Samstag, 5. Mai 2012

Die Bauern haben ein Recht auf gute Argumente





Den Bauern fliegen in diesen Wochen und Monaten die Vorwürfe und Vorhaltungen aus allen Winkeln der Gesellschaft um die Ohren. Sie werden als Nehmer hingestellt, die aus den öffentlichen Kassen Geld abstauben und keine Steuern zahlen. Sie werden für den Hunger in der Welt verantwortlich gemacht, weil sie Biosprit erzeugen. Sie müssen sich fast schämen, Grund zu besitzen, sie müssen sich vorhalten lassen, die Umwelt zu versauen und Tiere zu quälen, und sie werden als Bienenkiller durch die Medien gejagt.
Die obersten Agrarier kriegen diese für die Bauern immer prekärer und ärgerlicher werdende Lage nicht in den Griff. Wenn es nicht am Wollen scheitert, was anzunehmen ist, dann muss es wohl am Können liegen.
Ansichten und Einschätzungen in oft zugegebenermaßen sehr kniffeligen Themen offen und für jedermann verständlich darzulegen ist Sache der Agrarier nicht. Die Argumente sind oft schwach, saubere, gute und durchgängige Argumentation ist selten. Man ist allzuoft nicht bereit, auf die Vorhaltungen einzugehen, und glaubt mit Allgemeinplätzen à la "Bauern sind die besten Naturschützer" durchzukommen. Da eine kleine Antwort und dort eine und immer nur das, was gerade am allernötigsten erscheint. Immer ein bisserl luftig und immer mit einer gehörigen Portion Unschärfe, um sich, wie man wohl in zuweilen maßloser Selbstüberschätzung glaubt, nichts zu vergeben.
Dieser laue, wenig zielgerichtete Diskussionsstil ist in der Landwirtschaft, namentlich in der Agrarpolitik, in den vergangenen Jahren zur Unsitte geworden. Man ist sich selbst genug und ist dabei, ob der ewigen Nabelbeschau den Kontakt zu anderen Gesellschaftsschichten zu verlieren.
Kein Wunder, dass man die Diskussion seit Jahren nicht in den Griff kriegt. Den Bauern und auch der Agrarpolitik fällt das auf den Kopf. Sie sind auf der ganzen Linie angreifbar geworden. Immer Opfer, immer die Getriebenen, immer ungerecht behandelt - das zieht nicht mehr, sondern nervt nicht nur Gesellschaft und Politik, sondern auch immer mehr Bauern. Und vor allem: Es wird immer schwieriger, politische Forderungen, Wünsche und Projekte durchzusetzen.
Dass die Arbeiterkammer schon seit geraumer Zeit die Bauern nach Belieben vor sich hertreiben und verunglimpfen kann, hat genau damit zu tun. Den Argumenten von Arbeiterkammer-Boss Werner Muhm gegenüber haben die obersten Agrarier nicht nur auf der heurigen Wintertagung peinlich hilflos gewirkt. Wenn es um die Agrarreform geht, wird es, steht zu befürchten, nicht anders sein. Und beim Biosprit auch nicht.
Die Landwirtschaft braucht neue Argumente und vor allem wesentlich bessere Argumente. Sie braucht Mut und Durchsetzungskraft in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion und nicht vage und windelweiche Stellungnahmen und Erklärungen. Und sie braucht vor allem auf politischer Ebene wieder Glaubwürdigkeit. Es ist eine Überlebensfrage, dass es ihr gelingt, das Heft wieder in die Hand zu bekommen und nicht mehr von beliebigen Gruppen durchs Land getrieben zu werden.
Die Bauern haben ein Recht drauf -für wie hartnäckig, unfair und ahnungslos man die Gegenseite auch halten mag. Sie lechzen nach einer starken und schlüssigen Verteidigung und nach klaren Argumenten - allein schon um sich gegen die Anwürfe zur Wehr setzen zu können, die sie an den Stammtischen, im Kirchenchor oder Schulgemeinschaftsausschuss von Leuten hinnehmen müssen, die nicht zwischen Melkkammer, Ferkelstall und Traktorgarage aufgewachsen sind.

Gmeiner meint -. Blick ins Land,  Mai 2012

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