Mittwoch, 14. März 2012

Das Sparkonsolidierungssteuerpaket und unsere Schuld daran






Es war wohl Zufall, aber es ist symptomatisch für dieses Land. Just an dem Tag, an dem in Wien das 28-Milliarden-Sparkonsolidierungssteuerpaket vom Nationalrat durchgewunken wurde, ließ sich im Oberösterreichischen ein Bürgermeister samt allen Gemeinderatsfraktionen für ein Hochwasserschutzprojekt feiern. "Sicherheit geht vor“, rapportierte die lokale Wochenzeitung Meinungen zum vorgeblich guten Werk. Das Wohngebiet sei sehr beliebt, man habe etwas tun müssen. Sogar aus dem fernen Wien heischte der Landwirtschaftminister, der zur nötigen Million die Hälfte beisteuerte, um Beifall.

Warum Projekte wie dieses mit einem Mal notwendig werden, fragt freilich niemand. Man kennt das. Leider und von viel zu vielen Fällen. Statt nach dem Warum zu fragen, lassen sich ausgerechnet genau jene feiern, die sie mit ihren Fehlentscheidungen, falschen Einschätzungen, planerischen Abenteuern, wasserbaulichen Unsinnigkeiten, Flussbegradigungen und Gefälligkeitswidmungen notwendig gemacht haben. Mithin also jene, die für das Desaster verantwortlich sind.

Pfuirufe haben sie nicht zu befürchten, wenn sie mit den Millionen anrücken und ganze Landstriche im Sinne des Hochwasserschutzes umgraben und verbetonieren. Ganz im Gegenteil. Sie können sich des Applauses jener sicher sein, für die diese Fehlentscheidungen gemacht und durchgedrückt wurden. Und freilich auch von den echten Opfern, die im guten Glauben Grund kauften und erst dann merkten, dass sie den falschen Leuten vertraut hatten, als das Wasser von oben in die Gummistiefel kam, während sie im Keller zu retten versuchten, was möglich war.

Kaum sonst wo ist so augenscheinlich, wie sehr auch die Bürger dieses Landes mit verantwortlich sind dafür, dass der Staatshaushalt längst aus allen Fugen geraten ist. Auch sie tragen ein gerüttelt Maß an Verantwortung dafür. Mit ihren Wünschen, mit ihren Forderungen und mit ihren Ansprüchen, die sie sehr oft wider besseres Wissen und mit großer Vehemenz durchsetzen. Und denen freilich die Politiker allzu oft allzu schnell nachgeben.

Die Sanierung von Fehlern kostet oft noch mehr als die Fehler selbst. Hochwasserschutzbauten sind nur ein teures Beispiel dafür. Da gibt es aber auch die millionenschweren Investitionen in Lärmschutzwände, die notwendig werden, weil man allzu lange ungeniert neben Autobahnen oder anderen hochrangigen Straßenverbindungen bauen ließ und allzu oft dem Druck von Grundeigentümern und Bürgermeistern nachgab. Von der Eisenbahn gibt es viele ähnliche Beispiele. Nach wie vor werden etwa keine 20 Meter von der Bahntrasse der Westbahn Häuser errichtet, deren Bewohner dann umgehend Lärmschutz fordern und auf die Barrikaden steigen. Nicht anders ist es in der Umgebung der Flughäfen. Dort sind oft genau jene die lautesten Protestierer gegen den Fluglärm, die sich in Flughafennähe ansiedelten, weil der Grund billig war und sie Gefallen an der zentralen Lage fanden.

Raumordnung freilich ist überall. Und das macht es für den Staat teuer. Möglichst früh in die möglichst hoch dotierte Pension zu gehen, gilt Vielen in diesem Land als das Lebensziel schlechthin. Man verlangt das Spital im Bezirk und neue Straßen und Geld für Energiesparmaßnahmen. Man verlangt und verlangt. Aber Steuern zahlen will niemand.

Schlimm genug. Noch schlimmer freilich ist, dass alle diese Forderungen, und seien sie oft noch so unsinnig und anmaßend, auch bedient werden. Irgendeine politische Partei, irgendeine Interessensgruppe, irgendeine NGO, irgendeine Zeitung findet sich immer, die sich auch hinter die Wünsche stellt und mögen sie noch so abstrus und teuer ein. Und irgendein Wahlkampf steht auch immer bevor, der als Rechtfertigung herhalten muss. Dass das für das Land mittlerweile unbezahlbar und für die Zukunft längst eine Hypothek ist, spielt dabei keine Rolle.

Million fügt sich so zu Million, Milliarde zu Milliarde. "Stopp“ sagt niemand. Eine Hand wäscht die andere. Geld gegen Stimme. Stimme gegen Geld. Und schon dreht sich die Spirale weiter. Es geht immer noch allzu leicht. Man braucht nur die richtigen Argumente. So etwas wie "Sicherheit geht vor“, wie es beim Hochwasserschutz gerne verwendet wird, geht immer. Dann spielen Millionen keine Rolle. Nicht bei den Politikern. Und nicht bei den Bürgern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. März 2012

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