Donnerstag, 20. Dezember 2012

Auch die "Wutbürger“ sind Österreicher





In den Buchhandlungen stapeln sich die Bücher der Empörung. Auch wenn die Versammlungen und Märsche, die angesichts der Korruptionsfälle, Euro- und Bankenrettungsprogramme und der Krise in Griechenland die Wutbürger mobilisierten, erst wenige Monate her sind, liegt über ihnen bereits ein Hauch von Nostalgie. Der "Flächenbrand der Empörung“, wie eines dieser Werke heißt, blieb ganz offensichtlich aus.

Die Bewegung ist verebbt. Keine Schlagzeilen, keine Proteste, keine Versammlungen mehr. Angesichts der vollen Büchertische, die der Empörung gewidmet sind, könnte man glatt den Grund dafür darin sehen, dass die Szene in den vergangenen Monaten mit dem Niederschreiben ihrer Erlebnisse und ihre Ärgers beschäftigt gewesen ist, auf dass ihre Werke ins Weihnachtsgeschäft kommen.

Man hat sich offenbar wieder in die eigenen vier Wände zurückgezogen, in Bars und Cafès, führt Klage über die schlechte Welt, analysiert zynisch verhärmt den Gang der politischen Dinge und gibt sich dem Vergnügen hin, sich gegenseitig recht zu geben und für gut zu halten.

Als einer der wenigen Profiteure ist allenfalls der Kabarettist Roland Düringer zu nennen, der seiner Karriere mit einer viel beachteten "Wutrede“ einen neuen Schub gab. Sonst freilich blieb wenig, vor allem wenig Nachhaltiges. Die "Piraten“, der politische Arm der Bewegung, könnten es sein, haben es aber bisher nicht geschafft, schon gar nicht in Österreich. Im Nu scheiterte man an den Anforderungen des Alltags, an Streitereien und Meinungsverschiedenheiten, man kommt mit dem Aufbau von Strukturen nicht zurande und schon gar nicht mit der Forderung nach politischen Inhalten, die mehr heißen als "Wir sind dagegen“.

Und dass ausgerechnet Frank Stronach als sichtbares Resultat zu bleiben scheint, ist nicht wirklich ein herzeigbares Ergebnis für die Bewegung, die ganz sicher anderes wollte, als einem alten Milliardär mit altbackenen Ansichten in den Steigbügel zu helfen.

Schade. Schade um das ganze Engagement und die ganzen Engagierten. Das Land würde sie so sehr brauchen. Strasser, Mensdorff-Pouilly, Salzburg und die ganzen Umstände drumherum wären Aufgaben genug. Die Bedarfs- und Klientelpolitik, die in diesem Land zur Kultur geworden sind, die vielen eingefahrenen Gleise - die Liste des Handlungsbedarfs, der in Österreich ansteht, ist lange.

Das freilich zu ändern, ist eine herkulische Aufgabe. Politik ist mühsam, der Weg von einer Forderung, einer Idee zur Umsetzung oft unendlich weit. Der Aufschrei, die Aufregung, die Empörung sind die eine Seite. Sie zu kanalisieren, sie mit Inhalten, Konzepten und Strukturen als Alternativen in die Wirklichkeit zu bringen, ist die andere. Da wird nicht nur applaudiert, da ist nicht jede Idee willkommen, da gibt es immer mehrere Seiten und immer unterschiedliche Interessen. In diesem Gefüge mit seinem eingespielten Apparat etwas umzusetzen, verlangt einen langen Atem.Den freilich haben auch die Wutbürger nicht. Auch sie sind nichts anderes als gewöhnliche Österreicherinnen und Österreicher. Und die sitzen, man weiß es, gerne auf der Tribüne, schauen gerne zu und wissen gerne alles besser, oft ohne selbst etwas zu wissen.

Man will den schnellen Erfolg - und gibt es den nicht, dreht man sich wieder weg. Die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, wird immer geringer. Dabei wäre nichts wichtiger, als dass sie wächst.

Weil dem nicht so ist, macht auch das bevorstehende Wahljahr, das durch die Neuwahlen in Salzburg zum Superwahljahr wird, nicht zuversichtlich.

Es ist kaum damit zu rechnen, dass sich Neues etabliert: eine neue Kultur, ein neuer Stil, ein Stachel im (Sitz-)Fleisch der etablierten Politik. Die letzten waren die Grünen, die das schafften, vor mehr als 30 Jahren. Ob sie die Erwartungen und Hoffnungen erfüllt haben, sei dahingestellt. Jetzt ist Derartiges nicht in Sicht.

Angesichts Österreichs muss man sagen - leider. Denn die etablierten Parteien haben schon allzu oft bewiesen, dass sie die nötige innere Erneuerung nicht schaffen, auch wenn sie noch so oft davon reden. Dort halten sich seit langem nur mehr stromlinienförmige Meinungen. Wer oder was quer kommt, hat es schwer. Das verdrießt viele und stößt immer mehr ab. Übrig in der Politik bleiben daher zumeist die, über die man sich dann tagtäglich ärgert. Das sei jedem unbenommen, wundern freilich sollte man sich nicht.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Dezember 2012

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