Samstag, 28. Juli 2012

„Lebensmittel werden teurer“





Europa steuere auf Versorgungsprobleme hin, sagt Biopionier Werner Lampert und nimmt Bauern wie Konsumenten in die Pflicht.

Karin Zauner
Hans Gmeiner
Werner Lampert gilt als Pionier der biologischen Landwirtschaft in Österreich. Er brachte Bio in den Handel und nach seinem Ausstieg bei Rewe (Ja!Natürlich) kreierte er für den Diskonter Hofer die Marke „Zurück zum Ursprung“. Lampert ist bekannt dafür, auch unbequem zu sein.

Hofer hat die jüngste Preissenkung bei Milchprodukten angestoßen. Wurden dort auch Ihre „Zurück-zum-Ursprung“-Produkte billiger?

Lampert: Pfffffh! Ich habe von Preisen keine Ahnung. Die Aufschläge für unsere Biobauern sinken jedenfalls nicht.

Warum ist in Österreich und Deutschland der Preisdruck bei Lebensmitteln so groß?

Lampert: Man kann Österreich und Deutschland nicht miteinander vergleichen. Die Preise in Österreich waren immer bauernfreundlich. Österreichs Bauern erhalten anständige Preise, auch die Biobauernzuschläge sind sehr anständig.

Untersuchungen besagen, die Konsumenten würden durchaus mehr für Milch zahlen. Warum wird der Wettbewerb im Handel so stark über die Milch ausgetragen?

Lampert: Mit der Milch hängen viele Produkte zusammen, das ganze Joghurtsortiment und Käse.

Einerseits werden hochwertige Lebensmittel gefordert, andererseits günstige Preise. Wie kann man diesen Knoten auflösen?

Lampert: Die Frage geht mir ins Herz. Wir müssen uns zuallererst darüber unterhalten, was Qualität bei Lebensmitteln heißt. Was ist der Unterschied zwischen einer konventionell hergestellten Milch, für die Soja- und sehr viel Maisfutter eingesetzt wird und die Kuh nach drei Laktationen (Milchabgabeperioden, Anm.) kaputtgeht, und Biomilch. Natürlich wird auch bei Bio wie der Teufel Silage zugefüttert, obwohl das Vieh für dieses Proteinfutter nicht geeignet ist. Wir müssen uns darüber einig sein, was Qualität bei Lebensmitteln eigentlich heißt. Ich rede mit jungen Biobauern, die grandios ausgebildet sind und alles darüber wissen, wie man Erträge steigert, aber keine Ahnung haben, wenn es um die Qualität des Lebensmittels und des Produkts geht. Da braucht es eine grundsätzliche Diskussion. Die konventionellen Bauern sind dafür schon fast verloren. Eine Tierproduktion wie in Österreich ist nur möglich, weil Südamerika zugrunde gerichtet wird.

Wie meinen Sie das?
Lampert: Nur weil wir Paraguay, große Teile Brasiliens und Argentiniens für die Tierfutterproduktion systematisch zugrunde richten, können wir hier zu diesen Preisen Fleisch kaufen. Um diese Preise gibt es aber keine Lebensmittelproduktion, kein Fleisch. Den Wahnsinnspreis zahlen derzeit freilich andere. Das geht bis hin zur Ausrottung von indigenen Völkern. Ist das zulässig? Gleichzeitig wird der einzelne Landwirt hierzulande zu 50, 60, 70 bis 80 Prozent seines Einkommens subventioniert – mit unseren Steuergeldern.

Trotzdem gibt es in Österreich die Debatte, die Lebensmittel seien zu teuer.
Lampert: Das ist absurd. Lebensmittel werden in den nächsten 20 Jahren massiv teurer werden. In 20 bis 30 Jahren werden wir hier in Europa massive Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitteln haben. Genau deshalb müsste man die österreichische Landwirtschaft anschauen, damit sie uns in 20, 30 Jahren noch ernähren kann.

Was ist der andere Weg?

Lampert: Lebensmittel bekommen dann einen ernsthaften Echtpreis. Beim Fleisch wird dies das Drei- bis Vierfache im Vergleich zu heute sein.

Das heißt weniger Konsum?

Lampert: Nein, wir bezahlen jetzt ja auch den vierfachen Preis, halt nicht wir, sondern die Menschen in Südamerika.

Werden die Bauern nicht genötigt, günstig zu produzieren?

Lampert: Wer nötigt sie? Kein Mensch. Die Bauern haben sich mit einem System arrangiert, dass Landwirtschaft eben so funktioniert. Wenn 50, 60, 70 oder 80 Prozent des Einkommens über Transferzahlungen kommen, hat der Bauer relativ viel Freiheit, einen anderen Weg zu gehen. Das möchte ich hier schon klar sagen. Der Bauer entscheidet das für sich. Er ist frei.

Aber Bio wird noch stärker subventioniert als herkömmliche Landwirtschaft.

Lampert: Zu Recht. Ein Biobauer, der ordentlich arbeitet, tut sehr viel für die Gesellschaft.

Bauern sollen Verantwortung übernehmen. Nehmen diese die Konsumenten, die Verarbeiter und der Handel wahr?
Lampert: Nein. Das ist die wirkliche Krux. Das ist mein Thema seit 20 Jahren, und ich muss Ihnen sagen, ich bin gescheitert. Wenn die Konsumenten nicht die Verantwortung für die Bauern übernehmen, werden wir alle scheitern. Wir müssen in ein anderes Verhältnis kommen. Der Bauer muss ganz klar Verantwortung für Konsumenten und einen Großteil der Gesundheit der Konsumenten übernehmen. Und der Konsument muss in seinem Einkauf konkrete Verantwortung für den Bauern übernehmen, für seine wirtschaftliche Existenz, damit er solide arbeiten kann. Der Handel als Transformator funktioniert nicht.

Gibt es einen Weg zurück, weg vom Handel?

Lampert: Nein, wir wollen ja nicht, dass die Wiener in Salzburg einkaufen. Der Handel bietet aber nur an, was der Konsument nachfragt. Er hat eine neutrale Position. Der Konsument muss sich mit den Urproduzenten auseinandersetzen.

Hofer ist Ihr Auftraggeber, der bedient neben Bio aber auch die Billigstschiene. Dort arbeitet man aber nicht gerade in Ihre Richtung. Warum machen Sie bei jemandem mit, der billigste Lebensmittel verkauft?

Lampert: Das Thema ist mir sehr nahe. Aber mit solchen ideologischen Überzeugungen verändert man nichts, da kann man nur verlieren. Das Beste ist, wenn ich ein Projekt mache, bei dem ich das, was ich mache, moralisch verantworten kann. Sonst müsste ich Priester werden.

Sie nehmen den Konsumenten in die Pflicht und üben selbst Kritik an Bio?

Lampert: Wo in Österreich Bio draufsteht, ist Bio drinnen. Aber es gibt intern eine Diskussion, weil sich der Großteil in die falsche Richtung entwickelt.

In welche?

Lampert: Die biologische Landwirtschaft hat aufgenommen, woran die konventionelle krankt, schnelllöslichen Stickstoff, Federmehl oder Knochenmehl. Das widerspricht dem Grundgedanken von Bio. Kein Konsument kann verstehen, dass er Biomilch und Biofleisch von Tieren bekommt, die keine Sekunde auf der Wiese waren. Hier muss es einen Ruck zurück zur soliden Landwirtschaft geben.

Der Konsument ist mit den vielen Marken, Logos und Botschaften im Biosektor total überfordert. Ist das nicht kontraproduktiv?

Lampert: Die Gefahr besteht. Wir hätten hier eine Verpflichtung, es so zu erklären, dass der Konsument ohne Vorbildung verstehen kann, was los ist. Sonst kann er keine Verantwortung übernehmen.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 28. Juli 2012

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