Donnerstag, 28. Juni 2012

Die Böcke lieben ihre Rolle als Gärtner





Die Arbeiterkammer drückte jüngst wieder kräftig auf die Tube. In den Medien wurden die hohen Lebensmittelkosten beklagt und der Österreich-Zuschlag angeprangert. Im jüngsten TV-Spot legte man dann noch nach. "Es läuft etwas schief in diesem Land“, tönt es mit schauderndem Tremolo in der Stimme zu den in dunklen Farben gehaltenen Bildern. "Hohe Preise machen vielen von uns das Leben kaum leistbar.“ Ganz Österreich an der Armutsgrenze sozusagen. Und alles Gauner, die dafür verantwortlich sind.

Mit Verlaub - da macht sich der Bock zum Gärtner. Und als solcher treibt der längst nicht nur den Bauern, sondern auch den Lebensmittelverarbeitern, dem Gewerbe, der Industrie und dem Handel, die sich als Preistreiber hinstellen lassen müssen, die Zornesröte ins Gesicht - zumal dann, wenn sie an ihren Kalkulationen arbeiten. Exemplarisch dafür sei einem großen Bäckereibetrieb, der Getreide direkt einkauft und selbst vermahlen lässt, über die Schultern geschaut. Da zeigt sich, dass dort alleine die letzte Anhebung der Kollektivertragslöhne um 3,2 Prozent den Betrieb so viel kostete wie der halbe Jahresbedarf an Weizen und Roggen. Kein Wunder: Die Rohstoffkosten machen gerade einmal drei Prozent der Gesamtkosten aus, der Aufwand fürs Personal aber gut und gerne zwischen 40 und 50 Prozent.

Dabei sind in dieser Kalkulation noch gar nicht die oft unnötigen Kosten berücksichtigt, die sehr häufig ihre Wurzeln im Umfeld der sich um die Preise so besorgt gebenden Einrichtungen wie Arbeiterkammer und Gewerkschaft haben. Der Bogen reicht von zuweilen skurrilen wie teuren und sinnlosen Arbeitsschutzauflagen bis hin zu allerlei Kontrollen, die oft nichts anderes sind als Beschäftigungstherapie für Beamte und Aufseher - selbstredend in ihren Rechten gut geschützt und vertreten von eben dieser Arbeiterkammer und Gewerkschaft, die um das leistbare Leben in Österreich fürchten.

Beispiele wie diese gibt es viele. Und es gibt sie in vielen Bereichen. Erst jüngst staunte der Geschäftsführer eines Unternehmens am Ende eines Krankenhausaufenthaltes nicht schlecht über die Auskunft des Arztes auf seine Frage, wie das nun mit dem Krankenstand gehe. "Wenn sie einfacher Arbeiter sind, schreiben wir in Fällen wie dem ihren die Patienten für sechs Wochen krank“, beschied ihm der so offen- wie treuherzig. "Wenn sie Angestellter sind, sind es vier Wochen. Und wenn sie Selbstständiger sind, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sie in drei Tagen wieder anfangen“.

Die Kalkulation der Bäckerei und die Drei-Klassen-Medizin der anderen Art stehen für vieles, das in der öffentlichen Diskussion nicht vorkommt. Und schon gar nicht in der Neid-Diskussion, die mittlerweile schon seit Jahren die Politik in diesem Land gefangen hält. Zahllos sind die großen und die kleinen und die offenen und die versteckten Privilegien, mit denen man sich hierzulande das Leben einrichtet, auf dass man nicht zu kurz komme - und die das Leben in Österreich teurer machen als in anderen EU-Staaten. Gerade Organisationen wie die Arbeiterkammer oder die Gewerkschaften, die so gerne und vor Selbstüberzeugung strotzend, ganz vorne stehen, wenn es um Gerechtigkeit und Lebenshaltungskosten geht, verstehen sich in Dingen wie diesen ganz besonders gut drauf. So gut, dass es längst oft unerträglich geworden ist.

Anzugreifen getraut sich diese Themen, die sich auf den Märkten in Kosten- und Wettbewerbsnachteilen niederschlagen, freilich niemand. Statt dessen verbiegt sich das Land seit Jahren in einer Gerechtigkeitsdebatte, der über weite Strecken jede Grundlage fehlt und die tiefe Gräben durch das Land zieht. Selbstständigkeit, Geld zu verdienen und zu verwalten - dafür muss man sich heute fast schämen in diesem Land. Unternehmer, Freiberufler, Besserverdiener, Bauern werden in die Nähe von Zockern gebracht, wenn sie nicht gleich überhaupt generell mit Halblichtern aus ihrem Umfeld in einen Topf geworfen werden. Was nicht dem Durchschnitt entspricht, steht unter Generalverdacht.

Das ist bitter. Für die Betroffenen und für das Land. Die Stimmung ist dabei, sich aufzuheizen, aufgeschaukelt freilich nicht nur von der einen, in diesem Fall, roten Seite. Auch die andere Seite tut in ihrer Unfähigkeit, mit den Vorhaltungen umzugehen, das ihre dazu. Das freilich ist auch als Zeichen der Schwäche und vielleicht auch des schlechten Gewissens zu sehen. Es darf aber kein Grund sein, nicht ernsthaft Bemühungen zu ergreifen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Juni 2012

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