Donnerstag, 25. April 2013

Österreichs Verschwinden



Noch vor dem Sommer will Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner dem Vernehmen nach ein Imagekonzept für Österreich auf den Weg bringen. Ein Marketingprofi aus England arbeitet seit geraumer Zeit daran, der Alpenrepublik einen neuen internationalen Auftritt zu verpassen. Er vergleicht seine Rolle dabei Medienberichten zufolge mit jener eines Psychoanalytikers. Das wird wohl so sein, wenn man das Land, seine Zustände und vor allem seine Orientierungslosigkeit beobachtet.

Österreichs internationale Bedeutung ist kaum mehr wahrnehmbar. In der europäischen und gar internationalen Politik sowieso nicht, aber auch nicht in weiten Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft und immer öfter auch in dem, was bisher als große Domänen galten, wie etwa Kunst und Kultur. Selbst im Sport findet das österreichische Selbstbewusstsein oft kaum mehr Halt.

Das kleine Land im Herzen Europas macht immer öfter den Eindruck orientierungslos durch die Zeit zu irrlichtern. Ohne Vision, ohne Ziel, ohne Wollen. Die große Linie, der gemeinsame Wille, das Grundverständnis für die Richtung, in die das Land gehen soll, sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im alltäglichen öfffentlichen Hickhack sukzessive zerrieben worden oder längst zu Zuckerguss erstarrt, der wie ein Panzer jede Weiterentwicklung verhindert.

Statt die Sache Österreich gemeinsam weiter voranzutreiben, hat man sich vor allem in der Politik an der Blockierung der politischen Konkurrenz abgearbeitet. Längst ist darob jeder Schwung erlahmt. Zugekleistert mit einer Politik, die sich fast ausschließlich nur mehr als Klientelpolitik versteht, ist das Land unbeweglich geworden. In vielen Bereichen geht es um nichts mehr anderes, als das zu retten, was der jeweils eigenen Wählerschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zugeschanzt wurde. In der Wirtschaft, in der Sozialpolitik, in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, in der Bildungspolitik. Überall. Es geht viel zu oft um das Sichern von Geld und Positionen und viel zu selten um den Fortschritt in der Sache, um nötige Anpassungen an geänderte Erfordernisse oder politische, wirtschaftliche und auch technische Entwicklungen.

Österreich ist starr geworden, unbeweglich und eigenbrötlerisch. Zuweilen nimmt es sich aus, als ob man den Anschluss verpasst hätte. Positiv fällt das Land schon lange kaum mehr auf. Negativ dafür immer öfter. Das Gezerre um das Bankgeheimnis und die Rolle der österreichischen Finanzministerin dabei sind nur die jüngsten Beispiele. Österreich ist sogar dabei, seine Rolle als verlässlicher Partner aufs Spiel zu setzen. Auf Regierungsebene und erst recht auf der Ebene der Opposition.

Die Wahlkämpfe in den Ländern, in denen demnächst gewählt wird, und das Positionsgeschiebe im Vorfeld der Nationalratswahlen im Herbst bieten ein alarmierendes Bild. Allerorten sucht man sich mit Themen zu profilieren, die klar in Richtung Abkehr von der internationalen Gemeinschaft, Abschottung nach außen und Rückzug von der internationalen Bühne gehen - ganz so, als ob man Österreichs internationale Isolierung zum politischen Ziel erhoben hätte. Der Bogen reicht von Stronachs Vorstellung vom eigenen Euro für jedes Land bis hin zu Straches Xenophobie-getriebenen Parolen. Gar nicht zu reden von dem, was diese beiden Parteien von der Europäischen Union halten. Sie treffen freilich die Stimmung, die im Land in den vergangenen Jahren gewachsen ist und die längst auch tief in den Wähler-Kernschichten der Regierungsparteien um sich greift.

Österreichs Verschwinden in der Welt hat viel mit dem politischen Personal, das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten am Ruder war und der Feindseligkeit, die ihm zu eigen war und ist, zu tun. Es hat, wie etwa in der Kultur, oft auch mit der Eitelkeit der Proponenten zu tun, mit der bequemen Zurückhaltung in der Wissenschaft, der oft grotesken Selbstüberschätzung in Wirtschaft und Sport und auch mit der verarmten und zum Großteil am Boulevard orientierten Medienlandschaft zu tun.

Dabei wird verdeckt, dass Österreich viel mehr könnte. Das Land schlägt sich unter Wert. Und die, die etwas können und wollen in diesem Land, haben zu kämpfen, nicht unter Wert geschlagen zu werden. Das darf nicht sein. Das Land kann mehr als irrlichtern und zuweilen Gespött auf der Bühne der internationalen Politik sein. Und darauf sollte man besinnen. Und nicht auf Zuckerguss und Isolierung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. April 2013

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1