Donnerstag, 7. Februar 2013

Privatisierungsphobie extrem



Die Stadt Wien hat die Wassergebühren per 2012 um nicht weniger als 33 Prozent erhöht. Nun freut man sich über einen Überschuss von 85 Millionen Euro, der da im Vorjahr in den Stadtsäckel gespült wurde.

Man stelle sich vor, ein Privater, vielleicht sogar einer aus dem Ausland, hätte vor Jahresfrist die Wasserversorgung der Bundeshauptstadt übernommen, die Stirn gehabt, im Handumdrehen um ein Drittel mehr zu verlangen und dann auch noch gewagt, den Überschuss zu veröffentlichen. Der Furor, der durchs Land gefegt wäre, wäre unvorstellbar gewesen.

So aber war’s nicht mehr, als eine kleine Zeitungsnotiz unter dem Titel "Saftige Gewinne mit Wasser“. Und keiner regt sich groß auf.

Ganz anders ist das, wenn jemand, wie jüngst die EU bei der Wasserversorgung, mehr Transparenz und Markt ermöglichen will und damit indirekt der Privatisierung auch solcher Infrastruktur-Einrichtungen das Tor öffnet. Der Aufschrei, der durchs Land ging, weil sich dabei die Privatisierung nur als eine von mehreren Möglichkeiten anbietet, geriet hysterisch. Im Nu standen die Regimenter geschlossen auf und malten den Teufel an die Wand. Vor unmäßigen Verteuerungen wurde gewarnt und um die Sicherheit der Versorgung wurde gefürchtet. Wortreich sah man sich verantwortungslosen und gierigen Abzockern ausgeliefert. Selbst für die, die sonst so gerne ihr marktwirtschaftliches oder gar ihr wirtschaftsliberales Fähnchen in den Wind hängen, war klar, dass es da einen besonderen Schutz in der Verfassung braucht.

Das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die wirtschaftlichen Fähigkeiten und moralische Lauterkeit öffentlicher Einrichtungen ist bemerkenswert, das Misstrauen Privaten gegenüber ebenso. Selbst monströse Desaster wie in Salzburg, in Kärnten und in anderen Bundesländern, in Städten und Gemeinden tun dem keinen Abbruch. Und auch nicht die ewigen Probleme von Betrieben im Umfeld von Bund, Ländern und Gemeinden, bei denen die öffentliche Hand immer wieder Schiffbruch erleidet und im Korruptionssumpf oder vor dem Kriminal landet - nicht zuletzt wegen des Einflusses, den zu nehmen sich die Politik nicht verschließen mag. Und dass sich das zuweilen in einer überbordenden Steuerlast niederschlägt, nimmt man schier achselzuckend hin.

Frau und Herr Österreicher sind in ihrem Vertrauen in die öffentlichen Einrichtungen schier unerschütterlich. Dabei schimpft man so oft und so böse über diese Einrichtungen und Unternehmungen, darüber, dass dort der politische Einfluss so groß ist, dass Kostenbewusstsein und Effizienz zu wünschen übrig ließen und dass oft Preis und Leistung in keinem Verhältnis stünden. Man ärgert sich darüber, dass dort zuweilen gezockt wird, wie in keinem Spielcasino und dass Korruption und Freunderlwirtschaft einen fruchtbaren Boden wie sonst kaum wo haben.

Und dennoch zieht man diese Welt mit ihren Grauzonen, in der Parteibuch, Mauscheleien, Beziehungen und Schmattes noch immer viel mehr zählen als man meinen möchte, jeder anderen, schon gar ein privatwirtschaftlich organisierten, vor.

Dass das so ist, hat wohl zu einem guten Teil mit der über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte gelernten Hörigkeit der Obrigkeit gegenüber zu tun. Es hat aber wohl auch damit zu tun, dass sich die Menschen als Miteigentümer fühlen von öffentlichen Versorgungseinrichtungen und von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Vor allem die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften verstehen es dieses Gefühl zu befeuern, indem sie den Eindruck vermitteln, die Österreicherinnen und Österreicher hätten dort etwas mitzureden - weniger über den Stimmzettel, als vielmehr über die Gewerkschaft und Betriebsrat, die in der Regel in solchen Unternehmen immer noch sehr mächtig sind. Die Leute kaufen ihnen das gerne ab, gibt es doch das kuschelige Gefühl dazuzugehören und doch gehört zu werden.

Das Schachern um die Privatisierungen in den vergangenen Jahrzehnten und manche Personen, die sich dabei engagierten, mögen das Vertrauen trotz zahlloser positiver Resultate nicht gestärkt haben. Die Privatisierungsphobie, die Österreich umklammert hält, ist dennoch unverständlich. Eine entspannteres Verhältnis Österreichs zu diesem Thema wäre durchaus angebracht.

Und es wäre auch dringend nötig - allein um Einrichtungen wie den Wiener Wasserwerken und ihren politischen Hintermännern nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Februar 2013

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