Donnerstag, 18. Oktober 2012

Land der Wegelagerer und Abkassierer





Steuern einzuführen oder gar zu erhöhen ist nicht gut fürs Image. Und mühsam ist es obendrein sie durchzusetzen. Gebühren hingegen sind eine ergiebige und rasch erschließbare Quelle, aus denen man schier nach Belieben Geld sprudeln lassen kann.

Wien machte es im Vorjahr vor, wie einfach das geht. In mehr oder weniger einem Aufwaschen wurden die Gebühren für Wasser um 33 Prozent erhöht und die Strafen für Falschparken gleich um 70 Prozent angehoben. Das freilich war noch gar nichts gegen die Erhöhung der U-Bahn-Steuer, seinerzeit zur Finanzierung des U-Bahn-Baues eingeführt, die in Wien Dienstgeber für ihre Dienstnehmer abzuführen haben. Die stieg nämlich gleich um 177 Prozent.

Das können wir auch, haben sich offenbar die Schwarzen gedacht. Dass man für überfallsartige wie schamlose Formen der Geldeintreibung eine gewisse Schwäche hat, zeigte schon im Vorjahr der "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“-Schlachtruf, mit dem sich ausgerechnet eine schwarze Ministerin an die Spitze der bis dahin rot dominierten Klassenkämpfer in diesem Land setzte.

Auch wenn in der Folge ihre Parteifreunde alles daran setzten, das als einmaligen Ausrutscher abzutun, scheint doch mehr dahinter zu stecken. Man will sich zwar nicht mit neuen Steuern die Finger schmutzig machen und lässt sich gerne als Kämpfer gegen Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer feiern, hat aber offenbar keine Scheu, an den Gebührenschrauben zu drehen, dass es nur so quietscht. Dreistigkeit ist dabei ein Vorwurf, von dem man sich nicht stören lässt, wenn es gilt, etwa einen Entscheid des Verfassungsgerichtshofes zu nutzen, um die Grundbuchseintragungsgebühren in die Höhe zu schnalzen.

Da überholt die Partei, die sich so gerne als Wahrer und Beschützer von Eigentum darstellt und Profil im Wettern gegen allerorten lauernde Abkassierer zu finden sucht, die Sozialdemokraten ungeniert links. Da wird eine unschuldige Gebühr, gedacht ursprünglich als Aufwandsersatz für die mit der Eintragung verbundene Arbeit, durch die Hintertür zu einer de-facto-Steuer, die in den allermeisten Fällen in keinerlei Relation zum tatsächlichen Aufwand steht. Erfunden und abgenickt von allen, die sich sonst so sehr gegen von der linken Reichshälfte geplante Raubzüge alterieren.

Rückgrat ist nicht das, was man hierzulande von der Politik zu erwarten hat. Und eine konsequente Linie auch nicht. Und es fügt sich in die Stimmung, die sich in den vergangenen Monaten immer breiter gemacht hat.

Es geht offenbar auf allen Seiten nur mehr darum, neue Geldquellen zu erschließen. Immer ungenierter wollen die öffentlichen Haushalte an die Geldbörsen der Bürger. Und alles, was gerne als Widerstand dagegen inszeniert wird, erweist sich im Handumdrehen als nichts anderes als ein winziges Feigenblatt, das ohnehin kaum zu verstecken vermag, was wirklich dahinter steckt.

Budgetpolitik wird in diesem Land nur mehr als das Auftun immer neuer Geldquellen verstanden. Mit dem Anfang dieses Jahres geschlossenen Sparpaket glaubt man offenbar alle Aufgaben erledigt zu haben. Keine Rede davon, dass dieses Paket nichts anderes als bittere Pflicht war und dass es nur ein erster Schritt zur nachhaltigen Sanierung des Staatshaushaltes und damit des Hauses Österreich gewesen sein kann. Und keine Diskussion darüber, ob die Bürger dieses Landes überhaupt das Maß an Alimentation brauchen, für das all das Kassieren betrieben wird.

Das nämlich ist anzuzweifeln. Viel eher bräuchten sie eine Entlastung von ihren finanziellen Verpflichtungen den öffentlichen Haushalten gegenüber. Nur so könnten sie den finanziellen Freiraum gewinnen, um im täglichen Leben mit den Herausforderungen, die auf sie zukommen, zurechtkommen zu können.

Die Chancen darauf sind freilich nur gering. Und das hat damit zu tun, dass kaum etwas im Lot ist in diesem Land. Statt an einem Strang zu ziehen, blockiert man sich gegenseitig. Der Umgangston ist mitunter erschütternd. Ein paar Minuten in eine Diskussion im Parlament hinein zu hören nimmt nicht nur jede Illusion, sondern macht mit einem Schlag klar, warum sich dieses Land so schwer tut, tragfähige und langfristige Lösungen zu finden. Da kann nichts anderes herauskommen, als die einfache und kurzsichtige Lösung nach dem Motto "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“. So teuer sie auch für den Gebühren- und Steuerzahler sein mag.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Oktober 2012

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