Dienstag, 31. Januar 2012

Biobauern sehen sich vor großer Zukunft




HANS GMEINER Puchberg/Wels (SN). Vor Selbstbewusstsein und Überzeugung, das Richtige zu machen, strotzen die heimischen Biobauern. „Das Leitbild für eine neue Agrarkultur kann nur eine bäuerliche, biologische Landwirtschaft sein“, sagte Montag Bio-Austria-Obmann Rudi Vierbauch bei der Eröffnung der diesjährigen Biobauern-Tage in Puchberg bei Wels (OÖ). Bis Donnerstag spannt man unter dem Motto „Agrarkultur 2100“ den Bogen weit in die Zukunft.
Als Übel der konventionellen Landwirtschaft sieht Vierbauch nicht nur die Gefahren für die Umwelt. Sie müsse sich auch von der „High-Input-Landwirtschaft“, die riesige Mengen an Öl und Gas zur Erzeugung von Dünger und Pestiziden verbrauche, lösen. „Befreien wir uns aus der Abhängigkeit von immer mehr Hilfsstoffen, um Lebensmittel zu erzeugen“.
Er weiß freilich, dass der Weg noch weit ist. „Wir stehen erst am Anfang“, sagte er im Gespräch mit den SN. „Wir müssen auch an uns selbst weiter arbeiten und für die Entwicklungen offen bleiben.“ Dem Entwurf zur EU-Agrarreform gewinnt er vor diesem Hintergrund durchaus positive Seiten ab. „Wie grün sie tatsächlich wird, hängt aber sehr von der Umsetzung auch in Bereichen wie Investitionsförderung und Bildung ab.“
Dennoch warnt Vierbauch bei aller Euphorie vor der Gefahr von Polarisierung. „Das führte uns dahin, wo wir heute sind“, spielt er auf die heimische Sparpaketdebatte an, in der vor allem die Bauern gegen die Eisenbahner ausgespielt werden. Er mahnt Perspektiven ein. „Man soll nicht alles über einen Kamm scheren, sondern sagen, was man von der Landwirtschaft will und gezielt Maßnahmen setzen.“ Einen Seitenhieb kann er sich dennoch nicht verkneifen: „Zum Überleben brauchen wir keine Eisenbahn, aber die Landwirtschaft.“
Ob es dazu auch die Bio Austria braucht, ist freilich offen. In Niederösterreich gab es in den vergangenen Monaten nach dem Desaster in der Biogetreide-Vermarktung, die die Bauern Millionen kostete, eine regelrechte Austrittswelle. Sie sorgt nun auch für finanzielle Spannungen. Dem Vernehmen nach legt der Bio-Austria-Obmann in Niederösterreich sein Amt zurück. Unbelastete Funktionäre sollen kommen.

Salzburger Nsachrichten Wirtschaft / 31.01.2012

Samstag, 28. Januar 2012

Geld für neue Ställe geht zu Neige




Die Bauern investierten seit 2007 wie nie zuvor. Nun sind die Töpfe für die Invest-Förderung weit vor der Zeit leer.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Zwei Jahre vor Ablauf der aktuellen EU-Finanzperiode 2007 bis 2013 geht der landwirtschaftlichen Investitionsförderung die Luft aus. In einer Reihe von Bundesländern sind die für die Förderung von Investitionsprojekten zur Verfügung gestellten Mittel bereits weit vor der Zeit aufgebraucht. Dass gleichzeitig auch das Volumen der zinsbegünstigten Agrar-Investionskredite auf Bundesebene für heuer um fast ein Drittel auf 130 Mill. Euro gekürzt wurde, macht für Bauern mit Investitionsplänen die Lage nicht einfacher.

Die Steiermark hat die Förderung von Investitionen bereits im Vorjahr einstellen müssen, weil die zur Verfügung stehenden Fördertöpfe leer waren. Vergangene Woche haben auch Niederösterreich und Oberösterreich, die beiden größten Agrarländer, einen Antragsstopp verhängt. Damit will man sichern, dass zumindest die eingereichten Projekte ausfinanziert werden können. Zudem hat man für die Förderung von gesetzlich erforderlichen Umbauten von Ferkelställen Geld reserviert.

Bei den Stopps in den drei großen Agrar-Bundesländern wird es nicht bleiben. Bis zur Jahresmitte sollen dem Vernehmen nach Tirol und Vorarlberg folgen. Aus Salzburg, wo man eine zurückhaltendere Förderpolitik verfolgte als in anderen Bundesländern, heißt es: „Auch bei uns wird es noch 2012 zu einem Antragsstopp kommen.“ Für einzelne Maßnahmen gibt es schon jetzt kein Geld mehr.

Die Töpfe sind weit vor der Zeit leer, obwohl sie um rund 75 Prozent höher dotiert waren als in der Vorperiode. Zuschüsse von bis zu 30 Prozent für Projekte wie Stall- und Hallenbauten oder den Aufbau von neuen Betriebszweigen nutzten so viele Bauern wie noch nie, um ihre Betriebe angesichts der Umwälzungen auf den Agrarmärkten und in der Agrarpolitik auf Vordermann zu bringen. Insgesamt stehen in der EU-Finanzperiode 2007 bis 2013 in allen Bundesländern zusammen rund 513 Mill. Euro zur Verfügung. Die Hälfte dieser Mittel kommt von der EU, den Rest teilen sich Bund und Länder. In der Agrarpolitik hält man die Förderung von Investitionen für gut angelegtes Geld. „Ein Euro Förderung löst mindestens fünf Euro Investitionen aus, von denen die gesamte Wirtschaft profitiert“, sagt Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich.

Wie man die Lücke bis zur nächsten Förderperiode ab 2014 schließen will, ist dennoch unklar. „Es kommt jetzt auf die Kraft der Bundesländer an“, sagt Bauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowski. Die Hoffnung auf Lösungen ist freilich gering. Da vertröstet man Bauern, die jetzt zu kurz gekommen sind, lieber auf die nächste Budgetperiode. Es werde sicher wieder ein Investitionsförderprogramm geben. Dass es wieder ähnlich gut ausgestattet ist, wie das derzeitige, will man ihnen freilich nicht versprechen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 28.01.2012 28.01.2012 / Print

Donnerstag, 26. Januar 2012

Im Renten-Klima Österreichs wird die Luft dünn ...





In kaum einem europäischen Land, Deutschland ausgenommen, fühlen sich so wenige Menschen jung wie in Österreich. Das Ergebnis dieser kürzlich veröffentlichten EU-Studie ist kaum anzuzweifeln, zumal es perfekt dazu passt, dass in kaum einem Land das durchschnittliche Pensionsantrittsalter so niedrig liegt wie hierzulande. Erst in der vergangenen Woche entließ das Wiener Rathaus 53 Beamte in den vorzeitigen Ruhestand. Deren Durchschnittsalter: "52,62 Jahre“, wie die Kronenzeitung penibel errechnet hat. Sehr niedrig, aber durchaus nicht wirklich eine Besonderheit in einem Land, in dem ein Pensionierungs-freundliches Klima wie kaum sonstwo herrscht.

Bei den ÖBB gilt als Erfolg, dass das Pensionsantrittsalter im Schnitt bei knapp 55 Jahren liegt, in der Landwirtschaft wird vielerorts schief angeschaut, wer nicht mit 57 in Rente geht und in vielen Büros und Produktionshallen nutzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne die Gelegenheit, sich oft schon weit vor dem offiziellen Zeitpunkt aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Immer, und auch das gehört zum österreichischen Renten-Klima, gut beraten von den Sozial- und Pensionsversicherungen selbst, von ihren Interessenvertretungen, den Betriebsräten und von ihren Parteien.

So ist Österreich offenbar. Lange zu arbeiten, bis zum gesetzlichen Pensionsalter gar, gilt immer weniger Menschen als erstrebenswert. Eine gute Pension, und die möglichst früh, gilt hierzulande vielen als Lebensziel. Schon Jugendliche sorgen sich um ihre Pensionen - zuweilen eher als um einen guten Job oder um die Verwirklichung ihrer Ideen.

Wer tatsächlich bis zum gesetzlichen Pensionsalter arbeiten will, braucht in Österreich hingegen zuweilen einen ordentlichen Dickschädel und in jedem Fall eine dicke Haut. Denn er oder sie werden eher für verrückt gehalten, als dass ihnen Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht würde. Gefördert und unterstützt werden diese Menschen kaum. Viel eher müssen ältere Menschen oft die Erfahrung machen, dass ihre Arbeitgeber froh sind, wenn sie gehen, dass sie gar nicht mehr erwünscht sind. Und nicht selten wird ihnen vorgehalten, dass sie damit nichts anderes als Probleme machen und unnötigerweise einen Arbeitsplatz besetzen. Ganz abgesehen von den hohen Personalkosten, die ihnen vorgehalten werden.

Da nimmt es nicht Wunder, dass es dem Land so oft am nötigen Schwung fehlt, dass alles so gerne beim Alten gelassen wird, Reformfreude ein Fremdwort und politische Veränderungen eine Qual sind. Es ist wohl das, was wir als österreichische Mentalität kennen und hinnehmen gelernt haben.

Und da nimmt es nicht Wunder, dass sich die Politik äußerst hart tut, das tatsächliche Pensionsalter anzuheben, um die Budgetlast etwas zu mildern.

Denn nicht zuletzt wegen der explodierenden Zahl der Pensionierungen und der Pensionisten ist dort Feuer am Dach. Auch die letzten Zweifler müssen anerkennen, dass sich angesichts der demografischen Entwicklung das Ganze nicht mehr ausgehen kann. Dass die Einzahler zu wenige werden, die Pensionisten zu rasch zu viele und die Pensionen zu hoch. Mit einer Anhebung des Pensionsantrittsalter will man die Probleme in den Griff kriegen. Auf die österreichische Tour freilich. Nicht die gesetzlichen Altersgrenzen sind dabei das Ziel. Zwei Jahre gelten als genug. Statt mit 58 sollen Frau und Herr Österreicher hinkünftig im Schnitt mit 60 in Pension gehen.

Diesem bescheidenen Ziel ist freilich nicht unbedingt mit Häme zu begegnen. Denn das Thema hat auch eine andere Seite. Von den Folgen für den Arbeitsmarkt wird derzeit wenig geredet. Zu wenig. Denn mit einer Anhebung des Pensionsalters steigt auch der Bedarf an Arbeitsplätzen. Nicht zuletzt wegen des niedrigen Pensionierungs-Alters kann sich Österreich regelmäßig im internationalen Vergleich sehr geringer Arbeitslosenraten, insbesondere auch bei der Jugend, brüsten. Die abzusichern ist sicherlich schwieriger, wenn die Menschen länger arbeiten müssen. Dabei ist die Jugendbeschäftigung nur eine Herausforderung. Die andere ist es, für die Menschen die länger arbeiten, auch die nötigen Arbeitsplätze zu schaffen. Und das ist vielleicht noch schwieriger.

Der Verantwortung, beim Pensionsantrittsalter zu handeln, entbindet das die Politik freilich nicht. Alleine deswegen, weil sonst dem Land im Renten-Klima bald die Luft ausgehen könnte.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 26. Jänner 2011

Samstag, 21. Januar 2012

„Sind keine Goldesel“




Berlin (SN). „Sparen ja, ruinieren nein“, lautet die Devise, die Österreichs Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich für die Bauern in der Diskussion um das Sparpaket ausgibt. „Ich will eine Landwirtschaft, die Österreich ernähren kann und viele weitere Leistungen bietet“, sagte er am Freitag auf der Grünen Woche in Berlin. „All jenen, die die Agrarbranche bluten sehen wollen, sei gesagt: Ihr riskiert leistbare Lebensmittel, gepflegte Landschaften, einen vitalen ländlichen Raum und Umweltschutz.“
Der Minister verwies auf Einsparungen in der Höhe von 240 Mill. Euro, die die Landwirtschaft schon vor zwei Jahren zugesichert habe und kündigte ein Strukturprogramm mit Zusammenlegung von Instituten im Einflussbereich seines Ministeriums an. Ein klares Nein gab es zu den Forderungen der Arbeiterkammer: „Die Bauern sind keine Goldesel.“

Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 21.01.2012

Europas Bauern zwischen allen Stühlen




Tierschutz, höchste Qualität und doch billigste Preise: In diesem Spannungsfeld sucht die Landwirtschaft eine neue Position.

HANS GMEINER Berlin (SN). In der Halle 6 auf der Grünen Woche hängt schon um elf Uhr vormittags eine schwere Fettwolke in der Luft. Die Thüringer Rostbratwürste gehen weg wie die warmen Semmeln, Berliner Familien drängen sich zwischen den Ständen, eine Sängerin bemüht sich mit Schunkelliedern um gute Laune. In Halle 23 geht es bei Weitem ruhiger zu. „Verbraucher und Landwirtschaft – Gemeinsame Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt“ steht auf großen Transparenten. Dort versucht das deutsche Landwirtschaftsministerium, die Landwirtschaft neu zu positionieren und auch die Konsumenten in die Verantwortung zu nehmen.
Was in Österreich seit mehr als zehn Jahren Thema ist, rückt nun in großen Agrarländern wie Deutschland in den Blickpunkt. Europas Landwirtschaft sucht gegenüber den Konsumenten und auf den internationalen Märkten neue Positionen.
Das Spannungsfeld ist gewaltig: Verlangt werden mehr Tierschutz, intakte Umwelt, beste Qualität, aber das Hendl soll es um 2,99 Euro pro Kilogramm geben.
„Wir müssen nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt stellen“, sagt Agrarkommissar Dacian Ciolos. Für die Landwirtschaft ist das eine Gratwanderung. Agrarpolitiker wie Gerd Sonnleitner, wortgewaltiger Präsident des deutschen Bauernverbandes und der europäischen Bauernorganisationen, zeigen sich den notwendigen Änderungen gegenüber durchaus aufgeschlossen. Sie tun sich aber nicht leicht damit. „Ich will eine EU-Agrarpolitik, die nicht den Rückwärtsgang einlegt, sondern ,grünes Wachstum‘ fördert“, richtete er bei der Eröffnung der Grünen Woche Donnerstagabend in Berlin den in der ersten Reihe sitzenden EU-Kommissaren Ciolos und John Dalli (Gesundheit) aus.
Die Diskussion um die ständige Verschärfung der Vorschriften zerrt an den Nerven des obersten deutschen Bauern. Viele Landwirte fürchten durch immer mehr Vorschriften unter dem Titel Nachhaltigkeit, Umweltschonung, Tier- und Naturschutz um ihre internationale Konkurrenzfähigkeit. Vor allem die wachsende Bevormundung macht ihnen immer größere Probleme. Sie sind es leid, dass die Produktion für sie durch immer strengere Auflagen immer teurer wird, während die Importe aus Ländern, in denen die Produktions- und Sozialstandards unvergleichlich niedriger sind, stetig zunehmen.
Die Bauern wollen als Wirtschaftszweig und nicht als Geldvernichter und hoch subventionierte Preistreiber begriffen werden. „In Österreich beträgt der Anteil des Agrarbudgets am Gesamtbudget nur drei Prozent“, sagt Bauernkammer-Präsident Wlodkowski. „Und berücksichtigt man Inflation und Lohnsteigerung, haben die Bauern seit Jahrzehnten die Kaufkraft der Konsumenten gestärkt, weil Nahrungsmittel im Vergleich billiger wurden.“
Dass die Aussichten für die Landwirtschaft weltweit gut sind, macht es für viele österreichische Bauern nicht leichter. Ihre Höfe sind nicht groß genug und die Preise angesichts der Produktionsmenge zu niedrig. Weniger Geld und strengere Vorschriften hält man nicht nur für die Bauern, sondern auch die Versorgungssicherheit für kontraproduktiv. „Angesichts der unsicheren Wirtschaftssituation die Bauern aufzugeben wäre so, als würde man die Speisekammer ausräumen und dann noch den Kühlschrank hinauswerfen“, poltert Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 21.01.2012

Grüne Woche: Österreich mag man eben




Es wurden Agrarprodukte um über neun Mrd. Euro exportiert.

HANS GMEINER Berlin (SN). Österreichs Lebensmittelexporte bleiben eine der beeindruckendsten Erfolgsstorys der Wirtschaft. Seit 2005 erhöhten sich die Ausfuhren um gut ein Drittel. Die Delle des Krisenjahres 2009, als niedrige Preise für einen Exportrückgang sorgten, ist längst ausgebügelt. Nach einem Plus von 9,4 Prozent 2010 legten die Ausfuhren von heimischen Lebensmitteln und Getränken 2011 um nicht weniger als 16,1 Prozent auf 9,029 Mrd. Euro zu. „Damit haben wir eine Schallmauer durchbrochen“, sagte Stephan Mikinovic, Chef der AMA-Marketing, am Donnerstag zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin, der weltgrößten Schau der Agrarwirtschaft, voll Stolz.
Der Wermutstropfen dabei: Dass im Vorjahr mit 8,1 Mill Tonnen die Ausfuhren erstmals deutlich über den Einfuhren (7,8 Mill. Tonnen) lagen, fand in der Agrarhandelsbilanz trotz des deutlich höheren Preisniveaus keinen Niederschlag. Der Wert der Importe blieb mit 9,4 Mrd. Euro deutlich höher. Grund dafür ist, dass der Verarbeitungsgrad und damit der Preis pro Kilogramm Agrarprodukte und Lebensmittel bei den heimischen Lebensmittelexporten mit 1,10 Euro immer noch deutlich niedriger ist als bei den Importen mit 1,21 Euro. Die hohe Qualität heimischer Produkte und der passable Bioanteil bei den Ausfuhren können die Differenz nicht ausgleichen. Der hohe Anteil der Diskonter in Deutschland verstärkt den Preisdruck.
Am stärksten wuchs die Nachfrage nach österreichischen Lebensmitteln in der Schweiz, in den USA und in den südosteuropäischen Staaten.
Zahlenmäßig wirkte sich vor allem der Zuwachs in Deutschland aus. Die „Lieblingsnachbarn“ kauften erstmals mehr als 50.000 Tonnen Käse in Österreich. Diese Marke wurde auch bei den Exporten von Speck und Wurstwaren erstmals übersprungen. In Summe macht das einen Zuwachs der Lebensmittelexporte nach Deutschland von 11,4 Prozent auf 3,55 Mrd. Euro. Damit festigte Deutschland die Position als wichtigster Markt für die heimische Lebensmittelwirtschaft.
Auch in den neuen EU-Ländern werden österreichische Agrarprodukte und Lebensmittel immer mehr geschätzt. Sie sind inzwischen der zweitgrößte Markt. Im Vorjahr gab es einen Zuwachs von 14,1 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 20. Jänner 2012

Mittwoch, 18. Januar 2012

Die Krise fordert die Demokratie





Die internationale Finanz- und Währungskrise der vergangenen Monate und Jahre hat die Demokratie in den Industriestaaten arg strapaziert. In der Politik zerbröselten demokratische Grundsätze sehr schnell unter dem Druck der Umstände und angesichts mitunter sehr eilig erforderlicher Entscheidungen oft sehr rasch. Staaten wie Deutschland und Frankreich sind gegenüber solchen Vorwürfe nicht erhaben. Politiker wie Berlusconi nutzten und nutzen die Möglichkeiten bis über die Grenzen zum eigenen Vorteil. Nichts anderes taten und tun viele Spekulanten rund um den Globus, die sich die der demokratischen Welt innewohnende Trägheit zu Nutze machen.
Ein Raunen ging darob um die Welt, ein Aufschrei zuweilen. Wutbürger wurde zu einem Schlagwort. Bei den Staatsbürgern in den Industriestaaten machte sich angesichts des stetig größer werdenden Chaos‘, der wachsenden Unsicherheit und der immer weniger nachvollziehbaren Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen sehr rasch große Sorge breit. Wer bestimmt wo was? Und warum eigentlich? Alles nur der Markt? Alles nur die Ratingagenturen?
Die Strukturen werden immer unklarer, je größer die Krise und der Kampf gegen sie wird. Die Occupy-Wallstreet-Bewegung begann von den USA aus den Unmut zu formulieren. In Europa entzündete sich die Diskussion um das Krisenmanagement von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, das, mit der wirtschaftlichen Macht der beiden Staaten legitimiert, immer autoritärere Züge annahm. In Österreich wurde die Frage der Mitbestimmung und der Einbindung der Bevölkerung erst jüngst zu einem Thema, weil die Volkspartei damit die Freiheitlichen ködern will.
"Wir erleben unter dem Druck der Märkte, dass das demokratische System abgeräumt wird“, formuliert der neue Präsident des EU-Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, die Ängste großer Teile der Bevölkerung nicht nur in den EU-Staaten. "Dagegen muss man sich wehren“, sagt er.
Da kann man ihm nur recht geben. Die Frage aber ist, ob man dazu die tauglichen Mittel und vor allem taugliche Alternativen hat? Hilflosigkeit und Trägheit demokratischer Institutionen angesichts der Krise lassen das bezweifeln. Und die Probleme, die Staaten wie die Slowakei, aber auch Italien und erst recht Griechenland mit Abstimmungen hatten, machen einem eher Angst.
"Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, abgesehen von allen anderen“, sagte schon Winston Churchill. Das bedingt wohl auch, zuweilen zu akzeptieren, dass manchmal für das übliche Procedere die Zeit fehlt und zuweilen Bedenken, Einwände und spezielle Interessen zu kurz kommen. Zumal dann, wenn Gefahr im Verzug und rasches und bestimmtes Handeln nötig ist. Weil die Demokratie ohne Alternative ist, ist die Herausforderung an die Verantwortlichen freilich, Verbesserungen zu entwickeln und das Instrumentarium anzupassen, damit sie auch mit Krisen solchen Ausmaßes, wie wir sie derzeit erleben, wirkungsvoll zurande kommen kann.
Ob mehr sogenannte direkte Demokratie mit leichterem Zugang zu Volksabstimmungen, wie sie nun in Österreich angedacht werden, dazu gehören, ist zu bezweifeln. Wozu hat man schließlich Politiker gewählt? Nicht nur zum Spazierenfahren und zum Straßen Eröffnen, sondern auch, um im notwendigen Tempo handeln zu können. Und das sollen sie auch tun. Sie sind für einen bestimmten Zeitraum vom Volk oder von Parlamentariern gewählt, um zu handeln.
Merkel und Sarkozy tun das sehr explizit und gezielt. Wer daran etwas auszusetzen hat, muss das wohl eher der Führung der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder anderen Regierungschefs als dem Duo Merkozy vorhalten - weil sie keine Ideen haben, weil sie sich zu wenig kümmern, weil es ihnen an Durchsetzungsvermögen fehlt, weil sie sich in deren Windschatten verstecken.
Zu letzteren gehört wohl Österreichs Regierungschef.
Aus österreichischer Sicht muss man sagen: Gottseidank. Nicht auszudenken, wäre Werner Faymann ein durchschlagskräftiger Politiker mit Rückgrat und Durchsetzungsvermögen. Dann hätte er auf all dem beharrt, was er seinerzeit der Kronenzeitung versprochen hat. In Österreich sähen wir uns einer Flut von Volksbefragungen gegenüber, die nicht nur Österreich der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern Europa immens geschadet hätten.
So gesehen fahren wir sicher besser damit, dass er schwach ist, auf europäischer Ebene den Mund hält und sich brav hinter Merkozy versteckt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2012

Gleichung mit vielen Unbekannten

Die Bauern trifft die Budgetdiskussion auf dem falschen Fuß. Ihre Zukunft ist derzeit eine Gleichung mit vielen Unbekannten.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Bauern stöhnen unter den Begehrlichkeiten, denen sich die Landwirtschaft im Ringen um die Sanierung des Budgets gegenübersieht. „Schaut man sich die Vorschläge an, glaubt man wohl, dass wir das Sparpaket allein tragen sollen“, ärgert sich Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich. Bei der Umwidmungsabgabe hat man bereits Bereitschaft gezeigt, rund 25 Prozent des Sparpakets zu übernehmen. Für andere Pläne wie Kürzungen beim Agrardiesel oder den Kfz-Steuern auf Traktoren hat man hingegen kein Verständnis.
Besonders vehement wehrt man sich gegen Eingriffe in das System der steuerlichen Pauschalierung und eine Umstellung der Besteuerung auf Basis einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Das würde laut Bauernkammer zwar 70 Mill. Euro bringen, sagt deren Generalsekretär August Astl erstmals. Weil dann aber die Berechnungsbasis für die Sozialversicherungsbeiträge wesentlich niedriger werden würden als im derzeitigen System, das auf den Einheitswert abstellt, würden aber in der Sozialversicherung mindestens 100 Mill. Euro fehlen. Astl sagt: „Das ist Grund genug, die Pauschalierung zu verteidigen.“
Die Diskussionen und Begehrlichkeiten rund um das Sparpaket treffen die Agrarier auf dem falschen Fuß. Denn in der Landwirtschaft stehen in den nächsten zwei Jahren eine Reihe von Veränderungen an, die eng zusammenhängen und massive Verschiebungen bringen können. Schwierig macht, dass man die dafür nötigen Rahmenbedingungen und vor allem die finanziellen Möglichkeiten noch kaum kennt. Das macht die Zukunft für die Bauern zu einer Rechnung mit vielen Unbekannten.
Das Konfliktpotenzial innerhalb der Bauernschaft ist hoch. Um nichts falsch zu machen, will man daher Entscheidungen möglichst lang hinausschieben, um im Fall des Falles ausgleichend wirken zu können.

Doppelte Umverteilung

Die von der Landwirtschaft nun forcierte Neufeststellung der Einheitswerte etwa bringt tendenziell eine Verschiebung der Belastungen von Ostösterreich nach Westösterreich. Weil beim Einheitswert in Hinkunft verstärkt auch auf die Tierhaltung abgestellt werden soll, werden davon eher die Körndlbauern als die Hörndlbauern, sprich die Betriebe, die Tiere halten, profitieren. Das wird auch Folgen für die Pauschalierung haben, von der derzeit vor allem große Schweine- und Milchbetriebe profitieren.
Bei der von der EU geplanten Neugestaltung und Vereinheitlichung der Hektarprämien ist es hingegen genau umgekehrt. Dort werden die Hörndlbauern auf der Gewinner- und die Ackerbauern auf der Verliererseite stehen.
Die große Unbekannte in diesem Spiel der Agrarier ist die EU-Agrarreform. Wie und mit wie viel Geld sie kommt, ist derzeit nicht zu sagen. Das gilt ebenso für das heimische Umweltförderprogramm, mit dem bisher allzu große Ungleichheiten innerhalb Österreichs ausgeglichen wurden.
Dass man sich vor diesem Hintergrund zu nichts drängen lassen will, scheint verständlich. Dem neuen Bauernbundpräsidenten Jakob Auer ist nicht zu verdenken, wenn er sagt: „Da kommen ganz schwierige Aufgaben auf uns zu.“

Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 18.01.2012

Samstag, 14. Januar 2012

Neue Töne aus der Landwirtschaft





Wien (SN). Der neue Präsident des österreichischen Bauernbunds, Jakob Auer, sorgt dafür, dass aus der Landwirtschaft neue Töne kommen. In der Diskussion um die Budgetsanierung legen die Bauern mit der Umwidmungsabgabe ein 500-Mill.-Euro-Paket auf den Tisch. Für aus der Umwidmung von Äckern und Wiesen in Bauland entstehende Gewinne kann er sich eine Abgabe von „20 bis 25 Prozent“ vorstellen. Bedingung: „Die Umwidmung darf nicht gegen den Willen des Grundeigentümers erfolgt sein und das lukrierte Geld muss den Gemeinden zufließen“, betonte Auer.
Die jährlich möglichen Einnahmen beziffert er mit rund 500 Mill. Euro. Fällig werden soll die Abgabe beim Verkauf. In Oberösterreich gebe es in vielen Gemeinden bereits ähnliche Modelle. Von einer zusätzlichen Belastung der Bauern oder von der Kürzung von Förderungen und Ausgleichszahlungen hält Auer nichts. „Das wirkt nur konjunkturdämpfend und schadet den Bauern.“
Die Bauern stünden zu Unrecht am Pranger, sagte Auer. Ihr Anteil an den in Österreich verteilten Förderungen betrage nur 4,3 Prozent, verweist er auf eine Wifo-Studie. Das Geld sei gut angelegt. Als Beispiel bringt er Zahlen aus Oberösterreich. Dort würden von 2007 bis 2013 mit 100 Mill. Euro aus Bundes- und Landesmitteln auf den Bauernhöfen Investitionen von 760 Mill. Euro ausgelöst.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 14.01.2012

Donnerstag, 12. Januar 2012

Rationale Ignoranz ganz irrational





Die Republik, die Regierungsverantwortlichen genauso wie die Bevölkerung, leidet daran, das Selbstverständliche zu tun, um den aus den Fugen geratenen Staatshaushalt wieder in den Griff zu kriegen. Das zu tun, was ohnehin vom Großteil der Bevölkerung längst als das Notwendige erkannt worden ist - zu sparen, umzuschichten, Weichen neu zu stellen.
Höchste Zeit, dass nun die ernsthaften Verhandlungen in Angriff genommen wurden. Zuviel Porzellan wurde schon zerschlagen, zu viele Hoffnungen enttäuscht. Gar nicht zu reden vom Kredit, den Regierung und Regierungsparteien schon verspielt haben durch ihr Lavieren, durch die Haxlbeißereien und durch das ungenierte Zurschaustellen von Halbwissen und Bosheit.
In diesen Wochen und Monaten wurde und wird klar wie selten zuvor vor Augen geführt, wie in diesem Land die Linien verlaufen und wie dieses System tickt. Da ist mit freiem Auge zu erkennen, warum es in der Sackgasse steckt. Da stehen sich zwei Blöcke innerhalb der Regierung gegenüber, die nicht das Staatsganze, sondern nichts anderes als die Interessen ihrer jeweils eigenen Klientel (oder jener, die sie zwecks Stimmenfang meinen vertreten zu müssen) im Fokus haben.
Dass man sich dabei vorsätzlich einer Chance begibt, um die uns andere Länder beneiden, spielt da keine Rolle. Denn eigentlich bietet die politische Konstellation mit den beiden größten Parteien in der Regierungskoalition, wie wir sie in Österreich haben, die besten Voraussetzungen dafür, Entscheidungen, wie sie nun notwendig sind, rasch zu fällen und unpopuläre Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Österreichs Regierung freilich versteht es nicht, diese Position zu nutzen. Schlimmer noch. Sie vermittelt zumeist den Eindruck auch gar nicht willens zu sein, diese Position zu nutzen. Vielleicht, weil sie, Geisel von Interessenvertretungen, Verbänden, Landesfürsten und eigenem Unvermögen, gar nicht fähig ist dazu. Stattdessen gibt man sich dem hin, was die Wissenschaft normalerweise Bürgern zuschreibt, die bewusst die Auseinandersetzung mit unbequemen Themen scheuen, um sich so das Leben zumindest kurzfristig und damit vordergründig leichter zu machen. "Rationale Ignoranz“ heißt das dort.
Den handelnden Personen fehlt es an Leadership, der Regierung an Kraft und Mut. Nicht die lange Perspektive kümmert sie, sondern die kurze - der nächste Wahltag. Und sei die Lage noch so ernst. Defizite werden lieber kleingeredet, der Finanzbedarf lieber kleingerechnet, Probleme verniedlicht, wenn nicht gleich ignoriert. Alles und immer bar jeder Verantwortung.
Das beginnt damit, dass man nicht einmal weiß, um wie viel Geld es bei der Sanierung des Staatshaushaltes gehen soll. 1,5 Milliarden Euro, 2,8 Milliarden, doch nur zwei oder doch wirklich 2,8? Oder gar noch weit mehr? Was soll‘s? Das zeigt sich auch in den Vorschlägen, die von beiden Seiten ventiliert werden.
Die Sozialdemokraten scheinen der "Muhmifizierung“ Österreichs zu frönen. Lustvoll bringen sie mit den immer neuen Ideen und Zahlen, die ihnen der Arbeiterkammerdirektor Muhm aus seiner Werkstätte liefert, das Blut der Klientel der Volkspartei von den Bauern bis zu den Unternehmern in Wallung. Die schwarze Reichshälfte hinwiederum setzt nahezu ausschließlich auf Konzepte, die der sozialdemokratischen Klientel, allen voran den Eisenbahnern, an die Nieren gehen.
Dabei weiß man auf beiden Seiten ganz genau, wo bei der eigenen Klientel der Speck sitzt, wo Handlungsbedarf besteht und wo es Möglichkeiten gibt. Reden mag man darüber allenfalls hinter vorgehaltener Hand, etwas zugeben geht gar nicht. Ungerührt schaut man lieber zu, wie sich in Österreich eine feindselige Stimmung aufbaut, Neid dabei ist, wieder zu einer Kategorie in der Gesellschaft zu werden und der Staat samt seinem Haushalt den Bach hinunter geht.
Man glaubt offenbar immer noch, dem Ernst der Lage ein Schnippchen schlagen zu können. Mit einem Trick da und mit einem Kniff dort - mit genau der Art von Politik und Schlitzohrigkeit eben, mit der man in den vergangenen Jahren Österreich in die Sackgasse geführt und die Handlungsfähigkeit des Landes aufs Spiel gesetzt hat.
Das ist ganz sicher ignorant. Und nur im wissenschaftlichen Sinn rational.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Jänner 2012
 
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