Dienstag, 27. März 2012

Bauern drehen Milchhahn auf




Viele Milchbauern pfeifen auf Marktbeschränkungen, um ihre Zukunft abzusichern. Noch trägt es der Markt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die heimischen Milchbauern produzieren heuer so viel Milch wie schon lang nicht. Strafzahlungen in Millionenhöhe, die sogenannte Superabgabe, die wegen der Übererfüllung der Lieferkontingente droht, können sie kaum bremsen. „Wir werden mit Milch regelrecht zugeschüttet“, ist aus den Molkereien zu hören. Die Milchproduktion liegt derzeit im Schnitt um fünf Prozent über dem Vorjahresniveau, in manchen Gebieten aber deutlich höher.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben sich die Preise im vergangenen Jahr deutlich erholt. Die Molkereien zahlen knapp 40 Cent pro Kilogramm Milch. Zum anderen versuchen sich viele Bauern im Hinblick auf das Auslaufen des Kontingentierungssystem 2015 eine gute Ausgangsposition zu sichern und sich bei ihren Molkereien als gute Lieferanten zu empfehlen. „Die Anpassung läuft längst“, sagt Michael Wöckinger, Milchexperte der Landwirtschaftksammer Oberösterreich. „Bauern, die früher 15 Kühe hatten, haben heute 30, die, die 30 hatten, haben jetzt 60.“ Vor allem in den traditionellen Milchregionen, wie im Salzburger Flachgau, im Innviertel und im Mühlviertel bauen die Bauern seit Jahren im Hinblick auf den freien EU-Milchmarkt ihre Ställe aus.

Bei der AMA rechnet man damit, dass die Milchbauern im laufenden Milchwirtschaftsjahr, das mit 31. März endet, die nationale Milchquote von 2,846 Mill. Tonnen um mindestens 110.000 Tonnen übertreffen werden. Dafür werden in Brüssel nach derzeitigen Schätzungen mindestes 30 Millionen Euro an Strafzahlungen fällig. Auf ein Kilogramm Milch umgelegt, sind das im Schnitt 27,83 Cent, die nach einem komplizierten System auf die Überlieferer aufgeteilt werden. Bei einem Milcherzeuger, der statt der ihm zustehenden 100.000 Kilogramm 150.000 Kilogramm liefert, macht das mehr als 10.000 Euro aus.

Viele Milcherzeuger versuchen seit Monaten durch den Kauf von Lieferkontingenten von Bauern, die ihre Milchproduktion aufgeben, die Belastung zu mindern. Die Preise für das Recht ein Kilogramm zu liefern, schnellten binnen weniger Monate von rund fünf Cent vor Weihnachten sogar auf knapp 30 Cent. Dass diese Lieferrechte in zwei Jahren, wenn in der EU Milch ohne Beschränkung erzeugt werden kann, nichts mehr wert sind, nehmen die Bauern in Kauf. Denn das ist billiger als die Strafzahlungen. „Da fließt viel Geld unnötig aus der Milchwirtschaft“, wird geklagt.

Die Politik ist mit dieser Entwicklung jedoch alles andere als glücklich. Während die IG-Milch nach wie vor glaubt, eine EU-weite Mengensteuerung auch in Zukunft durchsetzen zu können, sucht die Agrarpolitik nach anderen Lösungen. Die Hoffnung auf eine Verlängerung des derzeitigen Systems mit Lieferrechten hat man aufgegeben. „Wir suchen nach Steuerungsinstrumenten“, sagt Josef Moosbrugger, oberster Milchbauernvertreter in der Landwirtschaftskammer Österreich. Angestrebt wird eine stufenweise Reduktion der Superabgabe und eine Anpassung der sogenannten Fettkorrektur, die den unterschiedlichen Fett-gehalt von Milch berücksichtigt. Kaum Chancen sieht er für die Durchsetzung einer EU-weiten Saldierung der Milchlieferungen, also einem Ausgleich zwischen den wenigen Ländern, die wie Österreich überliefern und jenen, die ihre Quoten nicht erfüllen. In Brüssel ist das aber nicht erwünscht, denn dann könnte man das derzeitige Quotensystem sofort auflösen.

Auch wenn derzeit die Märkte dank der internationalen Nachfrage vor allem aus Russland noch gut sind, stehen die Bauern dennoch unter Druck. In diesen Wochen senken eine Reihe von Molkereien den Bauernmilchpreis, dabei knabbern die hohen Betriebsmittelkosten ohnehin an den Erlösen. Sorgen macht der starke Druck des Handels. Und damit kann die derzeit heile Milchwelt sehr schnell wieder ganz anders ausschauen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. März 2012

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