Mittwoch, 19. September 2012

"Grüne“ und "rote“ Gentechnik: Schlitzohrige Verhältnisse


Schon Nachdenken über Gentechnik gilt als Tabuüberschreitung - auch bei Journalisten.

Österreich und Österreichs Landwirtschaft gefallen sich als Trutzburg gegen die sogenannte "grüne“ Gentechnik. Die Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen gehört zum Standardrepertoire eines jeden Agrarpolitikers bis hinunter zum kleinen Ortsbauernobmann. Dass sehr oft eine andere persönliche Meinung dahintersteht, mag man nicht zugeben, zumal man weiß, dass alles andere, als lautstark gegen Gentechnik zu sein, nichts als einem politischen Selbstmord gliche.

In den Redaktionsstuben der Medien, respektive der Agrarmedien, ist der Umgang mit der "grünen“ Gentechnik um keinen Deut anders. Die Ablehnung von gentechnischen Eingriffen in Pflanzen ist nachgerade zu einer Kultur geworden. Die Ablehnung kommt reflexartig und ungeprüft. Längst hat man darob jede ernsthafte Kritikfähigkeit verloren - nicht zuletzt, weil man schon lange nicht mehr die internationale Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts und der Diskussion zu diesem Thema verfolgt. Das gilt für die Agrarier, das gilt aber auch für die Journalisten, namentlich die Agrarjournalisten. Die einhellige Ablehnung ist hierzulande so einbetoniert, dass jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema als vergeudete Zeit erscheint.

Dass es so weit gekommen ist, ist verwunderlich. Bei der Anwendung von "roter“ Gentechnik, also der Gentechnik im medizinischen Bereich, bei der Produktion von Medikamenten, Vitaminen oder Impfstoffen, ist nämlich von den Gefahren und den ethischen Bedenken, die der "grünen“ Gentechnik landauf, landab vorgehalten werden, keine Rede. Da gilt der Grundsatz, der Fortschritt ist zu nutzen, so er Möglichkeiten bietet, Probleme zu lösen. Da redet niemand von "Teufelswerk“ und "dem Herrgott ins Handwerk pfuschen“. Die Patienten nicht, die Konsumenten nicht, die Kirche nicht.

Und auch die Bauern nicht. Die haben, bei Licht betrachtet, ohnehin ein sehr schlitzohriges Verhältnis zur Gentechnik. Auf den Feldern, zumal den eigenen, lehnen die allermeisten von ihnen Gentechnik ab, weil sie sich vor einem Rationalisierungsschub fürchten und davor, vollends in die Fänge von internationalen Saatgutriesen und Agrochemie zu geraten.

Hingegen hat man nichts dagegen einzuwenden, dass sich in den Futtertrögen der Schweine praktisch ausnahmslos Schrot aus gentechnisch verändertem Soja findet. Ganz im Gegenteil. Die Gegenwehr gegen Ansinnen, das zu ändern, ist heftig.

Die Fronten bröckeln freilich und nach den Kühen und den Hühnern wird man wohl bald auch bei Schweinen den Kürzeren gezogen haben und lauthals klagend wirklich das tun, was Österreichs Landwirtschaft schon lange vorgibt, zu tun - gentechnikfrei zu produzieren.

Dass, es wäre wohl nicht Österreich, dabei ohnehin nur auf die "grüne“, nicht aber auf die "rote“ Gentechnik verzichtet wird, wird von allen Beteiligten und auch von gegen "grüne“ Gentechnik geifernden Medienleuten unter den Tisch gekehrt. Aber das spielt keine Rolle. "Rote“ Gentechnik gilt hierzulande als gut, "grüne“ als schlecht.

Hinzunehmen ist das freilich nicht, zumal es bisher in keinster Weise gelungen ist, den Verzicht auf "grüne“ Gentechnik in einen Wettbewerbsvorteil für die heimische Landwirtschaft zu verwandeln. Wenn man schon drauf verzichtet, sollte man auch etwas draus machen, ist die Forderung. Und: Man sollte nicht unvorsichtiger mit dem Thema "grüne“ Gentechnik umgehen, aber gelassener. Das gilt für Politiker und Journalisten. Denn allzu leicht steht man daneben.
 
"Der österreichische Journalist" - Special Agrar
Nr. 08-09/2012 vom 19.09.2012

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