Mittwoch, 23. Januar 2013

Seitenblicke statt Wirtschaftsseiten


Wolfgang Eder, Chef der voestalpine, ließ dieser Tage wieder einmal aufhorchen. "Die Jugend muss wieder radikaler werden“, fordert er in einem Zeitungsinterview. Er sagt darin Sätze wie "Wir haben zwar das wünschenswerteste, weil breiteste Sozialsystem, aber wir sind dabei, es uns nicht mehr leisten zu können.“ Oder er spricht davon, dass nicht sein könne, dass "wir nach 250 Jahren mariatheresianischer Verwaltungsstrukturen immer noch so tun, als ob sie die besten wären“. Erst im Vorjahr warnte er vor einer Deindustrialisierung Europas und immer wieder äußert er sich kritisch zum Wirtschaftsstandort Österreich.

Wolfgang Eder ist einer der wenigen Wirtschaftskapitäne, die in der Öffentlichkeit zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung nehmen und sich keine politischen Punzierungen umhängen und schon gar nicht von Parteien jedweder Couleur vereinnahmen lassen.

Brigitte Ederer, vom SPÖ-Sekretariat in den Vorstand des Weltkonzerns Siemens gekommen, ist auch so eine. Aber damit hat sich‘s schon. Man kommt fast mit den Fingern einer Hand aus, versucht man Leute dieses Kalibers auf-zuzählen, die in der Öffentlichkeit zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen Stellung nehmen - sachlich, von großem Wissen und von großer Erfahrung getragen, unterfuttert von den Erfolgen, auf die sie in der Führung ihrer Unternehmen verweisen können und mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit. Aber sonst? Da gibt es abgesehen von den ewigen Androschs, Raidls und Sorgers, die nicht aufhören können sich im Licht der Öffentlichkeit zu produzieren, nur ganz wenige. Viel zu wenige.

Das gilt nicht nur für die Wirtschaftsbosse, das gilt auch für die zahllosen Professoren an den Unis und in vielen anderen Bereichen. Die, die etwas zu sagen hätten, tun es nicht. In der Politik ist auf diese Weise ein paar Filzmaiers die Deutungshoheit zugewachsen und in der Bildung muss man meinen, ein Herr Salcher sei der einzige, der sich da auskennt. In vielen anderen Sparten ist es nicht anders. Die etwas zu sagen hätten, tun es nicht.

Überall versteckt man sich lieber, überall will man nichts als seine Ruhe haben, nirgendwo will man sich aufraffen, Stellung zu beziehen. Da ist man allemal lieber in den "Seitenblicken“, als auf den Politik- und Wirtschaftsseiten der Zeitungen. Sie weigern sich beharrlich sich in den öffentlichen Diskurs einzuklinken.

Aber schimpfen tut man schon gerne. In den Elfenbeintürmen der Wissenschaft, in den Vorstandsbüros, in den Cafès und Clubs, bei den feinen Essen in den feinen Restaurants und auf den Golfplätzen.

Österreicher eben. Um keinen Deut anders als die anderen.

Gut ist das nicht, weil man damit im öffentlichen Leben, respektive in der Politik, just jenen Raum gibt, sich zu produzieren, über die man sich so viel ärgert und die einem mitunter regelrecht das Leben verleiden können. Man überlässt ihnen das Feld und die Schalthebel. Man öffnet ihnen Tür und Tor, obwohl man weiß, dass sie es nicht können und dass es Bessere und Besseres gibt.

Am Resultat dieses Verhaltens leidet längst das ganze Land. Es gibt keine Autoritäten mehr, auf die man kraft ihrer Kompetenz vertrauen könnte, sondern allenfalls Durchschnitt, bei dem man zumeist froh sein muss, wenn nicht noch mehr angerichtet wird. Man muss schon zufrieden sein, wenn sich Verantwortliche zumindest ab und an nicht Veränderungen in den Weg stellen und offen für neue Entwicklungen zeigen.

So hat das Mittelmaß das Land fest im Griff. Grau, farblos und zaudernd. Und ohne große Visionen und ohne viele Perspektiven. Das schlägt auf die Stimmung. Ein offenes Klima, Aufbruchsstimmung gar, hat es in Österreich schon lange nicht mehr gegeben, stattdessen herrscht Bunkerstimmung. Draußen nichts als Gefahren und Bedrohungen - von der EU, über die freien Märkte bis zu den Migranten. Und drinnen hält man sich, ganz wie Kinder im Finstern, damit aufrecht, sich Märchen davon zu davon erzählen, wie gut man ist und dass man eh alles im Griff hat.

Befeuert wird diese Bunkerstimmung von Parteien, die nicht zuletzt deswegen so viel Raum bekamen, weil so viele Leute schwiegen und schweigen in diesem Land. In diesem Klima zu leben, macht nur selten Freude. Oft nicht einmal auf dem Golfplatz. Alleine das sollte Grund genug sein, sich ein Herz zu nehmen und das Spielfeld nicht den Krakeelern und Parvenus zu überlassen.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 24. Jänner 2013

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