Mittwoch, 18. Januar 2012

Die Krise fordert die Demokratie





Die internationale Finanz- und Währungskrise der vergangenen Monate und Jahre hat die Demokratie in den Industriestaaten arg strapaziert. In der Politik zerbröselten demokratische Grundsätze sehr schnell unter dem Druck der Umstände und angesichts mitunter sehr eilig erforderlicher Entscheidungen oft sehr rasch. Staaten wie Deutschland und Frankreich sind gegenüber solchen Vorwürfe nicht erhaben. Politiker wie Berlusconi nutzten und nutzen die Möglichkeiten bis über die Grenzen zum eigenen Vorteil. Nichts anderes taten und tun viele Spekulanten rund um den Globus, die sich die der demokratischen Welt innewohnende Trägheit zu Nutze machen.
Ein Raunen ging darob um die Welt, ein Aufschrei zuweilen. Wutbürger wurde zu einem Schlagwort. Bei den Staatsbürgern in den Industriestaaten machte sich angesichts des stetig größer werdenden Chaos‘, der wachsenden Unsicherheit und der immer weniger nachvollziehbaren Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen sehr rasch große Sorge breit. Wer bestimmt wo was? Und warum eigentlich? Alles nur der Markt? Alles nur die Ratingagenturen?
Die Strukturen werden immer unklarer, je größer die Krise und der Kampf gegen sie wird. Die Occupy-Wallstreet-Bewegung begann von den USA aus den Unmut zu formulieren. In Europa entzündete sich die Diskussion um das Krisenmanagement von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, das, mit der wirtschaftlichen Macht der beiden Staaten legitimiert, immer autoritärere Züge annahm. In Österreich wurde die Frage der Mitbestimmung und der Einbindung der Bevölkerung erst jüngst zu einem Thema, weil die Volkspartei damit die Freiheitlichen ködern will.
"Wir erleben unter dem Druck der Märkte, dass das demokratische System abgeräumt wird“, formuliert der neue Präsident des EU-Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, die Ängste großer Teile der Bevölkerung nicht nur in den EU-Staaten. "Dagegen muss man sich wehren“, sagt er.
Da kann man ihm nur recht geben. Die Frage aber ist, ob man dazu die tauglichen Mittel und vor allem taugliche Alternativen hat? Hilflosigkeit und Trägheit demokratischer Institutionen angesichts der Krise lassen das bezweifeln. Und die Probleme, die Staaten wie die Slowakei, aber auch Italien und erst recht Griechenland mit Abstimmungen hatten, machen einem eher Angst.
"Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, abgesehen von allen anderen“, sagte schon Winston Churchill. Das bedingt wohl auch, zuweilen zu akzeptieren, dass manchmal für das übliche Procedere die Zeit fehlt und zuweilen Bedenken, Einwände und spezielle Interessen zu kurz kommen. Zumal dann, wenn Gefahr im Verzug und rasches und bestimmtes Handeln nötig ist. Weil die Demokratie ohne Alternative ist, ist die Herausforderung an die Verantwortlichen freilich, Verbesserungen zu entwickeln und das Instrumentarium anzupassen, damit sie auch mit Krisen solchen Ausmaßes, wie wir sie derzeit erleben, wirkungsvoll zurande kommen kann.
Ob mehr sogenannte direkte Demokratie mit leichterem Zugang zu Volksabstimmungen, wie sie nun in Österreich angedacht werden, dazu gehören, ist zu bezweifeln. Wozu hat man schließlich Politiker gewählt? Nicht nur zum Spazierenfahren und zum Straßen Eröffnen, sondern auch, um im notwendigen Tempo handeln zu können. Und das sollen sie auch tun. Sie sind für einen bestimmten Zeitraum vom Volk oder von Parlamentariern gewählt, um zu handeln.
Merkel und Sarkozy tun das sehr explizit und gezielt. Wer daran etwas auszusetzen hat, muss das wohl eher der Führung der EU-Kommission, dem EU-Parlament oder anderen Regierungschefs als dem Duo Merkozy vorhalten - weil sie keine Ideen haben, weil sie sich zu wenig kümmern, weil es ihnen an Durchsetzungsvermögen fehlt, weil sie sich in deren Windschatten verstecken.
Zu letzteren gehört wohl Österreichs Regierungschef.
Aus österreichischer Sicht muss man sagen: Gottseidank. Nicht auszudenken, wäre Werner Faymann ein durchschlagskräftiger Politiker mit Rückgrat und Durchsetzungsvermögen. Dann hätte er auf all dem beharrt, was er seinerzeit der Kronenzeitung versprochen hat. In Österreich sähen wir uns einer Flut von Volksbefragungen gegenüber, die nicht nur Österreich der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern Europa immens geschadet hätten.
So gesehen fahren wir sicher besser damit, dass er schwach ist, auf europäischer Ebene den Mund hält und sich brav hinter Merkozy versteckt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2012

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