht und ein Ausbau der Familienbeihilfe und noch vielerlei anderes auch.

Krise? Macht nichts! Man denkt offenbar nicht dran, die Politik nicht als Wunschkonzert zu begreifen. Da formuliert man allemal lieber immer neue Begehrlichkeiten, kosten sie, was sie wollen. Bei manchen, die da jetzt wieder angesichts anstehender Wahlen forsch zu fordern beginnen, lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, sie wollten uns zu Griechen machen. Paradoxerweise sind das allzu oft genau die, die sich so gerne über die Griechen alterieren. Aber so ist Österreich wohl.

Das Bewusstsein, mitten in einer Krise zu stehen, ist hierzulande eher gering ausgeprägt, das Verständnis dafür, zu ihrer Überwindung etwas beizutragen, auch. Und noch geringer ist die Bereitschaft, dafür gar Verantwortung zu tragen. Dabei wäre die durchaus angebracht. Trotz Sparbudget werden die Staatsschulden die Rekordmarke von 75,4 Prozent des BIP übertreffen. Dabei sind da Vorsorgefälle wie die Flops der Kärntner Hypo und der Kommunalkredit und auch Griechenland noch gar nicht berücksichtigt.

Aber an das hat man sich ja gewöhnt. Schuldenwand hin, Ratings, Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt her.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Dezember 2012

Dienstag, 4. Dezember 2012

Millionen statt ein paar Cent





In etwas mehr als zwei Jahren gibt es in Europa den freien Milchmarkt. Längst laufen in der Milchwirtschaft die Vorbereitungen auf den Tag X. In den großen Ländern wie Deutschland, Holland oder Frankreich entstehen durch Zusammenschlüsse fast im Wochentakt neue Unternehmen. Viele davon werden ein mehrfaches der gesamten österreichischen Milchmenge verarbeiten.

Österreichs im Vergleich dazu kleine Molkereien wollen sich mit Qualitätsproduktion und veredelten Produkten, vor allem in Form von Käse, auf dem Markt behaupten. Möglichst geringe Produktionskosten und eine möglichst hohe Wertschöpfung werden dabei besonders wichtig sein. Darum investieren sie jetzt Millionen in ihre Verarbeitung.

Viele Bauern sehen das skeptisch. Sie hätten lieber einen besseren Milchpreis. Das ist so verständlich wie kurzsichtig. Denn von einer Molkerei, die gegen die internationale Konkurrenz machtlos ist, haben sie möglicherweise schon in ein paar Jahren nichts, weil sie vom Markt gefegt wird.

Kommentar Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Dezember 2012

Molkereien im Investitionsrausch





Die heimischen Molkereien wappnen sich mit neuen Anlagen und Produkten gegen die wachsende Konkurrenz.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Der Chef der Gmundner Molkerei, Michael Waidacher, ist zufrieden. „Auf unserer Baustelle liegen wir eine knappe Woche vor dem Zeitplan“, erklärt er stolz. Im April 2013 sollen der neue Käsefertiger, die neue Käseverpackung, die H-Milch-Abfüllung und das Lager fertig sein. Knapp 25 Mill. Euro hat der oberösterreichische Milchverarbeiter, die Nummer drei unter den heimischen Herstellern, dafür budgetiert.

So wie die Gmundner Molkerei arbeiten derzeit viele heimische Milchverarbeiter an Projekten, um nach Auslaufen der Milchquoten im Jahr 2015 für den freien Markt gerüstet zu sein. Sie gehen davon aus, dass sie in Zukunft mehr Milch zu vermarkten haben werden und die Konkurrenz steigt. „Wir wollen stärker in die Produktveredelung, etwa die Käseproduktion, kommen und damit die Wertschöpfung erhöhen“, sagt Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch. Als Branchengrößte vermarktet sie 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr, knapp die Hälfte der heimischen Milch.

In den vergangenen Jahren hat die Berglandmilch die Landfrisch-Molkerei, die Tirolmilch und die Stainzer Molkerei übernommen. Jetzt will sie in eine zentrale Verpackung in Geinberg und in die Käseproduktionen in Wörgl und Feldkirchen einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. In Salzburg nimmt die Alpenmilch, die erst vor zwei Jahren den 25 Mill. Euro teuren neuen Milchhof in der Stadt Salzburg eröffnet hat, 45 Mill. Euro für den neuen Käsehof in Lamprechtshausen in die Hand. Die Obersteirische Molkerei investiert in ein neues Lager, die Kärntnermilch will die Käseproduktion erhöhen und auch in der Pinzgauer Molkerei denkt man an eine Ausweitung der Kapazitäten.

Beobachter sind skeptisch. „Mit den derzeitigen wirtschaftlichen Ergebnissen geht sich das nicht aus“, sagt ein Kenner der Szene. „Da brauchen die Molkereien schon bessere Erträge.“

Die sollen, so das Kalkül, die Investitionen bringen, denn Molkereien haben wenig Alternativen. In ganz Europa rüsten derzeit die Milchverarbeiter auf. „Arla, Friesland, Campina und Lactalis kaufen alles zusammen“, sagt Braunshofer. Es entstehen immer größere Unternehmen, gegen die sich selbst Berglandmilch als Zwerg ausnimmt.

Der europäische Markt ist ausgereizt. Zudem machen die EU-Krisenländer – für die heimischen Molkereien wichtige Exportziele – zunehmend Sorgen. Drittlandsmärkte in Osteuropa und Fernost, aber auch in Nordamerika werden interessant. Berglandmilch will in den USA und in Russland die Käsemärkte stärker bearbeiten. Gmundnermilch ist seit Kurzem in China. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, sagt Waidacher, der in Schanghai eine Handelskette beliefert, die auf europäische Lebensmittel spezialisiert ist.

Der Druck, unter dem die Molkereien stehen, bedeutet auch für die Milchbauern Umstellungen. Um Kosten zu sparen und den Fuhrpark besser auszunutzen, gibt es bei Verarbeitern wie Berglandmilch inzwischen auch abends Milchsammeltouren. Gearbeitet wird ebenfalls an neuen Liefermodellen, die für die Zeit nach Ende der Quote den Molkereien die Milch und den Bauern die Abnahme sichern sollen.

Auch wenn sich der Markt zuletzt erholt hat und die Bauern wieder mehr verdienen, bleibt der Milchmarkt schwierig. „Man sollte sich keine übertriebenen Hoffnungen machen“, sagt Michael Wöckinger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Dezember 2012

Samstag, 1. Dezember 2012

Die Gräben werden tiefer





Die Bauern hierzulande sind meist astreine Neurotiker, wenn es um ihre Einkommen geht. Die sind ihrer Ansicht nach grundsätzlich schlecht, von ihnen Steuern zu wollen wird daher als die reinste Zumutung empfunden. Die Landwirtschaft fuhr damit seit Jahrzehnten gut. Angesichts der Dramatik, mit der das gerne transportiert wird, zeigte man sich immer geneigt, den Bauern zu glauben, und ließ von allzu krassen Forderungen ab.

Jetzt scheint es gelungen zu sein, dieses steuerschonende System wieder für eine Weile zu retten. Die politische Konstellation rund um die Einstellung des Korruptions-Untersuchungsausschusses ermöglichte das. Und wohl auch, dass sich mit den Feinheiten des Systems Landwirtschaft niemand mehr auskennt außer die Landwirtschaft selbst. Und da kann man sich manches richten.

In den Augen der Agrarpolitik und vieler Bauern ist es daher wohl unstatthaft, die Einigung auf die neuen Einheitswerte samt Neugestaltung der Bauern-Besteuerung nicht nur zu loben. Es sei trotzdem getan. Zu diskutieren ist vor allem, ob die Lösung ein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit -mehr Steuergerechtigkeit in diesem Fall -innerhalb der Bauernschaft ist.

Das wohl nicht. Denn da ist eher noch mehr aus dem Lot gekommen, als dies ohnehin schon der Fall war. Die tatsächlichen Einkommensverhältnisse, so viel steht fest, spiegeln auch die neuen Regeln nicht. Kein Wunder, ging es bei der Neugestaltung ganz offensichtlich nicht um Gerechtigkeit, sondern vor allem darum, Privilegien zu retten.

Das jedenfalls gelang. Allem Anschein nach gibt es weiterhin Konstellationen, in denen die Bauern steuerlich mit Glacéhandschuhen angefasst werden, während bei anderen zugegriffen wird.

Dass die Stimmung in der Bauernschaft seit Wochen immer gereizter wird, nimmt da nicht wunder. "Die Gräben werden tiefer", konstatieren Kenner der Szene. In der Tat ist die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Betrieben mit ähnlichen Einheitswerten, aber unterschiedlichen Produktionszweigen mitunter eklatant.

Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten. Es ist für viele schwer zu verstehen, dass selbst Betriebe, die im Jahr 2000 Mastschweine verkaufen, ihre Einkommensteuer auf Basis des Einheitswertes berechnen können. Man ärgert sich darüber, dass die Umrechnungsschlüssel bei Schafen, Hühnern oder Ziegen deutlich schlechter sind als bei Schweinen oder Rindern. Man staunt, wie Obsterzeuger steuerlich hofiert werden, und reibt sich die Augen, wie im Gemüsebau mit zugegebenermaßen sehr viel Arbeit sehr viel Geld gemacht werden kann, ohne dass davon viel an Steuern zu zahlen wäre.

Dass das vor allem jene Bauern nicht verstehen, die diese Möglichkeit nicht haben, ist so verständlich wie nachvollziehbar. Die einen ärgern sich, weil sie Steuern zahlen, wie jeder andere Staatsbürger auch, die anderen ärgern sich, weil sie sich gegenüber anderen Produzentengruppen schlechtergestellt fühlen.

Weil da viel weniger passt, als man glauben machen möchte, sind auch die, die die Einigung so gerne als Sieg im Ringen mit den zuweilen als "Bauernfresser" empfundenen Koalitionspartner sehen würden, bisher damit nicht wirklich glücklich geworden.

Denn es ist offenbar ein falsches Signal für die heimische Landwirtschaft, die bisher so sehr vom Zusammenhalt aller lebte. Zumal in Zeiten, in denen noch einige Weichenstellungen anstehen, bei denen Gerechtigkeit zwischen Produktionszweigen und Regionen eine große Rolle spielt. Das Klima, in dem das geschehen muss, wurde damit jedenfalls nicht besser.

Gmeiner meint Blick ins Land 12/12, 1. Dezember 2012

Berlakovich schmiedet Allianzen





Trotz absehbarer Kürzungen im EU-Budget versuchen die Agrarier, Ruhe zu bewahren, und schmieden Allianzen.

HANS GMEINER Brüssel (SN). Auch wenn der Gipfel in der Vorwoche gescheitert ist: Dass im EU-Budget in Zukunft weniger Mittel für die Landwirtschaft vorgesehen sind, scheint ausgemachte Sache zu sein. Die Agrarier versuchen dennoch, Ruhe zu bewahren. Mitunter fällt das aber sogar beherrschten Menschen wie Georg Häusler schwer, der Tiroler ist Kabinettschef von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. „Was die geplanten Kürzungen in der Ländlichen Entwicklung anlangt, sind wir mehr als unglücklich“, sagt Häusler. Diese zweite Säule der Agrarpolitik sei bisher von allen Seiten als modernes Instrument gelobt worden, das den zielsicheren Einsatz von Steuergeldern ermögliche. „Und wenn es dann ums Geld geht, ist das der Steinbruch“, kann er seinen Ärger doch nicht verbergen.

Während die Direktzahlungen um weniger als fünf Prozent gesenkt werden sollen, sollen die Mittel für die Ländliche Entwicklung aus den Sonderprogrammen gegenüber der derzeitigen Budgetperiode um 30 Prozent zurückgefahren werden. In Österreich werden aus diesem Topf die Umweltprogramme, die Biobauernförderung und die Ausgleichszahlungen für die Bergbauern gezahlt.

„Viele Programme brauchen eine kritische Masse, um weitergeführt werden zu können“, sagt Häusler. Was das im Klartext heißt, formuliert Österreichs Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich so: „Ohne Geld ka Musi.“ Fielen die Kürzungen zu groß aus, sei die Reform insgesamt gefährdet. „Dann ist die Ökologisierung so nicht aufrechtzuerhalten.“ Berlakovich versucht nun, für die Ländliche Entwicklung Allianzen zu schmieden. Beim EU-Agrarministerrat in der abgelaufenen Woche konnte er zehn Länder auf ein gemeinsames Forderungspapier einschwören.

Anders als die finanzielle Ausstattung ist die inhaltliche Konzeption der Agrarreform weitgehend unter Dach und Fach. Die offenen Details haben es in sich. Vor allem die von Ciolos geplanten „ökologischen Vorrangflächen“ sind für die Bauern ein rotes Tuch. Die sieben Prozent der Fläche, die der Agrarkommissar dafür vorsieht, werden als Flächenstilllegung empfunden. Dass noch viele Diskussionen nötig sind, was man auf diesen Flächen machen darf und was nicht, gibt auch Häusler zu. Zum Knackpunkt kann auch die Zusammenführung bereits praktizierter, aber freiwilliger Öko-Maßnahmen mit den für Direktzahlungen geforderten Umweltmaßnahmen („Greening“) werden.

Indes wächst der Zeitdruck. Im günstigsten Fall kann die Agrarreform für die Periode 2014–2020 im Mai kommenden Jahres verabschiedet werden. Ob dann noch genug Zeit bleibt, die nationalen Programme wie das Umweltprogramm und die Bergbauernförderung rechtzeitig aufzustellen, oder ob es wieder eine provisorische Lösung geben wird, ist indes ungewiss. „Die Chance, dass 2014 die neuen Programme kommen, ist noch da“, sagt Berlakovich.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 1. Dezember 2012

Donnerstag, 29. November 2012

"Morbus Strache" zerfrisst Österreichs Verhältnis zur Europäischen Union





Es war so ein Sager, wie ihn österreichische Politiker immer öfter schnell sagen. Sie stecke das Geld lieber in das Pendlerpauschale, als es nach Brüssel zu überweisen, sagte Finanzministerin Maria Fekter kürzlich im Parlament. Sie tat es wohl im Glauben und in der Absicht, dass so etwas gut kommt in Österreich. Die einzig richtige Antwort darauf kam ausgerechnet von Kanzler Werner Faymann. "Das ist Unsinn“, sagte kurz und bündig. Es ist ihm nur recht zu geben.

Längst hat "Morbus Strache“ weite Teile des Landes und jener, die in diesem Land Politik machen, erfasst. Das EU-Bashing, das H.C. Strache seit Jahren vormacht, versuchen ihm immer mehr nachzumachen. Es ist Mode geworden, zu versuchen mit Seitenhieben gegen Brüssel billige Punkte beim Wahlvolk zu machen. Brüssel wird vorzugsweise als Geld verschlingender, undurchsichtiger Moloch dargestellt, der Österreich und seinen braven Bewohnern nichts als an den Kragen will. Davon, wo unser Land von der Mitgliedschaft profitiert, ist indes praktisch nichts mehr zu hören. Das im Wirthaussaal bei der Parteiveranstaltung verschwitzte Hemd ist allerorten näher als das feine graue Anzugstuch des Rocks, den man in Brüssel gerne zur Schau trägt.

Ausgerechnet der Kanzler, lange wegen eines Briefes an Krone-Herausgeber Dichand als Europa-Feind gescholten, macht den Eindruck, derzeit der einzige Europäer in der Spitzenpolitik des Landes zu sein. Die Volkspartei, die sich so gerne und eitel als die Hüter der europäischen Idee in Österreich darstellte, schaut dagegen schlecht aus. Der Brüsseler Gipfel in der vergangenen Woche führte das drastisch vor Augen. Von der Vetoankündigung bis zu den kleinlichen Stellungnahmen von Politikern aus aller Richtungen der Partei.

Dass es vor diesem Hintergrund Europa schwer hat in Österreich, nimmt nicht Wunder. Und dass die EU selbst samt ihrer Währung seit Jahren in einer hartnäckigen Krise steckt, macht die Situation nicht einfacher. Dass das Verhältnis zur EU und dass die Union selbst strapaziert ist, steht außer Frage. Umso wichtiger wären klare Linien in Österreichs Europa-Politik, klare Bekenntnisse zu den Zielen der Union und eine klare Orientierung und Positionierung in zentralen Themen.

Von all dem ist freilich kaum etwas zu sehen. Das Verhältnis zwischen Österreich und der europäischen Idee erkaltet zusehends. Österreich kann sich weniger denn je klar für die EU und ihre Ziele entscheiden, während die Skepsis der Österreicherinnen und Österreicher wächst. Kein Wunder, erleben sie doch Österreichs Teilnahme an der gemeinsamen Europäischen Politik vor allem als halbherzig, schlitzohrig und zuweilen unehrlich.

Da ist es nur zu logisch, dass Österreich in Brüssel kaum von Gewicht ist. Vieles von dem, was hierzulande als großes Engagement, toller Kontakt oder Initiative für Europa hinausposaunt wird, wird in Brüssel nicht einmal wahrgenommen. Österreichs Europapolitik spielt sich längst in zwei völlig unterschiedlichen Polit-Welten ab, die sich immer weniger verstehen und deren Kommunikationsschwierigkeiten immer augenscheinlicher werden. Die Reserviertheit und das Erstaunen der österreichischen EU-Abgeordneten über die Vetodrohung des hiesigen Außenministers ist besorgniserregender Beleg dafür. Da die hemdsärmeligen Politiker in Österreich, die kaum über den Tellerrand sehen, dort die von der heimischen Politik nach Brüssel entsandten Vertreter Österreichs, die unvermindert für die Europa-Idee arbeiten.

In den vergangenen Tagen ist die Idee aufgetaucht, in Österreich für Politiker einen längeren Aufenthalt in Brüssel zur Pflicht zu machen. Dieser Vorschlag hat etwas. Ein Perspektivenwechsel täte vielen der Damen und Herren gut, die sich da Tag für Tag an Brüssel abputzen. Auch weil sie dann einen tieferen Einblick in die oft sehr komplexe Materie der europäischen Politik gewinnen würden. Denn derzeit, und das ist auch ein Grund für die Europa-Phobie, fehlt es allzuoft am Basiswissen.

Darum ist gerade von Spitzenpolitikern, zumal von solchen Parteien, die sich das blau-gelbe EU-Logo so gerne als Bekenntnis zu Europa an die Brust heften, Besinnung und Verantwortung gefragt. Der Handlungsbedarf ist groß, zumal es zur Europäischen Union keine Alternative gibt. Vor allem nicht für das kleine Österreich, das bisher von der Mitgliedschaft so stark profitierte, wie kaum ein anderes Land.

Meine Meinung, Raffeienzietung, 29. November 2012

Donnerstag, 22. November 2012

Österreichs ewige Schlagseite





Felix Baumgartner sorgte bei den einen für Nasenrümpfen. Es waren die Wenigeren. Bei den anderen, es waren die Mehreren, erntete er Zustimmung. Nicht immer offen, sondern zumeist hinter vorgehaltener Hand und eingebettet in allerlei Erklärungen dafür, dass und warum so eine kleine Diktatur Österreich und den Österreichern ganz gut täte.

Das erschreckt in diesem Land nicht wirklich. Hat es auch nie, passt es doch nur allzu gut zu Österreich und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern. Für den Ruf nach einer starken Hand hat man hierzulande immer schon eine Schwäche, zumindest solange es den eigenen Interessen dient.

Immer wenn‘s wo eng wird, oder wenn man mit einer Entwicklung nicht zu Rande kommt, wird der Ruf nach einem Durchgreifen der Obrigkeit laut. Die soll es auch gegen Widerstände und am besten ohne lange zu fragen richten. In so einer kleinen Diktatur geht ja alles schneller und ist alles einfacher.

Für manche der heimischen Politiker, zumal solche, die auf Stimmenzuwachs angewiesen sind, respektive solche, die vielleicht gar ums politische Überleben kämpfen, ist das durchaus verlockend. Der Ruf nach Einführung einer Obergrenze für die Mietzinsen in Wien geriet zum exemplarischen Beispiel dafür. Die Stadtchefin der Wiener Grünen, die sonst gar nicht genug kriegen können vom Abstimmen, brachte es zu Publizität und ihr hinterdrein die Arbeiterkammer samt schwesterlich verbundener Organisationen auch.

Noch besser, weil subtiler, können das freilich manche Bürgermeister und Landeshauptleute, die sich in ihrer Rolle als Ortskaiser und Landesfürsten zuweilen sehr gefallen. Der Grat zwischen dem, was als Führungsstärke geschätzt wird, und diktatorischen Anwandlungen ist dort mitunter sehr schmal.

Da kann man nur froh sein, dass die Demokratie hierzulande alles in allem und allen kleindiktatorischen Anwandlungen und Gelüsten zum Trotz doch noch funktioniert, zumal die Gelüste oft groß sind. Der Wunsch nach einer starken Hand wird oft laut in diesem Land. Wenn bei Lebensmitteln Preisanstiege drohen, bei den Treibstoffpreisen, beim Umgang mit Asylsuchenden sowieso und auch wenn‘s um die "Sozialschmarotzer“ geht.

Allerorten hat man dann wenig Scheu, Grundsätze, die sonst so stolz vor sich hergetragen werden, im Fall der Fälle mit Füßen zu treten. Anschaffen, drüberfahren - passt. Deckel drauf. Ist doch praktisch. Da gibt es klare Verhältnisse, da braucht es keine langwierigen Diskussionen. So mag man‘ s in Österreich, wenn‘s eng wird. Zumindest dann, wenn es gegen andere geht.

Wenn man freilich selbst unter die Räder kommt, ist alles ganz anders. Mit klein-diktatorischer Hand drüberfahren geht da freilich ganz und gar nicht. Da kommen die wunderlichsten Erklärungen und Argumente, warum dieses und jenes nicht machbar ist, dann wird schnell von einer "Sauerei“ geredet. Höhere Steuern vielleicht, eine Anhebung von Gebühren, ein Verbot dort, eine Vorschrift da. Da weiß man sehr schnell und sehr genau, was man nicht will und was man nicht braucht und wie es anders gemacht gehört und vor allem, warum das nicht geht. Im Handumdrehen fragt man "Was ist mit unseren Rechten, wo bleibt denn da die Mitbestimmung?“ und fordert "Mehr direkte Demokratie muss her“.

Das latente Verständnis für die kleine Diktatur hat freilich auch mit der schwachen und wenig vertrauenserweckenden Performance der Politik zu tun - und auch mit dem mangelnden Selbstbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher. Selbstbewusst sind die meisten allenfalls in ihren vier Wänden. Den Mund aufmachen? Nur, wenn man sich gut geschützt weiß in einer Gruppe. Ansonsten traut man sich nicht. Reden nicht, handeln nicht und Verantwortung übernehmen schon gar nicht. Das sollen die anderen tun. Das fügt sich gut, zumal sich viele ohnehin als arme Wesen verstehen, denen die Welt nur Ungemach will.

Jetzt gibt‘s im Parlament sogar eine Partei, die dieses so österreichische Prinzip internalisiert hat. Im Team Stronach gibt es einen Chef, der die Regeln macht, weil er das Gold hat, wie er gerne sagt. Und damit ist gleich alles klar. Der schafft an, hinter dem kann man sich verstecken, in dieser Partei können Fragen erst gar nicht aufkommen und Diskussionen kann man sich sparen. Kleine Diktatur eben. "Bei uns gibt Frank die Linie vor“, heißt es dort.

Passt gut zu Österreich und seiner Schlagseite.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 22. November 2012

Samstag, 17. November 2012

„Die EU will nur bei den Bauern sparen“





Landwirtschaftminister Niki Berlakovich wehrt sich dagegen, dass die EU den österreichischen Bauern 20 bis 30 Prozent der Gelder kürzen will.

HANS GMEINER

Künftig will die EU für die Landwirtschaft deutlich weniger Geld ausgeben als bisher. Der Vorschlag, den EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Woche vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorlegte, bedeutet, dass die Mittel für österreichische Bauern um 20 bis 30 Prozent gekürzt werden. „Inakzeptabel“ nennt Landwirtschaftminister Niki Berlakovich das im SN-Interview. Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, ist doch Van Rompuys Vorschlag, den EU-Haushalt um 75 Mrd. Euro zu kürzen, ein Kompromissangebot an die EU-Nettozahler, zu denen auch Österreich gehört. Die fordern sogar eine Kürzung des EU-Haushalts für 2014 bis 2020 um 100 Mrd. Euro.

Müssen die Bauern jetzt schwarzsehen?

Berlakovich: Die Regierungsspitze mit Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger stellte sich ungeachtet der Position der Nettozahler hinter die Forderungen der Landwirtschaft. Es ist sichergestellt, dass für den Bundeskanzler die Sicherung der Mittel für den Bereich Ländliche Entwicklung in den Verhandlungen, die ja er führt, Priorität hat.

Wird Österreich an den ursprünglichen Forderungen festhalten?

Berlakovich: Wir halten daran fest. Wir haben die Summe von 3,8 Milliarden für die Ländliche Entwicklung über die gesamte Periode 2014–2020 als Ziel mit der Regierungsspitze sichergestellt. Das sind ohnehin bereits um rund zehn Prozent weniger als bisher. Wir gehen seit dem EU Beitritt in der Landwirtschaft einen ökologischen Weg. Diesen Weg wollen wir weitergehen, für den werden wir in ganz Europa von Barroso abwärts gelobt und wir gelten als Vorbild. Schon von da her verstehen wir nicht, dass wir durch Kürzungen bestraft werden sollen.

Es gibt aber Widerstände. Auch in den eigenen Reihen. So wird etwa Vizekanzler Spindelegger für seine Ankündigung bei Weitergehenden Kürzungen der Agrargelder, gegen das EU-Budget sein Veto einzulegen, kritisiert.

Berlakovich: Die Vetoankündigung von Spindelegger halte ich für richtig. Wir sind seit dem EU-Beitritt Nettozahler und haben das Recht, wie die Franzosen und die Briten, die sehr viel in die EU einzahlen, auch unsere Interessen einzufordern. Und das sind in unserem Fall die Mittel für die Ländliche Entwicklung und der Rabatt.

Warum ist das Geld für die Ländliche Entwicklung so wichtig?

Berlakovich: Die Ländliche Entwicklung ist das Herzstück unserer Agrarpolitik. Das sind die Mittel für Umwelt- und Bioprogramme und die Bergbauernförderung. Zudem werden Projekte in nicht bäuerlichen Bereichen gefördert. Eine Wifo-Studie zeigt die positiven Effekte, wie die Absicherung von Tausenden Arbeitsplätzen.

Es gibt aber Kritik, dass von diesen Mitteln die Landwirtschaft viel zu stark profitiere. Organisationen wie die Arbeiterkammer wollen eine Neuverteilung.

Berlakovich: Von den mehr als vier Milliarden Euro in der derzeitigen Periode gingen mehr als 20 Prozent in den nicht bäuerlichen Bereich – in den Naturschutz, in die Dorferneuerung, in die Förderung des Fremdenverkehrs und des Gewerbes.

In der Öffentlichkeit haben die Bauern das Image, es ginge ihnen nur ums Geld.
Berlakovich: Wir wehren uns jetzt so, weil der Agrarbereich der einzige Sektor ist, bei dem die Mittel gekürzt werden sollen. Wir zeigten uns bereit, die ursprünglich geplante Kürzung als Beitrag zum gemeinsamen Europa zu leisten, aber weitere Kürzungen, wie jetzt offensichtlich geplant, lehnen wir ab. Wir verstehen nicht, dass etwa die EU-Verwaltung nicht sparen muss und mehr bekommen soll.

Aber die Preise für Agrarprodukte sind hoch, in den vergangenen zwei Jahren gab es kräftige Einkommenszuwächse. Was spricht da gegen Kürzungen?

Berlakovich: Dem ist entgegenzuhalten, dass die Schwankungen bei den Agrarpreisen sehr hoch sind. Oft geht es in zweistelligen Prozentsätzen runter, dann wieder rauf. Im Vorjahr etwa hat alles gepasst, heuer ist alles wieder ganz anders – mit Frostschäden, Überschwemmungen und Dürre. Daher kämpfe ich für ein ausreichend dotiertes EU-Prämiensystem, weil das den Bauern eine Basisabsicherung verschafft.

Womit müssen die Bauern rechnen?

Berlakovich: Realistischerweise mit weniger Geld. Man muss aber auch Ruhe bewahren, weil sich jetzt die entscheidende Phase noch Monate hinziehen kann. Es wird jedenfalls ein harter Kampf.

Wo ist für Sie die Schmerzgrenze?

Berlakovich: Jedes Prozent tut weh. Agrarkommissar Ciolos hat mit dem Argument, die EU-Landwirtschaft ökologisieren zu wollen, ursprünglich Budgetmittel erhalten. Wenn Kürzungen in dem Maß kommen, wie sie jetzt diskutiert werden, ist dieses Konzept nicht mehr zu halten. Dann muss die Agrarreform völlig neu aufgestellt werden.

Donnerstag, 15. November 2012

Hausgemachter Leidensdruck


 


Man weiß es. Frau und Herr Österreicher fühlen sich gerne zu kurz gekommen, ungerecht behandelt und ungerechtfertigt ausgesackelt. Vom Staat, von den Handelskonzernen, von den Ölfirmen, von den Banken, von wem auch immer. Was alteriert man sich nicht darüber an den Stamm- und Küchentischen dieses Landes. Der Leidensbedarf ist hoch zwischen Neusiedlersee und Bodensee.

Dabei ist so vieles hausgemacht. Ohne Not und ohne Verantwortung und im wahrsten Sinn des Wortes. Erst jüngst ließ das Finanzministerium, vielerorts als Hort der Gier und der Abzocke gescholten, vernehmen, dass Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro an staatlichen Hilfen einfach nicht abgeholt werden. Nicht abgeholt von vielen derer, die sonst nicht müde werden, über die hohe Steuerlast und den räuberischen Staat zu jammern und nicht abgeholt, von vielen derer, für die all das gemacht wurde, weil die sonst angeblich nicht über die Runden kämen.

Rund 100 Millionen lässt man jährlich einfach liegen, weil man es etwa nicht der Mühe wert findet, das Formular für die Arbeitnehmerveranlagung, den Jahresausgleich, auszufüllen. 130 Millionen bleiben dem Finanzministerium übrig, weil die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten für die Kinderbetreuung nicht genutzt wird, und 100 Millionen, weil der Kinderfreibetrag nicht geltend wird. Im Sozialministerium wundert man sich darüber, dass nur 193.000 Menschen jährlich die Mindestsicherung, die frühere Sozialhilfe, in Anspruch nehmen. Und im Wissenschaftsministerium darüber, dass viele Studenten, die sich sonst so gerne über das Ansinnen Studiengebühren einzuführen, alterieren, einen Gutteil der staatlichen Förderungen liegen lassen und darauf verzichten, Studienbeihilfe zu beantragen.

Beispiele wie diese gibt es viele in diesem Land, in dem sich, diesem Eindruck kann man sich allzu oft nicht entziehen, so viele Menschen vor allem übers Jammern und über das, was sie nicht bekommen, definieren.

Für all das, das sei gar nicht angezweifelt, mag es Gründe geben. Zumindest da und dort. So ist etwa bekannt, dass insbesondere in ländlichen Regionen Menschen eine Scheu haben, zum Gemeindeamt zu gehen und um Sozialhilfe zu bitten. Dass man darauf einen Anspruch hat, tut dabei wenig zur Sache. Die Scham ist oft größer. Oder man weiß, dass die geringe Nutzung des Kinderfreibetrags damit zusammenhängt, dass das letzte Kindergartenjahr großteils gratis ist und somit nicht steuerlich geltend gemacht werden kann.

Die Fragen, die diese Zahlen aus dem Finanzministerium und dieses Verhalten vieler Österreicherinnen und Österreicher aufwerfen, sind dennoch diskussionswürdig. Zum einen ist die Treffsicherheit all dieser Maßnahmen zu hinterfragen, die die Politik oft in falscher Einschätzung der Realitäten durchsetzt. Zum anderen geht es dabei aber auch um nichts anderes als um den sorgsamen Umgang mit Ressourcen.

In den geschilderten Fällen ist es die Ressource Geld, die allerorten knapp zu werden droht, zumal angesichts der Finanzprobleme der EU, die längst tief in die nationalen Budgets und mithin auch in den Haushalt der Republik Österreich hinein strahlt.

Da gilt es ganz offensichtlich den Blick zu schärfen und nicht populistischem Geheul den Weg frei zu machen. Was etwa hätte man mit dem Geld, das da im Vorjahr nicht abgeholt wurde, nicht alles machen können, ist zu fragen - Initiativen in Wirtschaft und Bildung, Steuersenkungen vielleicht sogar oder Hilfe für Menschen, für die nichts vorgesehen ist. An Möglichkeiten fehlt es nicht.

Das gleiche Muster findet sich beim omnipräsenten Klagen über hohe Lebensmittelpreise. Dass hierzulande rund ein Drittel der Lebensmittel im Müll landet, weggeworfen oft just von jenen, die besonders über die Preise jammern, ist ein Thema, das sich in der Öffentlichkeit schwer tut. Über ein paar Cent mehr beim Milch- und Brotpreis einen Wirbel zu machen, ist da allemal leichter.

Nicht anders verhält es sich mit den Klagen über hohe Treibstoff-und Energiepreise. Sie füllen die Gazetten und regen die Leute auf - und nicht, dass daheim die Lichter brennen, als gäbe es kein morgen und selbst kleinste Wege lieber mit dem Auto als zu Fuß zurückgelegt werden.

Doch statt sich Fragen und Themen wie diesen zu stellen und sich in den Spiegel zu schauen, verbraucht man sich lieber am Gewohnten. Am Jammern, am Fordern. Man will sich doch die Lust am Leiden nicht madig machen lassen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. November 2012

Donnerstag, 8. November 2012

Mehr Ehre für die Lehre





Das Land braucht Fachkräfte, schallt es aus jeder Ecke. Überall sind Leute gefragt und gesucht, die sich auskennen und etwas können. Immer lauter klagen die Betriebe über den Mangel an qualifiziertem Personal. Gute Leute zu finden, gleicht in manchen Branchen längst der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Auch der Lehrlingsmangel macht zunehmend Sorgen. Während sich die Universitäten kaum des Ansturms junger Leute erwehren können, tun sich Betriebe in vielen Branchen immer schwerer, Nachwuchs zu finden und damit ihre Zukunft zu sichern. Alle Bekenntnisse zur Lehre und alle Bemühungen sie attraktiver zu machen und damit den Nachschub zu sichern, erweisen sich zumeist als eines - als Papiertiger.

Da ist einiges in Schieflage geraten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, was sich nun zu rächen beginnt. In den Köpfen von Eltern, in den Köpfen von Jugendlichen, in den Köpfen von Bildungs-und Ausbildungsverantwortlichen. Studieren gilt etwas in diesem Land, Lehre, Handwerk und nichtakademischen Berufen hingegen kommt oft bei weitem nicht jene Beachtung zu, die sie verdienen. Schon gar, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht. Man macht sich ja die Hände nicht schmutzig.

Wer eine Lehre beginnt, hat es in diesem Land nicht immer leicht. Allen Beteuerungen zum Trotz kann das Image der meisten Lehrberufe nicht mit dem Studium an einer Universität mithalten. Die Lehre gilt vielen hierzulande als Sackgasse, AHS und Studium hingegen gelten als Einbahn zum Erfolg. Unverdrossen.

Warum das so ist, ist freilich die Frage. Denn viele hoffnungsvoll beginnende akademische Karrieren stranden oft sehr rasch im abgeschiedenen Kämmerlein mit wenig anspruchsvollen Aufgaben, schlechter Bezahlung und miserablen Aussichten.

Ein ordentlicher Lehrabschluss mit entsprechenden Weiterbildungen ist da angesichts der Aussichten auf dem Arbeitsmarkt durchaus eine sinnvolle Alternative. Selbst Siemens-Chefin Brigitte Ederer rät den Jungen zu Mut und zu Lehrberufen. "Werdet Installateur“, sagt sie gerne Leuten, die sie um Rat fragen.

Freilich, leicht ist es nicht diesem Rat zu folgen. Man muss angesichts der österreichischen Wirklichkeit schon einiges mögen, um einen Lehrberuf zu ergreifen. Dinge, wie die Aussicht auf eine relativ schlechte Bezahlung, oft schwierige und unangenehme Arbeitsbedingungen oder schwere körperliche Arbeit über Jahrzehnte sind durchaus nicht jederfrau und jedermanns Sache. Mit 60 auf dem Baugerüst bei Wind und Wetter herumzuklettern, auch wenn man längst Polier ist. Mit 58 als Installateur unter der Abwasch liegen, um zwei Rohre zusammenzuklemmen. Oder mit 55 als Mechanikergeselle mit ölverschmierten Händen Autos zu reparieren.

Der Mangel an Fachkräften hat aber nicht nur mit Image, Arbeitsbelastung und Bezahlung zu tun. Er hat auch mit dem Korsett zu tun, das Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden wollen, in den vergangenen Jahren umgelegt wurde.

Angesichts der oft allzu gut gemeinten und damit überzogenen Auflagen und Verpflichtungen ist durchaus nachvollziehbar, dass vor allem kleine Unternehmen sich aus der Lehrlingsausbildung völlig zurückziehen. Lehrlinge unterm Glassturz sind für sie bei allem guten Willen oft mehr Last als Hilfe. Sie können sich das schlicht nicht leisten. Und: Wer will sich schon von den Haarspaltern aus Gewerkschaft oder Arbeitsmarktaufsicht ständig wegen jeder Kleinigkeit auf die Finger klopfen und als übelmeinender Bösewicht hinstellen lassen?

Es täte gut, den Wert einer akademischen Ausbildung und den Wert einer Lehre öfter zu vergleichen und sich nicht auf Vorurteile zu verlassen. Die Ergebnisse würden zuweilen überraschen. Sehr oft zugunsten der Lehre. Denn was Können, Wissen und Know-how betrifft, sind Lehrberufe oft völlig unterschätzt. Und das völlig zu Unrecht. Angesichts der Anforderungsprofile, die an manchen Akademiker gestellt werden, ist zu fragen, warum etwa Lehrberufe durch die Bank schlechter bezahlt sind, zumal dann, wenn man dort oft mehr können muss und mehr gefordert ist als in Berufen, die akademische Ausbildung verlangen.

Lehre verdient mehr Anerkennung. So lange es die aber nur auf dem Papier gibt, wird sich wohl am Fachkräftemangel in Österreich nur schwer etwas ändern.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 8. November 2012

Freitag, 2. November 2012

Geruch der Bauerntäuscherei hängt in der Luft





Die ersten großen Hürden auf dem Weg der heimischen Landwirtschaft in die Zukunft sind überwunden. Ende August präsentierte der Landwirtschaftsminister ein Modell zur Angleichung der Förderungen innerhalb Österreichs. Seit drei Wochen liegt auch in der Einheitswertfrage und damit in der Neuordnung der Besteuerung der Bauern eine Lösung auf dem Tisch.

Allerorten lobt man sich in höchsten Tönen. Von Vorarlberg bis Salzburg heften sich die Landesräte und Kammerpräsidenten an die Brust, dass in Zukunft mehr EU-Geld in ihre Bundesländer fließt. Ihre Kollegen im Osten halten sich zugute, dass sie die Mittel für ihre jeweiligen Bundesländer ohne allzu große Abstriche sichern konnten. Und der Bauernbundpräsident lässt sich dafür feiern, dass er verhinderte, dass sich die SPÖ bei Einheitswerten und Besteuerung mit ihren Forderungen durchsetzte.

Alles paletti also? Aus der Vogelperspektive der Agrarpolitiker mag das so sein. Für viele Bauern ist das ganz sicher nicht so. Denn was auf Landesebene und in Gesamtzahlen oder vor dem Hintergrund von Forderungen anderer Parteien gut ausschauen mag, muss noch lange nicht gut für den einzelnen Landwirt sein. Denn da gibt es nicht nur Sieger, sondern auch sehr viele Verlierer.

Die Veränderungen, die kommen, sind für viele einzelne Landwirte heftig. Da geht es mitunter um eine Erhöhung der Belastungen oder eine Senkung der Förderungen im zweistelligen Bereich. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, wie die Agrarpolitik, die sonst mitunter jedes Zehntelprozent an Veränderung zum Drama und zur Existenzfrage erklärt, darüber hinwegzuturnen versucht.

"Das muss sein", ist alles was man denen sagt, die es erwischt - und man versteckt sich lieber tunlichst hinter Gesamtzahlen und verweist auf abgewehrte Forderungen anderer Parteien. Als ob sich die betroffenen Bauern davon etwas abbeißen könnten. Konkrete Informationen zu den möglichen Auswirkungen auf die einzelnen Betriebe sind indes bisher so spärlich, dass es an Bauerntäuscherei grenzt.

Wie lange das gut geht, ist offen. Bei den Schweine-und Milchbauern, die in die Steuerpflicht genommen werden, brodelt es bereits. Vor allem Ungleichheiten in der Bewertung der Tierbestände sorgen für Unmut. Viele Ackerbauern ärgern sich, dass es wieder nichts mit der seit Jahren versprochenen Besserstellung bei den Einheitswerten geworden ist, und sind erstaunt, mit welchem Gleichmut ihnen ein Viertel der Prämien und mehr einfach genommen wird. Viele fragen danach, wo die Gerechtigkeit bleibt, und viele fühlen sich ge- und enttäuscht. Allerorten brechen Spannungen innerhalb der Bauernschaft auf. Die einen freuen sich darüber, dass die Schweinebauern Steuern zahlen müssen, die anderen, dass die Ackerbauern gestutzt werden. Dass es dabei oft um sehr viel geht, ist ihnen genauso egal wie den Agrarpolitikern.

Angesichts der heftigen Veränderungen, die anstehen, ist die Lage in der Bauernschaft freilich relativ ruhig. Der Bauernbund scheint bis hinunter in die Bezirksorganisationen, die sich wohl aus Parteiräson und oft gegen ihre Interessen handzahm geben, alles im Griff zu haben. Bemerkenswert ist auch, wie ruhig all die Agrar-Robin-Hoods von der IG-Milch über die SP-Bauern, den Bauernverband bis hin zum Grünen-Evergreen Wolfgang Pirkelhuber sind.

Die Ruhe freilich könnte sich als trügerisch erweisen. Die Bauern vertragen viel. Aber alles, was nur den Geruch von Täuscherei hat, vertragen sie nicht. Gar nicht.

Gmeiner meint Blick ins Land - 2. November 2012

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Scharfmacher gehören an die Leine





Steuerreform, Budgetsanierung, Pensionsreform, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Schule, Bundesheer, Sozialversicherungen, Bundesstaatsreform, Frauen, Familie. Es gibt politische Themen, die begleiten einen in Österreich ein Leben lang. Gemeinsam haben sie, dass sie zu den großen Herausforderungen im Staatswesen zählen, zu großen Kostenfaktoren meist, zu Themen, die entscheidend sind für das Fortkommen des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger und wichtig für die wirtschaftliche Leistungskraft.

Gemeinsam haben diese Themen, deren Aufzählung alles andere als vollständig ist, auch, dass die Fortschritte, die gemacht werden, bescheiden und die Erfolge auf diesen Gebieten enden wollend sind. Einmal geht es hin, einmal her. Zumeist geht gar nichts.

Und das, obwohl diese Themen immer wieder auf der politischen Agenda stehen, obwohl dazu immer wieder dicke Programme und Konzepte geschrieben werden, sich allerhand gescheite Menschen zu Symposien treffen, und obwohl so viel versprochen wird.

Aber dann vertauschen sich mit einem Mal die politischen Positionen oder es steht wieder irgendeine Wahl vor der Tür, die alles blockiert, vor allem jede Vernunft in der Findung von Entscheidungen.

Jetzt gerät Österreichs Innenpolitik wieder in so eine Phase. In einem Jahr stehen schon die nächsten Nationalratswahlen an, und wenn man bisher sagen muss, dass nicht viel gegangen ist, dann kann man jetzt sicher sein, dass gar nichts mehr gehen wird. Stillstand steht an. Endgültiger Stillstand. Was uns bevorsteht, ist ein Jahr mit nichts anderem als Polit-Folklore, ein Jahr, in dem es sich nicht einmal lohnt auch nur ein Wort auf die politische Waage zu legen. Ein lähmendes Jahr, in dem nur eines sicher ist - das Land wird nicht vorankommen und die Probleme, die man seit Jahren zu lösen versucht, werden nicht kleiner werden.

Die Politik setzt den Stahlhelm auf, um ihre Klientel zu verteidigen, auf dass sie im kommenden Herbst die Partei bei den Wahlen unterstützt. Und sei‘s nur darum, dass man der politischen Konkurrenz respektive deren Wählerschaft ein paar Prügel vor die Füße wirft. Allerorten werden die Scharfmacher in Stellung gebracht. Die einen piesacken die "Reichen“, die Banken und die Bauern, die anderen die Eisenbahner und die Wiener Beamten. Da macht man die Schule zur ideologischen Bühne und dort die Familien. Da die Migranten, Flüchtlinge und Gastarbeiter und dort die Sozialhilfeempfänger und die Pensionisten. Hinter einem Schild, dass sie der Wählerschaft als Ideologie, respektive ideologische Festigkeit und Linientreue verkaufen, tun sie freilich nichts anderes, als das Klima in diesem Land zu vergiften.

Die Welt wird in Schwarz und Weiß geteilt, in Gut und Schlecht, in On und Off. So, als gäbe es dazwischen nichts. Dass sich aber genau dort, zwischen den Extrempositionen, das Leben abspielt, dass dort der Großteil der Bevölkerung mit seinen vielschichtigen Bedürfnissen lebt, wird von diesen Leuten, die sich so gerne als Rechthaber aufführen, nicht zur Kenntnis genommen. Da spielt man lieber Krieg. Koste es, was es wolle, und mache es kaputt, was es wolle. Selbst wenn es das gesellschaftliche Klima im Land ist.

Dass die Leute, respektive die Wählerinnen und Wähler, dieses Treiben längst satt haben, wird nicht zur Kenntnis genommen. Denn die wollen keine ideologische Show, sondern Arbeit sehen. Möglichst pragmatische Arbeit, bei der Ergebnisse herauskommen. Freilich wollen die Menschen in diesem Land von den Parteien Profil sehen und Kanten. Sie wollen aber kein Gezänk, sondern einen Ausgleich und pragmatische Lösungen.

Die ÖVP muss, um ein Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass heute Familien auch andere Bedürfnisse haben, als alles danach auszurichten, dass die Mutter möglichst lange daheim bleiben kann. Und die SPÖ muss, um ein anderes Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass es durchaus auch das Bedürfnis von Eltern gibt, die Kinder in Schulen unterzubringen, die deren Fähigkeiten besonders fördern.

Noch ist man nicht nur bei diesen Themen weit davon entfernt, auf einen Nenner zu kommen. So weit, dass sich die potenzielle Wählerschaft abwendet. Denn die hat oft andere Bedürfnisse als jene, die ihnen die als Ideologen daherkommenden Scharfmacher der Parteien, weismachen wollen. Und andere Bedürfnisse auch, als ein Leben lang von den immer gleichen ungelösten Themen begleitet zu werden.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 31. Oktober 2012

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Willkommen im politischen Nirgendwo





Österreichs Politik ist international nirgendwo. Und die, die in diesem Land diese Politik machen, sind es erst recht. Das verwundert nicht, wenn man das heimische Politikpersonal in TV-Diskussionsrunden, in den Zeitungen, über Presseaussendungen oder im Bierzelt verfolgt. Da ein paar lockere Auslassungen gegen den Euro, dort ein paar kräftige Worte gegen Brüssel, forsche Forderungen selbst in sensiblen und vielschichtigen Themenbereichen. Draufhauen ist allerorten die Devise, Hauptsache laut, Hauptsache deftig, Hauptsache untergriffig

Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, sie können gar nichts anderes, ist der Eindruck, den sie dem Beobachter oft nahelegen. Das Niveau, auf dem hierzulande Politik betrieben wird und das Niveau, mit dem hierzulande Politik betrieben wird, ist zuweilen beängstigend und beschämend. Es ist erstaunlich, wie wenig Wissen und Fachwissen oft dahinter stehen. Nach zwei, drei Stehsätzen ist es bei vielen, die meinen, in der Politik mitmischen zu müssen, aus. Mehr braucht man offenbar auch gar nicht zu wissen in diesem Land. Zum Mitreden reicht es allemal.

Und es ist erstaunlich, wie wenig man sich um eine tief gehende Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe bemüht, und um wie viel wichtiger es ist, dem politischen Gegner und dessen Klientel Schaden zuzufügen, als ehrliche und offene Diskussionen zu führen. Da reden Leute mit dem Brustton der Überzeugung über Themen, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Sie führen ihre Vorurteile äußerln, ohne sich je mit der Materie auseinanderzusetzen. Und, was vielleicht noch schlimmer ist: Nicht nur, dass ihnen das Wissen fehlt, es fehlt ihnen auch jeder Respekt vor dem Wissen um Fakten und Zusammenhänge.

Dementsprechend flach, fad und eintönig ist in Österreich die politische Diskussion. Nirgendwo Esprit, nirgendwo intellektuelle Ansprüche. In der politischen Arena wird nicht mit dem Florett gekämpft, sondern mit dem Holzprügel.

Dass Österreich und seine Politiker international und mitunter der Lächerlichkeit preisgegeben im Abseits stehen, verwundert da nicht. Es reicht, ab und an deutsche Diskussionsrunden im TV zu verfolgen und man erkennt den Unterschied. Dort geht es auf einem ganz anderen Niveau zur Sache als hierzulande. Besonders augenscheinlich wird der Unterschied, wenn dort, was wohl nicht ohne Grund selten genug vorkommt, ein Österreicher in der Runde sitzt.

Erst jüngst schüttelte ganz Deutschland den Kopf über einen Auftritt von Frank Stronach in Sandra Maischbergers Talk-Show. "Falls Maischberger demonstrieren wollte, auf welch niedrigem gedanklichen Level sich jemand über die Eurokrise auslassen kann, ist ihr das vollauf gelungen“, lästerte "Der Spiegel“ über den Milliardär, der glaubt die österreichische Politik kaufen zu müssen. Gegen das rhetorische Niveau und die Sachkenntnis, die dort Thilo Sarrazin und Oskar Lafontaine, beide in ihrer Heimat zumindest so umstritten wie Stronach hierzulande, an den Tag legten, nahmen sich die Stehsätze des Austro-Kanadiers beschämend aus. "Und irgendwann lief die Diskussion über die Zukunft des Euro einfach an Stronach vorbei“, notierte ein Kommentator.

Diese Einschätzung passt nicht nur auf Stronach, sondern auf Österreichs Politik insgesamt. Sie steht im Abseits, europäische Bekanntheit erlangen österreichische Politiker allenfalls durch forsche Sager und die Verbreitung von Tratsch. Die österreichische Finanzministerin hat so zu internationaler Beachtung gefunden. Von den allermeisten anderen ist nicht einmal das zu berichten.

Österreichs Politikerinnen und Politiker sind auf den internationalen Bühnen allenfalls Randerscheinungen. Das hat viel weniger mit der Kleinheit des Landes zu tun, sondern ist viel mehr eine unmittelbare Folge des politischen Klimas und der politischen Kultur in Österreich, in dem Mittelmaß, Feigheit, Bequemlichkeit und Bosheit die Eckpfeiler zu sein scheinen. Fachwissen, Sachkenntnis und Respekt vor der Materie und den Themen, mit denen umzugehen ist, gehören nicht dazu.

Da nimmt es nicht Wunder, dass es diesem Land seit Jahren an Politikern von internationalem Format fehlt. Und es nimmt auch nicht Wunder, dass sich kaum mehr jemand für die Politik hergeben will. Denn dieses Umfeld, das die Politiker und die Politik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geschaffen haben, erstickt alles, was sich ihr interessiert nähert.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Oktober 2012

Freitag, 19. Oktober 2012

Wegbereiter des Wohlstands





Im Streit um die Lebensmittelpreise gehen die Hersteller in die Offensive. Red Bull verschönert Exportstatistik.

HANS GMEINER Wien (SN). Die Lebensmittelwirtschaft ist es leid, ständig als Preistreiber an den Pranger gestellt zu werden. „Das ist absolut ungerecht“ sagt Michael Blass, Sprecher der heimischen Lebensmittelwirtschaft, und dreht den Spieß um. „Ich sehe die heimische Lebensmittelwirtschaft als Wegbereiter des Wohlstands in Österreich“, hält er den Kritikern entgegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sei der Anstieg der Preise für Lebensmittel deutlich geringer als der Anstieg der allgemeinen Haushaltsausgaben. Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung sei der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Gesamtausgaben eines Haushalts in den vergangenen Jahrzehnten markant gesunken. „Das ermöglichte es, in Bildung, Wohnen und andere Bedürfnisse des täglichen Lebens mehr zu investieren“, sagt Blass.

Er untermauert seine Einschätzung mit Zahlen. „Obwohl die Ausgaben für Ernährung und alkoholfreie Getränke zwischen 2005 und 2010 um 6,4 Prozent zulegten, liegen sie immer noch deutlich unter dem Anstieg der allgemeinen Haushaltsausgaben, der in diesem Zeitraum 14,6 Prozent betrug.“ In einem durchschnittlichen Haushalt beträgt laut Blass der Anteil der Ausgaben für Lebensmitten und Getränke an den Gesamtausgaben nur mehr 12,1 Prozent.

Zum Wegbereiter des Wohlstands wurde die Lebensmittelwirtschaft nicht ganz freiwillig. Das muss selbst Blass einräumen, der mit Jänner 2013 Stephan Mikinovic als Chef der AMA-Marketing folgt und damit Österreichs oberster Lebensmittelvermarkter wird. Für ihn spielt die Konzentration im Lebensmittelhandel, wo sich drei Konzerne 85 Prozent des Marktes teilen, eine entscheidende Rolle. Unter dieser Marktmacht hätten die heimischen Hersteller von Lebensmitteln zu leiden. Trotz eines Umsatzzuwachses von 9,1 Prozent auf 7,68 Mrd. Euro im Vorjahr sei die Lage angespannt.

Aber kein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil ist, gibt Blass zu. „Ein Lebensmittelerzeuger, der sich angesichts dieser Verhältnisse in Österreich behauptet, kann sich überall durchsetzen.“ Die Statistik bestätigt das. Die Entwicklung der Agrar- und Lebensmittelexporte ist seit Jahren eine der Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Im Vorjahr legten die Ausfuhren laut Reinhard Schuster von der AMA-Marketing um 12,7 Prozent auf 8,76 Mrd. Euro zu, während die Einfuhren um nur 11,2 Prozent auf 9,65 Mrd. Euro wuchsen. Heuer gab es im ersten Halbjahr bei den Exporten ein Plus von 3,6 Prozent und bei den Importen eines von 2,7 Prozent.

Während heuer die Ausfuhren in Europa stagnieren und vor allem in Ländern wie Ungarn und Rumänien deutlich im Minus liegen, gab es vor allem in Kanada und in den USA starke Zuwächse. Energydrinks wie Red Bull, Eistee und andere Getränke hätten zu diesem Plus geführt, sagt Blass.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Oktober 2012

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Land der Wegelagerer und Abkassierer





Steuern einzuführen oder gar zu erhöhen ist nicht gut fürs Image. Und mühsam ist es obendrein sie durchzusetzen. Gebühren hingegen sind eine ergiebige und rasch erschließbare Quelle, aus denen man schier nach Belieben Geld sprudeln lassen kann.

Wien machte es im Vorjahr vor, wie einfach das geht. In mehr oder weniger einem Aufwaschen wurden die Gebühren für Wasser um 33 Prozent erhöht und die Strafen für Falschparken gleich um 70 Prozent angehoben. Das freilich war noch gar nichts gegen die Erhöhung der U-Bahn-Steuer, seinerzeit zur Finanzierung des U-Bahn-Baues eingeführt, die in Wien Dienstgeber für ihre Dienstnehmer abzuführen haben. Die stieg nämlich gleich um 177 Prozent.

Das können wir auch, haben sich offenbar die Schwarzen gedacht. Dass man für überfallsartige wie schamlose Formen der Geldeintreibung eine gewisse Schwäche hat, zeigte schon im Vorjahr der "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“-Schlachtruf, mit dem sich ausgerechnet eine schwarze Ministerin an die Spitze der bis dahin rot dominierten Klassenkämpfer in diesem Land setzte.

Auch wenn in der Folge ihre Parteifreunde alles daran setzten, das als einmaligen Ausrutscher abzutun, scheint doch mehr dahinter zu stecken. Man will sich zwar nicht mit neuen Steuern die Finger schmutzig machen und lässt sich gerne als Kämpfer gegen Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer feiern, hat aber offenbar keine Scheu, an den Gebührenschrauben zu drehen, dass es nur so quietscht. Dreistigkeit ist dabei ein Vorwurf, von dem man sich nicht stören lässt, wenn es gilt, etwa einen Entscheid des Verfassungsgerichtshofes zu nutzen, um die Grundbuchseintragungsgebühren in die Höhe zu schnalzen.

Da überholt die Partei, die sich so gerne als Wahrer und Beschützer von Eigentum darstellt und Profil im Wettern gegen allerorten lauernde Abkassierer zu finden sucht, die Sozialdemokraten ungeniert links. Da wird eine unschuldige Gebühr, gedacht ursprünglich als Aufwandsersatz für die mit der Eintragung verbundene Arbeit, durch die Hintertür zu einer de-facto-Steuer, die in den allermeisten Fällen in keinerlei Relation zum tatsächlichen Aufwand steht. Erfunden und abgenickt von allen, die sich sonst so sehr gegen von der linken Reichshälfte geplante Raubzüge alterieren.

Rückgrat ist nicht das, was man hierzulande von der Politik zu erwarten hat. Und eine konsequente Linie auch nicht. Und es fügt sich in die Stimmung, die sich in den vergangenen Monaten immer breiter gemacht hat.

Es geht offenbar auf allen Seiten nur mehr darum, neue Geldquellen zu erschließen. Immer ungenierter wollen die öffentlichen Haushalte an die Geldbörsen der Bürger. Und alles, was gerne als Widerstand dagegen inszeniert wird, erweist sich im Handumdrehen als nichts anderes als ein winziges Feigenblatt, das ohnehin kaum zu verstecken vermag, was wirklich dahinter steckt.

Budgetpolitik wird in diesem Land nur mehr als das Auftun immer neuer Geldquellen verstanden. Mit dem Anfang dieses Jahres geschlossenen Sparpaket glaubt man offenbar alle Aufgaben erledigt zu haben. Keine Rede davon, dass dieses Paket nichts anderes als bittere Pflicht war und dass es nur ein erster Schritt zur nachhaltigen Sanierung des Staatshaushaltes und damit des Hauses Österreich gewesen sein kann. Und keine Diskussion darüber, ob die Bürger dieses Landes überhaupt das Maß an Alimentation brauchen, für das all das Kassieren betrieben wird.

Das nämlich ist anzuzweifeln. Viel eher bräuchten sie eine Entlastung von ihren finanziellen Verpflichtungen den öffentlichen Haushalten gegenüber. Nur so könnten sie den finanziellen Freiraum gewinnen, um im täglichen Leben mit den Herausforderungen, die auf sie zukommen, zurechtkommen zu können.

Die Chancen darauf sind freilich nur gering. Und das hat damit zu tun, dass kaum etwas im Lot ist in diesem Land. Statt an einem Strang zu ziehen, blockiert man sich gegenseitig. Der Umgangston ist mitunter erschütternd. Ein paar Minuten in eine Diskussion im Parlament hinein zu hören nimmt nicht nur jede Illusion, sondern macht mit einem Schlag klar, warum sich dieses Land so schwer tut, tragfähige und langfristige Lösungen zu finden. Da kann nichts anderes herauskommen, als die einfache und kurzsichtige Lösung nach dem Motto "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“. So teuer sie auch für den Gebühren- und Steuerzahler sein mag.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Oktober 2012

Donnerstag, 11. Oktober 2012

... und es ist ihnen kaum etwas heilig





Was immer von dem zu halten ist, was dem Landwirtschaftsminister im jüngsten Rechnungshofbericht vorgeworfen wird - dass der Bericht just drei Tage vor Berlakovichs Termin vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in die Öffentlichkeit kam, fügt sich durchaus nahtlos in die Reihe von Vorgängen, die in diesem Land einer genaueren Überprüfung unterzogen werden sollten. Und es fügt sich nahtlos in die Zustände in diesem Land, in dem Dinge wie diese gar nicht mehr hinterfragt, sondern, gelernt in Jahrzehnten, ohne Diskussion hingenommen werden.

Das aber ist unerträglich, zumal dann, wenn es um eine Einrichtung wie den Rechnungshof geht, der bisher zweifellos zu den letzten Bastionen in diesem Land zu rechnen war, denen man uneingeschränkt Vertrauen entgegenbringen konnte. Man spürt, wie sich die Strippenzieher hinter den Kulissen feixend die Hände ob des gelungenen Coups reiben, mit dem sie den schwarzen Landwirtschaftsminister eintunkten, um ihre eigenen Leute nicht ganz so schlecht und alleine dastehen zu lassen. Dass damit eine der wichtigsten Institutionen Österreichs beschädigt wurde, nehmen sie hin. Dass damit das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik wieder ein Stück mehr demontiert wurde, ebenso.

Das Ganze fügt sich nahtlos in die Entwicklung der vergangenen Jahre. Zentrale Einrichtungen des Staatsgefüges und der Demokratie sind dabei, demontiert zu werden. Sie lassen sich aber auch viel zu oft als willfährige Handlanger von Politik und deren Spindoktoren allzu leicht demontieren. Und verlieren damit Vertrauen, enttäuschen Erwartungen und erfüllen ihre Aufgaben immer weniger und immer schlechter.

Der Rechnungshof ist nur ein Beispiel. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, und wie die Proponenten und Regierungspartien diese Einrichtung vorführten und der Lächerlichkeit preisgaben, ist ein anderes. Und die heimische Justiz ist ein drittes.

Dass mit dem ehemaligen Kärntner Landesrat Martinz einer aus der Kärntner Partie, die das Land seit Jahren zum Narren macht, im Gefängnis landet, mag rechtens sein. Das Gejohle aber, mit dem das Urteil auch aus Juristen-Kreisen bis hinauf in das Justizministerium begleitet wurde, sollte Sorge machen. Genauso wie die Lockerheit und Unbekümmertheit, mit der Staatsanwälte, Richter und Ministeriale Interviews zu diesem Thema gaben.

Wurden bisher, wie der unselige FP-Justizminister Ofner es schon vor 20 Jahren formulierte, "viele Suppen“ für "zu dünn“ erklärt, so scheint nun das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen. Schon malt man Leuten wie Mensdorff-Pouilly und Ernst Strasser genussvoll, mit großer Häme und in fetten Schlagzeilen, eine Zukunft hinter schwedischen Gardinen aus.

Mit Verlaub: Die Rechtsauffassung, die da überall durchschimmert, macht bange. Es muss um Recht gehen und nicht um Rache, ist dem entgegenzuhalten. Denn alles andere ist ganz sicher keine Basis für einen Rechtsstaat, als der Österreich konzipiert ist.

An all das sollte man sich nicht gewöhnen, nicht in die eine Richtung und nicht in die andere. In diesem Land scheint die Mitte abhanden zu kommen und die Verantwortung dafür. Das hat wohl auch mit der beständigen Zuspitzung von Positionen zu tun, mit immer schrilleren Forderungen und immer weniger Solidarität. Allzu vielen geht es längt nicht mehr um den Ausgleich, sondern um Durchsetzung eigener Vorstellungen und Wünsche. Oft, wie es scheint, mit allen Mitteln.

Hinter den Kulissen sind die Scharfmacher am Ruder. Sie haben in den vergangenen Jahren alles dazu getan, das Klima in diesem Land zu verändern. Und es war ihnen kaum etwas heilig. Ohne, oder wohl besser, gegen besseres Wissen hat man sich auf Hatz als politisches Prinzip verlegt. Strache, Kopf, Muhm - alle Parteien spielen dieses Spiel. Man hat die Anforderungen der Wirklichkeit und die Bedürfnisse der Bevölkerung über dem, was man für Kampf um Stimmen hält, aus den Augen verloren.

Und nichts bremst diese Entwicklung ein. Allerorten werden die Positionen unter dem Vorwand, das politische Profil zu schärfen, weiter zugespitzt. Der am Wochenende anstehende Parteitag der Sozialdemokraten ist da keine Ausnahme. Und bezeichnend für die Politik in diesem Land und was damit angerichtet wird. Bei den Anträgen dort geht es, so weit bereits im Vorfeld bekannt geworden, sehr oft weniger um das gemeinsame Österreich und um das Fortkommen der Gesellschaft, sondern darum, den politischen Gegnern möglichst eins auszuwischen und ihnen weh zu tun.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Oktober 2012

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Das Land braucht mehr Sorgsamkeit





Die Österreicher halten ihr Land für schön und sich für freundlich. "Warum das?“, fragt man sich freilich, wenn man Kilometer für Kilometer durch die Fertigbeton- und Supermarktwüsten der Vorstädte, durch Dörfer mit in grellen Farben in einer oft seltsamen Art und Weise angestrichenen Häuser, die für modern und Design gehalten wird, fährt, wenn man in ausgestorbenen und verfallenden Ortszentren strandet oder sich mit dem Auto durch von oft aberwitzigen Skulpturen verstellte Kreisverkehre windet. Und man fragt sich das auch, wenn man von rüden Kellnern, herablassenden Beamten oder einer gelangweilten telefonierenden Kassierin beamtshandelt wurde .

Zuweilen machen das Land und seine Bewohner den Eindruck, als seien sie nichts anderes, als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Ohne Linie und Konzept, selbstherrlich, undurchsichtig und oft wirr. Man nimmt sich das heraus, vom dem man überzeugt ist, dass es einem zusteht. Man druckt sich um Dinge herum, man tut Sachen wider besseres Wissen, man hofft, dass niemand draufkommt und nichts auffällt.

Statt Schönheit und Freundlichkeit gibt es oft nur Hässlichkeit, Sorglosigkeit, Präpotenz und Bosheit. Allzu oft.

Österreich muss auf sich aufpassen. Die Landstriche, um die man am besten einen Bogen macht, werden mehr. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, auf die man vor allem in Fremdenverkehr und Tourismus so gerne setzt, werden hingegen immer weniger. Und der Service, auf den man nicht weniger stolz ist, immer öfter schlechter.

In vielen anderen Ländern, über die man sich immer noch oft und gerne mokiert, ist das zuweilen längst ganz anders. Das gilt auch und ganz besonders für unsere Lieblingsnachbarn, die Deutschen.

Wer sich je in Berlins Gastronomie herumtrieb, wird das bestätigen. Und wer je mit dem Auto durch Bayern kurvte, auch. In Sachen Freundlichkeit und Service ist man dort vielerorts längst sehr viel weiter als bei dem oft so zuckersüßen und gerne in Tracht gewandeten Getue hierzulande. Das nämlich stellt sich oft sehr schnell als nichts anderes als dünne Maskerade heraus, hinter der sich Bosheit und Verachtung verstecken, wenn man als Gast und Kunde nicht spurt * und oft nicht nur dann.

Und während es die Bayern geschafft haben, ihre Orte nicht bis hinter den Horizont ausfransen zu lassen, nimmt sich die Raumordnung bei uns in manchen Gegenden aus, als sei sie weit nach Mitternacht in Wirtshäusern entworfen worden.

Das Land muss aufpassen, dass es in seiner Selbstverliebtheit, die in vielen Bereichen längst jede Kritikfähigkeit aufgefressen hat, nicht die Überfuhr verpasst. Das gilt nicht nur für die Bildung, die sozialen Standards, die Wirtschaft. Das gilt auch und vor allem für das Umfeld, in dem sich das tägliche Leben abspielt.

Viele Menschen müssen immer weiter fahren, bis sie dort sind, wo sie das Österreich finden, auf das sie stolz sind und das sie lieben. Immer länger werden die Ausfahrtschluchten der Städte, immer dicker die Speckgürtel, die zu überwinden sind. Und dann haben sie noch lange keine Garantie, dort zu finden, was sie suchen. Abseits von Seen und Sehenswürdigkeiten kämpfen viele Gemeinden und Dörfer gegen den Untergang. Keine Arbeit, keine Mittel, keine Ideen. Und immer öfter als Folge davon auch keine Menschen mehr, die dort leben.

Die Gestaltung der Umwelt und die Dörfer am Leben zu halten ist eine der größten Herausforderungen, vor denen Österreich steht. Viel zu oft wird etwa Dorferneuerung immer noch mit Behübschungs- und Blumenschmuckaktionen verwechselt. Wo sie aber ernsthaft angegangen wird, gibt es zwar oft großartige und beeindruckende Ideen und Konzepte. Die Bewohner werden damit aber allzu oft allein gelassen und scheitern prompt an der Umsetzung.

Die Beispiele häufen sich, wo sich rasch zeigt, dass die tollen Pläne für den Ortskern nicht das Papier wert sind, auf dem sie gezeichnet wurden, während den Bewohnern nichts anderes bleibt, als das Dorf zu fliehen und am Ortsrand die Tankstellen, Schnellbäckereien und Buffets weiterwuchern.

Das Land, in dem so viele die Schönheit des Landes und die Freundlichkeit seiner Bewohner als dessen größtes Kapital schätzen, sollte sich angewöhnen, ehrlicher mit sich umzugehen. Und sorgsamer. Die Schönheit des Landes droht verbraucht zu werden. Und die Freundlichkeit der Menschen auch. Zumal der Zusammenhang zwischen beiden nicht zu leugnen ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung  4. Oktober 2012
 
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