Donnerstag, 23. Februar 2012

Gebt uns Österreich zurück!





Wie eine Abrissbirne ein Bauwerk zertrümmert der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Korruption in diesen Wochen das Bild, das sich viele Bewohner dieses Landes vom schönen und guten Österreich und seiner heilen Welt zurechtgezimmert haben. Kaum etwas passt mehr von dem, an das sie geglaubt haben. Nicht die Grundsätze, nicht das Vertrauen. Kaum mehr etwas von dem, das sie stolz sein ließ auf das Land.

Die Dimensionen, um die es in diesem Ausschuss geht, haben viele nicht für möglich gehalten. Dass das gesamte politische System involviert ist, ja, dass sein Funktionieren über weite Teile darauf ausgerichtet erscheint.

Das schmerzt - vor allem jene, die sich bemüht haben in diesem Land und um dieses Land. Die sich hingestellt haben für die Politik, die gelaufen sind, die sich den Mund fusselig geredet und die sich mit Flugzetteln in der Hand die Zehen abgefroren haben. Die sich an den Stammtischen gegen Vorurteile zur Wehr und für Ideen einsetzten, und die es gegenüber Nörglern, Kritikern, Jammerern und Kassandra-Rufern verteidigten. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass nun offenbar doch genau jene Recht zu bekommen scheinen, die es immer schon gewusst haben, weil sie immer alles wissen, die Untergangsspezialisten und die, die hinter jeder Ecke notorisch Gaunerei und Betrug vermuten, die, die sich querlegen und die, die bremsen.

Was der Untersuchungsausschuss hervorbringt, ordnet Österreich und seine politische Kultur international neu ein. Bestenfalls inmitten, nicht selten aber sogar hinter Staaten in anderen Erdteilen, die man bisher hierzulande abschätzig als Bananenrepubliken qualifizierte.

Ein Staat als Selbstbedienungsladen. Das muss Österreich, respektive seine Bürgerinnen und Bürger, erst verdauen. Und dann geht es darum, das zu überwinden und zu verändern. Die Weichen so zu stellen, dass das nicht mehr passieren kann.

Die Herausforderung ist, wieder zurückzufinden, die Entwicklung umzukehren, eine neue Kultur im öffentlichen Umgang zu etablieren, wie sie sich in anderen, zumal europäischen Staaten, längst durchgesetzt hat.

Doch wer kann die Herausforderung meistern?

Es ist zwar löblich, dass nun an entsprechenden Gesetzesinitiativen gearbeitet wird, oder dass man das zu tun zumindest verspricht. Dass es aber ausreicht und zum Ziel führt, muss bezweifelt werden, machen sich nun in der Sache doch genau die gleichen Leute wichtig, die ungeniert zuschauten, wie Österreich im Korruptionssumpf versank.

Ganz abgesehen davon, dass zu fragen ist, ob ein paar schnelle Gesetzesänderungen überhaupt reichen, um das, was angerichtet wurde, wieder hinzukriegen. Denn die Gefahr scheint groß, von der einen einfachen in die andere einfache Lösung zu fallen. Allein aus diesem Grund erhebt sich die Frage, ob die Politik es überhaupt leisten kann, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen und aus allen Verflechtungen zu lösen und ob sie die Kraft dazu hat.

Nicht nur, dass all das zu bezweifeln steht, das ist wohl auch zu viel verlangt. Denn die Verantwortung allein auf die Politik abzuwälzen, greift zu kurz. In der Verantwortung stehen auch andere Institutionen der Gesellschaft vom Bundespräsidenten über die Gerichte, Kirchen bis hin zu den Medien. Und in der Verantwortung stehen auch die Wähler, die Zustände, wie sie derzeit im Untersuchungsausschuss verhandelt werden, zuließen, und nicht selten sogar goutierten, weil sie nichts Besonderes daran zu erkennen vermochten - zumal dann, wenn es um Vorgänge in jeweils jener Partei geht, die ihnen nahe steht.

Klar ist, dass die Bewältigung des Themas viel Fingerspitzengefühl und einen langen Atem verlangt. Einfache Lösungen gibt es nicht. Auch wenn das nun allerorten "Saubermänner“ jedweder Couleur weismachen wollen.

Die Lösung der Aufgabe wird nicht einfach sein. Fest steht lediglich, dass die Aufgabe eine große und ihre möglichst rasche und tiefgreifende Bewältigung eine notwendige ist.

Zu groß ist die Gefahr, dass die Stimmung in diesem Land endgültig kippt. Die politische "Kultur“ hierzulande mag zwar viel schlechter sein, als viele bislang glaubten. Das ist aber kein Grund dafür, das Land, seine Wirtschaft und seine sozialen Standards insgesamt schlecht zu machen. Da sind wir international vorne dabei. Und genau das sollte dem Land die Kraft geben, mit den aktuellen Problemen fertig zu werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. 2. 2010

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