Samstag, 28. Juli 2012

„Lebensmittel werden teurer“





Europa steuere auf Versorgungsprobleme hin, sagt Biopionier Werner Lampert und nimmt Bauern wie Konsumenten in die Pflicht.

Karin Zauner
Hans Gmeiner
Werner Lampert gilt als Pionier der biologischen Landwirtschaft in Österreich. Er brachte Bio in den Handel und nach seinem Ausstieg bei Rewe (Ja!Natürlich) kreierte er für den Diskonter Hofer die Marke „Zurück zum Ursprung“. Lampert ist bekannt dafür, auch unbequem zu sein.

Hofer hat die jüngste Preissenkung bei Milchprodukten angestoßen. Wurden dort auch Ihre „Zurück-zum-Ursprung“-Produkte billiger?

Lampert: Pfffffh! Ich habe von Preisen keine Ahnung. Die Aufschläge für unsere Biobauern sinken jedenfalls nicht.

Warum ist in Österreich und Deutschland der Preisdruck bei Lebensmitteln so groß?

Lampert: Man kann Österreich und Deutschland nicht miteinander vergleichen. Die Preise in Österreich waren immer bauernfreundlich. Österreichs Bauern erhalten anständige Preise, auch die Biobauernzuschläge sind sehr anständig.

Untersuchungen besagen, die Konsumenten würden durchaus mehr für Milch zahlen. Warum wird der Wettbewerb im Handel so stark über die Milch ausgetragen?

Lampert: Mit der Milch hängen viele Produkte zusammen, das ganze Joghurtsortiment und Käse.

Einerseits werden hochwertige Lebensmittel gefordert, andererseits günstige Preise. Wie kann man diesen Knoten auflösen?

Lampert: Die Frage geht mir ins Herz. Wir müssen uns zuallererst darüber unterhalten, was Qualität bei Lebensmitteln heißt. Was ist der Unterschied zwischen einer konventionell hergestellten Milch, für die Soja- und sehr viel Maisfutter eingesetzt wird und die Kuh nach drei Laktationen (Milchabgabeperioden, Anm.) kaputtgeht, und Biomilch. Natürlich wird auch bei Bio wie der Teufel Silage zugefüttert, obwohl das Vieh für dieses Proteinfutter nicht geeignet ist. Wir müssen uns darüber einig sein, was Qualität bei Lebensmitteln eigentlich heißt. Ich rede mit jungen Biobauern, die grandios ausgebildet sind und alles darüber wissen, wie man Erträge steigert, aber keine Ahnung haben, wenn es um die Qualität des Lebensmittels und des Produkts geht. Da braucht es eine grundsätzliche Diskussion. Die konventionellen Bauern sind dafür schon fast verloren. Eine Tierproduktion wie in Österreich ist nur möglich, weil Südamerika zugrunde gerichtet wird.

Wie meinen Sie das?
Lampert: Nur weil wir Paraguay, große Teile Brasiliens und Argentiniens für die Tierfutterproduktion systematisch zugrunde richten, können wir hier zu diesen Preisen Fleisch kaufen. Um diese Preise gibt es aber keine Lebensmittelproduktion, kein Fleisch. Den Wahnsinnspreis zahlen derzeit freilich andere. Das geht bis hin zur Ausrottung von indigenen Völkern. Ist das zulässig? Gleichzeitig wird der einzelne Landwirt hierzulande zu 50, 60, 70 bis 80 Prozent seines Einkommens subventioniert – mit unseren Steuergeldern.

Trotzdem gibt es in Österreich die Debatte, die Lebensmittel seien zu teuer.
Lampert: Das ist absurd. Lebensmittel werden in den nächsten 20 Jahren massiv teurer werden. In 20 bis 30 Jahren werden wir hier in Europa massive Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitteln haben. Genau deshalb müsste man die österreichische Landwirtschaft anschauen, damit sie uns in 20, 30 Jahren noch ernähren kann.

Was ist der andere Weg?

Lampert: Lebensmittel bekommen dann einen ernsthaften Echtpreis. Beim Fleisch wird dies das Drei- bis Vierfache im Vergleich zu heute sein.

Das heißt weniger Konsum?

Lampert: Nein, wir bezahlen jetzt ja auch den vierfachen Preis, halt nicht wir, sondern die Menschen in Südamerika.

Werden die Bauern nicht genötigt, günstig zu produzieren?

Lampert: Wer nötigt sie? Kein Mensch. Die Bauern haben sich mit einem System arrangiert, dass Landwirtschaft eben so funktioniert. Wenn 50, 60, 70 oder 80 Prozent des Einkommens über Transferzahlungen kommen, hat der Bauer relativ viel Freiheit, einen anderen Weg zu gehen. Das möchte ich hier schon klar sagen. Der Bauer entscheidet das für sich. Er ist frei.

Aber Bio wird noch stärker subventioniert als herkömmliche Landwirtschaft.

Lampert: Zu Recht. Ein Biobauer, der ordentlich arbeitet, tut sehr viel für die Gesellschaft.

Bauern sollen Verantwortung übernehmen. Nehmen diese die Konsumenten, die Verarbeiter und der Handel wahr?
Lampert: Nein. Das ist die wirkliche Krux. Das ist mein Thema seit 20 Jahren, und ich muss Ihnen sagen, ich bin gescheitert. Wenn die Konsumenten nicht die Verantwortung für die Bauern übernehmen, werden wir alle scheitern. Wir müssen in ein anderes Verhältnis kommen. Der Bauer muss ganz klar Verantwortung für Konsumenten und einen Großteil der Gesundheit der Konsumenten übernehmen. Und der Konsument muss in seinem Einkauf konkrete Verantwortung für den Bauern übernehmen, für seine wirtschaftliche Existenz, damit er solide arbeiten kann. Der Handel als Transformator funktioniert nicht.

Gibt es einen Weg zurück, weg vom Handel?

Lampert: Nein, wir wollen ja nicht, dass die Wiener in Salzburg einkaufen. Der Handel bietet aber nur an, was der Konsument nachfragt. Er hat eine neutrale Position. Der Konsument muss sich mit den Urproduzenten auseinandersetzen.

Hofer ist Ihr Auftraggeber, der bedient neben Bio aber auch die Billigstschiene. Dort arbeitet man aber nicht gerade in Ihre Richtung. Warum machen Sie bei jemandem mit, der billigste Lebensmittel verkauft?

Lampert: Das Thema ist mir sehr nahe. Aber mit solchen ideologischen Überzeugungen verändert man nichts, da kann man nur verlieren. Das Beste ist, wenn ich ein Projekt mache, bei dem ich das, was ich mache, moralisch verantworten kann. Sonst müsste ich Priester werden.

Sie nehmen den Konsumenten in die Pflicht und üben selbst Kritik an Bio?

Lampert: Wo in Österreich Bio draufsteht, ist Bio drinnen. Aber es gibt intern eine Diskussion, weil sich der Großteil in die falsche Richtung entwickelt.

In welche?

Lampert: Die biologische Landwirtschaft hat aufgenommen, woran die konventionelle krankt, schnelllöslichen Stickstoff, Federmehl oder Knochenmehl. Das widerspricht dem Grundgedanken von Bio. Kein Konsument kann verstehen, dass er Biomilch und Biofleisch von Tieren bekommt, die keine Sekunde auf der Wiese waren. Hier muss es einen Ruck zurück zur soliden Landwirtschaft geben.

Der Konsument ist mit den vielen Marken, Logos und Botschaften im Biosektor total überfordert. Ist das nicht kontraproduktiv?

Lampert: Die Gefahr besteht. Wir hätten hier eine Verpflichtung, es so zu erklären, dass der Konsument ohne Vorbildung verstehen kann, was los ist. Sonst kann er keine Verantwortung übernehmen.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 28. Juli 2012

Montag, 23. Juli 2012

Trend zu Fisch überrollt Fischer




Fisch wird immer beliebter. Die Fischereiwirtschaft kann aber den Trend nicht nützen.

HANS GMEINER Linz (SN). Im Kescher, den Erich Glück aus dem Wasser seiner Fischzuchtanlage im oberösterreichischen Mauerkirchen zieht, zappeln Saiblinge. Stolz präsentiert er sie seinen Besuchern. „Die Nachfrage ist groß“, sagt er. „Die Konsumenten schauen heute sehr genau, wo die Fische herkommen.“ Von seinem Vater übernahm er vor Jahren einen landwirtschaftlichen Fischereibetrieb in Wolfern. Heute produziert er an vier Standorten. Bei Salmonoiden, wie Forellen und Saiblinge in der Fachsprache genannt werden, zählt er zu den Großen der Branche. 100 Tonnen Fisch erzeugt er in seinen drei Aquakulturanlagen in Oberösterreich. Dazu kommen 400 Tonnen in einer Anlage im Kärntner Rosental, die er vor zwei Jahren kaufte.

Glück setzt alles daran, den Trend zu Fisch zu nützen. In den vergangenen zehn Jahren stieg der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich um gut 40 Prozent auf knapp acht Kilogramm. Besonders gefragt sind Süßwasserfische. Ihr Anteil am Gesamtverbrauch liegt heute bei fast 50 Prozent. Vor zehn Jahren waren es nur 25 Prozent.

Der Wermutstropfen dabei: Nur ein Drittel der Süßwasserfische, die in Österreich konsumiert werden, kommen aus heimischen Gewässern. Während sich die Einfuhren in den vergangenen 20 Jahren verdoppelten, dümpelt die Produktion der heimischen Fischereiwirtschaft (rund 400 Unternehmen, 1200 Beschäftigte) seit Jahren bei knapp über 2000 Tonnen. 90 Prozent davon kommen aus Aquakulturen und Teichen, zehn Prozent aus Seen und Flüssen. Der Selbstversorgungsgrad beträgt nur 34 Prozent.

Die Situation der heimischen Fischereiunternehmen ist trotz guter Marktaussichten schwierig. Man tut sich schwer gegen die Billigkonkurrenz aus Dänemark, Italien, Frankreich, Chile und der Türkei, die vorwiegend in industriellen Maßstäben produziert. Dass ihnen die heimische Bürokratie und ein fischereifeindliches Wasserrecht das Leben zusätzlich erschweren, macht die Situation nicht einfacher.

Glück ist dennoch davon überzeugt, dass die heimische Produktion innerhalb weniger Jahre markant gesteigert werden kann. Agrarpolitiker wie der oberösterreichische Landesrat Max Hiegelsberger glauben, dass dabei Bauern, die neue Einkommensmöglichkeiten suchten, eine wichtige Rolle spielen könnten.

„Wir brauchen aber mehr Rückhalt von der Politik“, hakt Glück ein. Genau das versucht Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich zu bieten. „Aquakultur 2020“ heißt das Projekt, mit dem die Produktion auf 5500 Tonnen und der Selbstversorgungsgrad auf 60 Prozent erhöht werden sollen.

Dazu beitragen sollen auch die Einführung des AMA-Gütesiegels für Fische und der Ausbau der Fisch-Genuss-Regionen. Auch die Produktion von Biofischen, die derzeit nur wenige Prozent ausmacht, könnte dann bedeutender werden.

Klar ist, dass die heimischen Fischer auch in Zukunft darauf angewiesen sein werden, Nischen zu bedienen. „Mit den Preisen im Großhandel werden wir nie mithalten können“, sagt Glück. Oft liegt man um das Doppelte und mehr darüber.

„Im Handel gibt es tiefgekühltes Zanderfilet um neun Euro“, sagt Wolfgang Hiesmayr, der in Hofkirchen bei Steyr Fische züchtet und auf seinem Bauernhof und in Linz unter der Marke Jagerbauer vermarktet. „Ich schaffe das nicht unter 40 Euro.“

Dafür freilich ist dieses Filet frisch aus dem Teich. Genau deswegen glaubt Hiesmayr, auf dem richtigen Pfad zu sein. „Denn die Regionalität und die Frische sind bei den Konsumenten große Themen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 23. Juli 2012

Donnerstag, 19. Juli 2012

Das Lahme der Demokratie





Die Europäische Union samt ihrer Währung schlingert wie ein leck geschlagener Kahn durch ein Meer an Problemen. Seit nun schon vier Jahren tröstet man sich von einer schlechten Nachricht zur anderen, von einem Krisengipfel zum anderen und klammert sich an jeden Strohhalm, auf dass die Nerven nicht das Flattern kriegen.

Immer klarer wird nach all den enttäuschten Erwartungen und Hoffnungen aber, dass das noch lange nicht zu Ende ist. Immer greifbarer wird, dass Politik und Wissenschaft überfordert sind mit der Dimension der Aufgabe, dass es dafür kein Beispiel in der Geschichte gibt, an dem man sein Handeln orientieren könnte und dass es vor allem kein einfaches Rezept gibt, die Probleme in den Griff zu bekommen. Das schon gar nicht. Mehr noch, die Sünder scheinen das Ruder im Kampf gegen die Krise zu übernehmen. Italien, Frankreich und Spanien haben mit einem Mal die Oberhand, die Deutschen hingegen stehen mit dem Rücken zur Wand.

Die Politik ist sich uneins und auch die Wissenschaft. Längst haben sich da wie dort Lager gebildet, die einander unerbittlich gegenüberstehen, sich gegenseitig behindern und schlecht machen. Abgehoben und zurückgezogen fallen Entscheidungen in uneinsehbaren Parlamentsgängen, in geschlossenen politischen Zirkeln, in den sprichwörtlichen Elfenbeintürmen der Wissenschaft, in Brüssel, in Berlin, in Paris, auch in Wien.

Der deutsche Bundespräsident Gauck war es, der Kanzlerin Merkel mahnte, den Menschen besser zu erklären, was wirklich läuft. Was gemacht wird, was all die Beschlüsse, in denen es um unvorstellbare Milliardensummen geht, für die Leute bedeuten, für die Wirtschaft daheim, für den Arbeitsplatz und vor allem für die Zukunft, für die Jugend.

Gaucks Vorstoß, und dazu die Befassung des Verfassungsgerichtshofs in Deutschland mit den ESM-Beschlüssen, sind Ausdruck dafür, dass die Wirtschafts- und die Eurokrise nicht nur Krisen der Wirtschaftspolitik sind. Längst sind sie Krisen der Politik insgesamt respektive der Demokratiepolitik und - das vor allem - ihres Instrumentariums.

Daher rüttelt die Krise mittlerweile an den Grundfesten des demokratischen Systems, denn das kommt mit seinen Instrumenten mit dem Tempo der Krise ganz offensichtlich nicht mehr mit. So wie die meisten Staaten es eingerichtet haben, ist Demokratie ein dröges, langwieriges und zähes Geschäft, das viel Zeit verlangt. Lesungen, Ausschusssitzungen, Plenarsitzungen, Abstimmungen, Volksbefragungen gar brauchen viel zu viel Zeit für das Umfeld, in dem die europäische Politik derzeit so dringend Lösungen finden muss. Zeit, die die Politik für die Eurorettung oft nicht hat. Viel zu lange dauern zumeist die vorgesehenen Beschlusswege durch Parlamente und Ämter. Viel zu oft müssen die Politiker in der derzeitigen Krise daher unter Missachtung der demokratischen Spielregeln nolens volens den kurzen Weg gehen, um von den Entwicklungen nicht vollends überrollt zu werden.

Politischen Mandataren, die nicht gefragt werden, immer mehr Menschen insgesamt, ist dabei zunehmend unwohl. Verständlicherweise. Kein Wunder ist daher, dass die Diskussion um die Einbindung der Parlamente und der Wähler immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Forderung nach Mitsprache und Mitbestimmung wird lauter. Die Entscheidungsträger ganz oben tun sich schwer damit. Allerorten. Hat man Angst vor zu viel Demokratie? Dies ist die Frage, die immer öfter zu hören ist.

"Ja“ ist wohl die Antwort, die darauf zu geben angesichts der derzeitigen Ausgestaltung der demokratischen Prozesse einerseits und der Eile, in der oft Entscheidungen fallen müssen. Die demokratischen Systeme sind in weiten Bereichen, zumal in wirtschaftlichen Belangen, kaum vorbereitet auf das, was die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit“ so treffend "Sofortismus der Märkte“ nennt.

Nie und nirgendwo hat man sich darum gekümmert, um dafür taugliche demokratische Instrumente zu entwickeln. Jetzt ist der Druck hoch. Die Herausforderung dabei ist eine große. Es geht darum, die demokratische Qualität beizubehalten, gleichzeitig aber rasche Entscheidungen zu ermöglichen, die auch den erhöhten demokratischen und demokratiepolitischen Anforderungen standhalten - auch in Zeiten solcher Krisen, wie wir sie derzeit haben. Und das möglichst schnell. Bisher glaubte man ohne zurechtkommen zu können. Das rächt sich jetzt. Immer mehr.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 19. Juli 2012

Mittwoch, 18. Juli 2012

Übrig bleiben die Bauern





Konsumenten geben sich in Umfragen oft besorgt um die Bauern und bezeichnen hochwertige Lebensmittel gern als das Einzige, was sie wollen, auch wenn es mehr Geld kosten sollte. Politiker versprechen nicht weniger gern, vor allem kleinen Bauern und bäuerlichen Initiativen helfen zu wollen.

Ihre Ansinnen mögen durchaus lauter sein, allein in der Realität erweisen sie sich als schwierig. Selbst wenn sie guten Willens sind. Denn da wie dort geraten die Relationen schnell aus dem Lot.

Der Konsument, der Qualität will, muss oft rasch erkennen, dass sein Wollen mit dem Können seiner Brieftasche nicht mitkann und greift zum billigeren Produkt. Und die Politiker müssen erkennen, dass auch die Unterstützung kleiner Initiativen sehr rasch zu finanziellen Abenteuern werden kann, bei denen der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Flugs steht man vor der Frage, ob nicht einige wenige bevorzugt würden und ob man mit dem Geld nicht Besseres hätte machen können.

Übrig bleiben die Bauern. Ihnen, zumal den kleinen Bauern, zu helfen ist angesichts der Verhältnisse auf den Märkten und des Verhaltens der Konsumenten schwierig. Mit Geld allein ist das nicht machbar. Mit noch mehr Geld auch nicht. Aus noch halbwegs eigenständigen Bauern werden dann endgültig Landschaftsbeamte, die ihr Leben als politische Spielbälle fristen müssen.

Das zu verhindern muss für die Agrarpolitik und die anstehende EU-Agrarreform eine zentrale Aufgabe sein. Mit Umverteilung, auf die sich derzeit die Diskussion konzentriert, ist da wenig gemacht. Es sind andere Konzepte erforderlich. Die freilich sind nicht zu sehen.

Salzburger Nachrichten Kommentar Wirtschaft, 18. Juli 2012

Die „gut so!“-Bauern sind enorm verärgert





Das Ende des „gut so!“-Markenprogramms erzürnt die Bauern. Sie fühlen sich von der Politik weggelegt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Schnifner Bergkäse, Piberegger Ziegenkäse, Sennereibutter oder Honigkrustenschinken zählen zum Besten, das die heimische Landwirtschaft zu bieten hat. Bergbauern und kleine Sennereien in Vorarlberg und bäuerliche Betriebe in der Steiermark und in Niederösterreich lieferten Produkte wie diese bisher unter dem Gütesiegel „gut so!“ an regionale Händler, Feinkostläden und Gastronomie. Jetzt sind sie sauer, weil ihnen diese Vermarktungsplattform samt Gütesiegel abhanden kommen soll. Mit Anfang Juli übernahm die AMA-Marketing das Programm von fairea, einer Tochtergesellschaft des Ökosozialen Forums. Auch wenn die offizielle Entscheidung noch nicht gefallen ist, gilt die Einstellung der Marke, in die in vier Jahren 1,1 Millionen Euro an Förderungen flossen, als ausgemacht.

Das erbost Peter Dünser als Bauer und Chef der Sennerei Schnifis zutiefst. „Das war etwas für uns Bauern, mit dem wir uns auf dem Markt differenzieren konnten“, sagt er. „Gerade kleine und mittlere Betriebe, die sich an internationaler Spitzenqualität messen wollen, brauchen ein Instrument oberhalb der gängigen AMA-Siegel.“

Darum versteht er nicht, dass sich das Ökosoziale Forum schon nach vier Jahren von diesem Projekt verabschiedete. „Man muss doch am Anfang gewusst haben, dass fünf Jahre für so ein Projekt gar nichts sind“, sagt Dünser. „Das Team von fairea und ,gut so!‘ hat gute Arbeit geleistet.“ Seine Sennerei etwa habe neue Kunden gefunden und sei über Partner wie die Weinmarketing in neue Schichten hineingekommen. „Wir liefern jetzt nicht nur in Vorarlberg, sondern auch nach Südtirol und sogar in Berlin sind wir in der Spitzengastronomie.“

Schuld am Scheitern gibt Bauer Dünser der Agrarpolitik. „Es wurde nie ernsthaft geschätzt, was wir geschaffen haben“, sagt Dünser. „Die AMA-Marketing und die Agrarpolitik haben das Siegel einfach nicht gewollt, sondern uns immer nur belächelt.“ Darum sei nicht verwunderlich, dass die ursprünglichen Ziele nicht erreicht worden seien. Der niederösterreichische Agrarlandesrat Stephan Pernkopf, Nachfolger von „gut so!“-Erfinder Franz Fischler als Obmann des Ökosozialen Forums, hat nach Ansicht Dünsers „nicht die Notbremse gezogen, sondern das Projekt loswerden wollen“.

Wie es mit den 28 Bauern und acht Verarbeitungsbetrieben, die zuletzt nach „gut so!“-Richtlinien arbeiteten, weitergeht, ist offen. In die AMA-Marketing setzt Dünser keine Erwartungen. Der Vorarlberger Agrarlandesrat Erich Schwärzler will laut Dünser noch einmal seine Kollegen mit dem Thema befassen. Die Landesagrarreferenten haben sich freilich schon vor zwei Jahren aus der Förderung des Projekts verabschiedet. Eher könnte eine Kooperation mit der deutschen Schweissfurt-Stiftung zustande kommen. „Wenn wir nicht auf privater Basis etwas finden, ist es wohl endgültig vorbei“, macht sich Dünser keine Illusionen.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 18. Juli 2012

Donnerstag, 12. Juli 2012

Schinken ohne Gentechnik




Pilotprojekt für Schweinefleisch: AMA-Gütesiegel soll erweitert werden

HANS GMEINER Linz (SN). Vor zwei Monaten lancierten die Handelsketten Rewe und Spar werbewirksam Projekte zur Erzeugung von Schweinefleisch, die ohne gentechnisch veränderte Futtermittel (GVO-frei) auskommt. Nun solle die AMA bei ihrem Gütesiegel nachziehen, wünscht sich Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich. Am Mittwoch kündigte er ein Pilotprojekt an. „Das AMA-Gütesiegel für Schweinefleisch soll um ein GVO-frei-Siegel erweitert werden“, sagte der Minister in Linz. „Wir wollen das ab Herbst testen.“

Noch gibt es freilich keine genauen Richtlinien und auch keine Partner in Verarbeitung und Handel, mit denen man dieses Projekt verwirklichen kann. „Details zu nennen ist noch verfrüht“, sagte der Minister. Anders als derzeit bei den Programmen des Handels müssten beim AMA-Gütesiegel auch die Ferkel GVO-frei gefüttert werden.

In der Bauernschaft ist man vom Zeitpunkt des Berlakovich-Vorstoßes überrascht. „Ich bin verwundert“, sagte Walter Lederhilger, Chef der heimischen Schweinebauern. Er signalisiert aber Bereitschaft, Berlakovich zu unterstützen, „wenn es klare Spielregeln gibt“. Die Bauern fürchten, auf Mehrkosten für GVO-freies Soja aus Südamerika sitzen zu bleiben. 1800 Schweinemäster arbeiten nach den Richtlinien des AMA-Gütesiegels, das als einziges österreichische Herkunft garantiert. Der Marktanteil beträgt 40 Prozent.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 12. Juli 2012

Mittwoch, 11. Juli 2012

Schlussstrich unter Fischlers Abenteuer




AMA-Marketing übernimmt „gut so!“ – Interesse an Know-how, aber die Marke verschwindet

HANS GMEINER Salzburg (SN). Es hätte ein Vorzeigeprojekt für die Vermarktung hochwertiger österreichischer Lebensmittel werden und neue Ethikstandards setzen sollen. Als damaliger Präsident des Ökosozialen Forums organisierte der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler im Jahr 2008 öffentliche Gelder, sprach höchstpersönlich bei den Chefs des Lebensmittelhandels vor und gründete mit fairea ein eigenes Unternehmen unter den Fittichen seiner Organisation, um die Marke „gut so!“ im Lebensmittelhandel zu etablieren. Er wollte zeigen, wie man erfolgreich hochwertige Lebensmittel richtig vermarktet. Geworden ist daraus ein im Verhältnis zum Umsatz sündteurer Flop. Statt 600 Produkte, wie ursprünglich geplant, tragen vier Jahre nach Gründung nur gut 70 das „gut so!“-Siegel. In der Lebensmittelbranche fanden sich nur acht Lizenznehmer und auf der Lieferantenliste stehen nur 28 Bauern. Nicht viel angesichts der rund 1,1 Millionen Euro, die an öffentlichen Mitteln in dieses Projekt flossen.

Fischlers Nachfolger als Präsident des Ökosozialen Forums, der niederösterreichische Agrarlandesrat Stephan Pernkopf, zog daher nur wenige Monate nach Fischlers Abschied die Notbremse. Er brachte das „gut so!“-Markenprogramm bei der AMA-Marketing unter. Dort ist man nach Angaben einer Sprecherin vor allem am Know-how von „gut so!“ interessiert. „Das Siegel selbst werden wir auslaufen lassen.“

Das „gut so!“-Projekt stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Der Handel zeigte sich reserviert und angesichts des holprigen Starts verlor auch die Agrarpolitik, die anfangs Pate stand, bald das Interesse. Statt der ursprünglich geplanten 1,9 Millionen Euro aus den Fördertöpfen der Ländlichen Entwicklung, die von Brüssel, Bund und Ländern gefüllt werden, gab es nur rund 800.000 Euro. 2010 stellten die Agrarreferenten der Länder die Unterstützung endgültig ein. Weitere 300.000 Euro aus der Ländlichen Entwicklung musste fairea deshalb über das Wirtschaftsministerium organisieren. Doch auch das machte das Kraut nicht mehr fett. Der Umsatz kam über zwei Millionen Euro nie hinaus.

„Es gelang einfach nicht, das Projekt so wie geplant wirtschaftlich auf die Reihe zu bringen“, sagt Klemens Riegler-Picker, Geschäftsführer des Ökosozialen Forums. Er ist erleichtert, dass die AMA-Marketing das Projekt übernommen hat. „Geld haben wir keines dafür bekommen.“ Mit den vier Mitarbeitern habe man eine einvernehmliche Lösung gefunden. Das Ökosoziale Forum habe keinen finanziellen Schaden genommen. Die fairea GmbH bleibe als Hülle vorerst weiter bestehen. „Vielleicht können wir die Gesellschaft noch brauchen“, sagt Riegler-Picker. „Momentan haben wir aber keine Pläne dafür.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. Juli 2012

Donnerstag, 5. Juli 2012

Eine Verwechslung namens Politik





"So etwas geht sogar meinen jungen Feuerwehrern hinein, die reden da drüber, denen reicht‘s“. Der Feuerwehrchef einer kleinen Wehr auf dem flachen Land ärgert sich über das, was in Österreich so gerne für "große Politik“ gehalten wird - die Schacherei und das Geschiebe, wenn es darum geht, Posten zu besetzen und fremdes Geld zu verteilen, und wie man sich dabei trotzdem von jeder Verantwortung abputzt .

Und von all dem gab es in den vergangenen Wochen genug. Mehr als genug. Man mag zu Arbeiterkammer-Muhm stehen wie man will, was rund um seine Abberufung aus dem Generalrat der Nationalbank vor sich ging, war so entblößend wie abstoßend. Nicht anders das Gefeilsche und das Hickhack um die Neubesetzung der Leitung des Wiener AMS oder die Verlängerung eines ASFINAG-Vorstands. Alle Vorurteile erfüllten gleich eine Reihe von ehemaligen Ministern und anderen Politikern im parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit der Leichtigkeit und Dreistigkeit, mit der sie jede Verantwortung für ihr Tun abstritten und sich unwissend stellten. Und gar nicht zu reden von dem, was die Parteien als Neuordnung der Parteienförderung feierten. 29 Mill. statt knapp 16 Mill. Euro für die Bundesparteien aus dem Staatssäckel, das die Steuerzahler füllen. Und das in einer Zeit, in der die Politiker ihrem Volk Tag für Tag predigen, dass sie jeden Euro umdrehen müssen und es nur einen Weg gibt, die Zukunft zu meistern - sparen.

Genau davon freilich war rund um die Parteienförderung keine Rede. Nichts davon, dass die Forderung nach Anpassung der Strukturen, nach Sparen und neuen Organisationsformen und all dem anderen, was tagtäglich von irgendeinem politischen Bankerl gepredigt wird, auch für die Parteien selbst gilt. Bundesparteizentralen in Nobellagen, üppig ausgestattete Landesparteizentralen und dazu noch Niederlassungen in allen Bezirken. Der Verwaltungsapparat, den sich die Parteien zu Absicherung ihres Überlebens aufgebaut haben, hat beachtliche Dimensionen angenommen. In der Überzeugung, sich Wählerstimmen zu sichern, und in der Überzeugung, das für Politik zu halten, haben sich Parallel-Universen zu den ohnehin vorhandenen öffentlichen Einrichtungen etabliert. Da werden Beratungen für Jugendliche und Senioren angeboten, Kinderferien und Schulungen. Die Vielfalt des Angebotes ist schier unendlich. Das kostet. Und nicht nur das - man mag gar nicht an die Unzahl der Plakate, Aussendungen und Veranstaltungen in Wahlkampfzeiten denken.

Das freilich aber scheint kein Thema zu sein bei vielen hohen Damen und Herren, die davon leben, fremdes Geld, nämlich das der Steuerzahlerin, respektive des Steuerzahlers, einzusammeln und neu zu verteilen. Das ist genauso inakzeptabel und abstoßend wie die Ränke-und Machtspiele um die Besetzung von Posten. Was wurde dabei dem Volk nicht schon alles an Versprechungen und Abmachungen vorgesetzt. Nichts haben sie offenbar bewirkt, jedenfalls nichts, das von Nachhaltigkeit zeugen würde. Alles offenbar nur Schall und Rauch, wenn man Revue passieren lässt, was in den vergangenen Wochen durch die Medien ging.

Man neigt fast dazu zu glauben, dass Politiker das sind, was immer mehr Leute von ihnen halten - selbstbezogen, macht- und geldgierig und oft ohne Verantwortung. Und allen Sonntagsreden zum Trotz völlig lern-resistent. Da ist es kein Wunder, dass jüngsten Umfragen zufolge 40 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gar nicht mehr wählen gehen wollen und die Mehrzahl der Jungen den Versprechungen von politischen Glücksrittern, denen man nie einen Staat anvertraut wissen möchte, nachlaufen. Man ist geneigt, sie allesamt zu verstehen, so wie das Wahlvolk ständig vorgeführt wird. Man kann pfeifdrauf werden in einem Land, in dem sich sogar die christlich-soziale Partei, die ihre Gesinnung und Grundsätze so gerne als parteigewordene Gutheit vor sich herträgt, genötigt sieht, sich einen Verhaltenskodex zu verpassen, weil die eigenen Funktionäre offenbar trotz alledem ihre Orientierung und damit den Ruf verloren haben. Dass ein Tansparenzpaket als die große politische Leistung der vergangenen Wochen abgefeiert wird, passt da dazu. Man ist durch die Notwendigkeit, sich mit an sich Selbstverständlichem zu beschäftigen, blockiert, und hält das in aller Verblendung für zukunftsweisende Politik. Mit Verlaub - da liegt eine Verwechslung vor.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 5. Juli 2012
 
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