Donnerstag, 28. November 2013

Der dressierte Bürger



Die Deutschen, so schätzen die Deutschen, leben mit mehr als einer Million Vorschriften. Man darf davon ausgehen, dass es in Österreich wohl kaum weniger sind. Gesetze, Verordnungen, Gebote, Verbote, Vorgaben, Normierungen. Haarklein, bis ins letzte Detail und immer öfter dort, wo sie eigentlich nichts verloren haben. Überall nichts als Vorschriften und wieder Vorschriften. So viel wie nie sagen Kritiker. Ihnen ist wohl recht zu geben. Das Wort vom "Nanny-Staat", der seine Bürger mit einer alles umfassenden Vor-und Fürsorge bis tief in den Alltag und hinter die Wohnzimmertüren hinein gängelt, macht die Runde. Und vom "dressierten Bürger" ist immer öfter die Rede, den vor sich selbst zu schützen sich der Staat zur Aufgabe gemacht hat.

"Der Staat traut dem Einzelnen nicht mehr viel zu, jedenfalls nichts Gutes", wird in den Gazetten geätzt. Man mutmaßt, dass die Politik mit den immer neuen Vorschriften, mit denen sie die Bürger am Gängelband hält, nichts als von den großen Themen, mit denen sie nicht zurande kommt, ablenken will. "Pseudopolitik" nennt der österreichische Philosoph Robert Pfaller das. "Hunderte Beamte beschäftigen sich mit der Frage, ob die Warnungen mit Schockbildern auf den Zigarettenpackungen 65 oder 75 Prozent der Zigarettenpackung einnehmen sollen, damit ja kein Wettbewerbsunterschied entsteht. Aber Europa ist nicht in der Lage, sich auf eine gemeinsame Sozial-oder Steuerpolitik zu einigen." Während große ökonomische Vorgänge dereguliert würden, beginne eine von der Beamtenschaft geleitete Politik die Bevölkerung im Kleinen zu schikanieren.

Beobachtern gilt die Überregulierung als Zeichen eines schwachen Staates, der zum Moralisieren neigt. In der Politik, zumal in der heimischen, stehen vor allem die Grünen im Ruf, die Bürgerinnen und Bürger missionieren zu wollen und gerne die Moralkeule zu schwingen. Da wollte, schon lange vor den deutschen Grünen, in Oberösterreich der grüne Landesrat Anschober einen fleischlosen Tag einführen, um seine Landsleute auf das, was er für den rechten Weg hält, zu bringen. Aber auch in den anderen Parteien ist man nicht abgeneigt, Vorschriftenkataloge zu diktieren, wenn es nur der eigenen Sache dienlich ist. Argumente lassen sich allemal finden. Und wenn es sein muss, muss die EU herhalten, die dann im Handumdrehen zum Bürokratenmonster stilisiert wird.
Besser macht die fortschreitende
Gängelung der Bürgerinnen und Bürger indes kaum etwas. Immer neue Regelungen schaffen nur immer neue Möglichkeiten etwas falsch zu machen und stellen damit zuweilen die gesamte Gesellschaft mit zumindest einem Fuß ins Kriminal. Dass selbst ein äußerst rigides Kontrollwesen und immer neue Vorschriften keine Garantie dafür sind, Mängel auszuschalten, beweisen immer wieder die Skandale aller Art -von Lebensmittelskandalen bis hin zu Korruptionsskandalen. Je enger das Korsett und je feiner das Vorschriftennetz ist, desto größer sind die Folgen, wenn das für unmögliche Gehaltene doch passiert.

Die Bevormundung der Bürger bis hinein ins Schlafzimmer hat sich die Gesellschaft zu einem guten Teil freilich selbst zuzuschreiben. Sie ist nicht schuldlos daran, dass sie in das hingeraten ist, was nun als Nanny-Staat bespöttelt wird. Experten wie Pfaller bringen diese Entwicklung mit der Entsolidarisierung der Gesellschaft in Zusammenhang. Ihnen ist wohl recht zu geben. Ein Handschlag zählt heute kaum mehr etwas, der Hausverstand wird längst in der Werbung verramscht und Vertrauen und Eigeninitiative sind Kategorien, die in unserer Gesellschafft am Verschwinden sind. Ersetzt werden sie von immer neuen und immer detaillierteren Vorschriften. Die werden zwar mitunter als lästig empfunden, wenn sie aber nützlich sind, sind sie vorzüglich geeignet, sich darauf zu berufen, darauf zu pochen, sich dahinter zu verstecken oder sie gleich einzuklagen. Die detaillierten Vorschriften für alles und jedes sind heute das Gerüst einer Gesellschaft, in der jeder für sich alleine zu leben scheint und in der es Kultur geworden ist, an sich zu raffen, was zu kriegen ist. Sie nehmen jede Verantwortung ab. So sehr, dass sie viele am liebsten gleich ganz abgeben - was dann freilich den Teufelskreis vorantreibt, ist doch dann ein noch engeres Vorschriftenwerk verlangt. Mit dann möglicherweise bald zwei Millionen Vorschriften.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 28. November 2013

Samstag, 23. November 2013

Donau-Soja legt erstes Ei



Österreichs Legehennenhalter stellen auf Futter aus dem Donauraum um

HANS GMEINER Wien (SN). Sojabohnen und Sojaschrot sind die wichtigsten Eiweißfuttermittel in der Landwirtschaft. In Europa gibt es davon viel zu wenig. Insgesamt muss die europäische Landwirtschaft jährlich mehr als 30 Millionen Tonnen Soja vorwiegend aus Nord- und Südamerika importieren. Diese sogenannte Eiweißlücke und die Abhängigkeit von Importen von vorwiegend gentechnisch verändertem Soja gilt als die Achillesferse der europäischen Landwirtschaft.

Seit mehr als zwei Jahren arbeitet die von Österreich ausgehende Initiative Donau-Soja daran, diese Versorgungslücke zumindest zu verkleinern und eine Produktion von gentechnisch nicht verändertem Soja in Europa aufzubauen. Während in Österreich die Produktion bereits an der Obergrenze liegt, sieht man vor allem im Osten große Möglichkeiten. Der Verein Donau-Soja ist mittlerweile in elf Ländern entlang der Donau bis hinunter nach Rumänien etabliert.

Nun steigt man erstmals in großem Stil in den Markt ein. Mit der Raiffeisen Ware Austria als Partner stellt ein Großteil der heimischen Legehennenhalter die Fütterung auf GVO-freies Donau-Soja um. „Noch im November werden bei Rewe, Spar und Hofer Eier von mit Donau-Soja gefütterten Hennen in den Regalen sein“, freut sich Matthias Krön, der Initiator von Donau-Soja. „Für uns ist das ein erster Gipfelsieg.“

Der größte Teil der 50.000 Tonnen Soja, die für dieses Projekt benötigt werden, kommt aus Ungarn, Kroatien und Serbien und wird in der Ölmühle Güssing aufbereitet. Im kommenden Jahr will man 200.000 Tonnen Donau-Soja vermarkten.

Der Nutzen für die Bauern ist nicht unumstritten. Sie befürchten, auf den höheren Kosten sitzen zu bleiben. Mehr als einen Kostenausgleich versprechen auch die Donau-Soja-Initiatoren nicht. Lieber als vom Geld reden sie vom besseren Image für die Landwirtschaft, von Versorgungssicherheit und von Nachhaltigkeit.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 23. November 2013

Donnerstag, 21. November 2013

Oh, Europa!



"Ein Witz der Sonderklasse" ätzten konservative Europa-Politiker, "Die in der EU immer lauter werdende Forderung die deutsche Exportwirtschaft einzubremsen, ist an Dummheit nur schwer zu überbieten", die Kommentatoren.

Deutschland kochte und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso druckste in der vergangenen Woche, flankiert von den Kommissaren Olli Rehn und Laszlo Andor, herum. Weil Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss, Zeugnis der Tüchtigkeit der deutschen Volkswirtschaft, heuer im ersten Halbjahr besonders groß ausfiel, war es Pflicht des Portugiesen, die Einleitung eines Prüfverfahrens gegen Berlin zu verkünden. Das Land sei "natürlich die Wachstumslokomotive" für Europa, die wirtschaftliche Kraft helfe indirekt der Union und auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Exporterfolge seien nicht das eigentliche Problem, sagte Barroso, aber der Leistungsbilanzüberschuss habe im ersten Halbjahr 2013 mehr als sieben Prozent erreicht, wo doch maximal sechs erlaubt seien. Ergo bleibe nichts anderes, als das, wie es die EU-Regularien verlangen, in einem Verfahren zu prüfen. Ganz so, als hätte man sonst nichts zu tun, und ganz so, als wäre in Deutschland die Arbeitslosigkeit in Rekordhöhen vorgestoßen oder wäre das Land säumig beim Schuldenabbau. Nein, Deutschland muss sich wegen seines Erfolges prüfen lassen.

Ausgerechnet Deutschland, das Land, das die EU seit Jahren durch die Wirtschaftskrise zieht, das Land von dem Europa lebt, das Land, das als eines der wenigen funktioniert in der Union, muss sich zur Verantwortung ziehen lassen. Ausgerechnet das Land, das so vielen kränkelnden Staaten in der Union als Vorbild dienen sollte wird, wird vom europäischen Apparat diskreditiert.

Dabei stünde es der EU wohl wesentlich besser an, Deutschland als Vorbild hinzustellen und zu überprüfen, wie weit die EU-Mitgliedsländer bei der Umsetzung der deutschen Erfolgsfaktoren sind. Das freilich passt nicht zur Wirtschaftpolitik, wie sie in Europa verstanden und in Brüssel exekutiert wird. Da ist Deutschland-Bashing in Mode und sieht man den Erfolg viel eher als Gefahr, denn als Ziel und Alimentierung als höheren Wert als Leistung.

Da nimmt es nicht Wunder, dass die Bedeutung Europas und seiner Wirtschaft im internationalen Kontext seit geraumer Zeit abdriften. Schnell geht auf dem alten Kontinent schon lange nichts mehr. Und effizient auch nicht. Alles und jedes wird zerredet, es fehlt an mutigen Entscheidungen und nicht selten an harten Schnitten. In der Verteidigung von alten Ansprüchen in einem überkommenen Verständnis vom Sozialstaat und in einer zuweilen ins völlig Unübersichtliche gewucherten Anspruchsdemokratie hat man längst die Linie verloren, die in die Zukunft führen solle.

Ganze Wirtschaftszweige sind in den vergangenen Jahren abgewandert, nicht immer der hohen Löhne wegen, sondern viel öfter rigider und weit überzogener Bürokratie und Umweltauflagen wegen. Längst ist man dabei, die Grundlagen, auf denen die Staaten und die Gemeinschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufbauten, niederzureißen. Mit Wonne und großer Verve gräbt man sich den Boden unter den Füssen weg. Vor Problemen macht man immer öfter die Augen zu, als zu versuchen sie zu lösen. Da lebt man allemal viel lieber auf Kosten der restlichen Welt, als taugliche Lösungen zu suchen.

Während man auf dem eigenen Kontinent die Wirtschaft immer enger einzwängt in Vorschriften und Auflagen, hat man keine Scheu, die Grenzen für Produkte, die nach hierzulande geächteten Methoden erzeugt werden, immer weiter zu öffnen. Dass man dabei auf den internationalen Märkten an Bedeutung verliert und der eigenen Gesellschaft die Basis abgräbt, will man nicht erkennen. Und auch nicht, dass man sich aus der Verantwortung drückt und Probleme nur exportiert.

Bei einer Diskussionsveranstaltung in Linz fiel kürzlich der bemerkenswerte Satz, dass in Europa nur mehr vom Verteilen geredet werde, aber nicht mehr vom Wirtschaften. Dem ist nur beizupflichten. Europa ist verwöhnt und dabei fett geworden. Schnelles Geld und möglichst viel davon, eine frühe und ordentliche Pension und viel Urlaub gelten allzu vielen als wichtigste Ziele im Leben. Tun mag man freilich möglichst wenig dafür. Das lässt man lieber anderen. Man hat ja zu tun - etwa Deutschland abzumahnen. Dabei stünde es so vielen Staaten sehr viel eher an, Deutschland und seine Erfolgsmasche abzupausen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. 11. 2013

Donnerstag, 14. November 2013

Taub, blind - und selig



Von einem neuen Stil redete man, von einem Neustart und davon, dass alles anders werde. Wenige Wochen nach der Wahl und noch lange vor der Bildung der neuen Regierung häufen sich aber indes die Unappetitlichkeiten in einem bisher noch selten da gewesenen Ausmaß. Schlechter ist etwas, was als Neustart ausgerufen wurde, wohl niemals gelaufen.

Übertraf man sich vor wenigen Monaten noch mit Versprechungen, machte dem Wahlvolk mit einer möglichen Steuerreform die Münder wässrig und türmte Ankündigungen auf, die alles zusammen mehr als 20 Milliarden Euro kosten würde, so starrt nun seit Tagen das ganze Land in ein Budgetloch bisher ungekannten Ausmaßes. Ist es 20 Milliarden, 30 Milliarden oder gar 40 Milliarden Euro groß? Warum wird das erst jetzt ruchbar? Warum gab es den Kassasturz nicht schon vor den Wahlen? Warum liegt man so weit daneben? Und wie kommen wir erst zu Konzepten, um diese Misere in den Griff zu bekommen?

Oder ist alles nur taktische Panikmache?

Niemand weiß es. Und niemand schämt sich dafür. Die verantwortlichen Politiker tun überrascht. Wie sehr sie sich, ihre Fähigkeiten und ihre Profession damit bloß stellen, scheint sie nicht groß zu kümmern. Und schon gar nicht, dass der Kassasturz, von dem man redet, nach Jahren des gemeinsamen Regierens eigentlich nichts als peinlich und die Manifestation des Schlendrians in der österreichischen Politik ist. Man taktiert, kalmiert und trickst wie gehabt.

Dem Volk bleibt nichts anderes als ihnen zornbebend zuzuschauen, muss es doch fürchten, für die Blauäugigkeit und Kaltschnäuzigkeit jener, denen sich noch vor wenigen Wochen ihre Stimmen gaben, auf Jahre und Jahrzehnte hinaus büßen zu müssen - "bestochen und belogen", wie das die nicht minder angesäuerten Innenpolitik-Kommentatoren nennen.

Neuer Stil? Von wegen! Das vom Himmel gefallene Budgetloch, ohnehin keine Petitesse, ist ja nicht das einzige, mit dem sich die heimische Politik wieder selbst vorführt, alle Versprechungen zur Makulatur macht und ihre Glaubwürdigkeit, die zu verbessern sie noch vor kurzem so wortreich gelobte, noch tiefer in den Graben fährt.

Scheibchenweise kommen in diesen Wochen die Ungeheuerlichkeiten und Unglaublichkeiten daher. Da ist die Analyse, dass sich der bisherige Weg, die Penisonsproblematik in den Griff zu bekommen, als einigermaßen untauglich erweist, was für das Land zu einer milliardenschweren Belastung über Jahrzehnte wird. Da verheddert sich der neue Salzburger SPÖ-Obmann mit seiner Forderung nach einem Ausgleich der finanziellen Verluste, die ihm das Ausscheiden aus dem Regierungsamt bescherte, dann verlangte Josef Cap nämliches um seinen Wechsel von der Spitze des SP-Klubs in die Akademie seiner Partei abzufedern. 14.000 Euro seien gerechtfertigt, der neue Job sei ja durchaus mit Arbeit verbunden. So reden Leute, die längst abgehoben sind und die jeden Bezug zur Wirklichkeit draußen verloren habe. So etwas ist vor dem Hintergrund der Sozialdemokratischen Partei Österreichs und ihrer Ziele und aktuellen politischen Forderungen so unfassbar wie unentschuldbar.

Dazu passt, dass in diesen Tagen ruchbar wurde, dass manche Nationalbank-Pensionisten mit einer monatlichen Pension von mehr als 30.000 Euro spazieren gehen, freilich wohl nicht um die Tauberln im Beserlpark zu füttern.

Neuer Stil? Von wegen! Österreich wie es leibt und lebt möchte man sagen. So wie's immer war. Und, siehe oben, ganz offensichtlich keine Hoffnung, dass es bald anders wird.

Das Land hält sich immer noch für eine Insel der Seligen. Die Politiker tun es, und seine Bewohner auch. Just in diesen Wochen, als die Ungeheuerlichkeiten scheibchenweise in die Schlagzeilen kamen, vermeldete die OECD "Trotz Krise sind die Österreicher zufriedener". In Österreich habe der Anteil jener, die zufrieden mit ihrem Leben sind, zwischen 2007 und 2012 von 66 auf 75 Prozent zugenommen. Und nicht nur das. Mit der Regierung zeigten sich zu Beginn dieser Periode nur 26 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zufrieden, am Ende, 2012, waren es 32 Prozent.

Wenn das so ist, hat man Budgetloch, Cap, die Nationalbank-Pensionisten und all die anderen Gräuel ganz offenbar verdient, und Österreich ist wirklich eine Insel der Seligen. Die freilich sind wohl nicht weniger taub und blind für die Wirklichkeit, als jene, von denen sie sich regieren lassen.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 14. November 2013

Donnerstag, 7. November 2013

Sauwald ist überall



In den Gemeinden im oberösterreichischen Sauwald ist dem Vernehmen nach die Aufregung eine große. "Weil die Auflagen der Behörden nerven: Sauwald sagt Faschingsumzug ab", schreibt die regionale Tageszeitung. Mit der Einführung des neuen Veranstaltungsgesetzes 2011 seien für Faschingsumzüge die Bezirkshauptmannschaften zuständig und nicht mehr die jeweiligen Gemeinden, schreibt die Zeitung. "Seither macht eine Fülle von Auflagen das Organisieren von Faschingszügen beinahe unmöglich".

Statt einer einfachen Meldung brauche es nun Lokalaugenscheine, zu denen mitunter auch Beamte der Landesregierung aus dem fernen Linz anreisen, die Bezirkshauptmannschaft verfasse eigens Verordnungen zur Durchführung des Faschingszuges mit dutzenden Punkten, in denen die Auflagen detailliert aufgezählt sind und für all das würden auch noch Verwaltungskosten in der Höhe von fast 500 Euro fällig gestellt.

Der Sauwald ist überall im Land. Und es sind nicht nur die Bezirkshauptmannschaften, sondern auch oft die Gemeinden selbst, die nach allen Regeln der Verwaltungs-und Beamtenkunst gesellschaftlichen Initiativen und traditionsreichen Veranstaltungen das Leben mit ihren Vorschriften voller "Hinsichtl" und "Rücksichtl" das Leben schwer machen.

Da kommt es etwa vor, dass der alteingesessene Ball einer Landjugend-Gruppe, der sich über Jahrzehnte weit über die örtlichen Grenzen hinaus etablierte, vom kleinen Gründungsort in die Nachbargemeinde ausweichen muss. "Aber die Auflagen, die uns dort gemacht werden und was uns alles verrechnet wird, geht auf keine Kuhhaut", jammern die jungen Veranstalter nun. Dabei hatten sie eigentlich nicht anders im Sinn, als Schwung ins dörfliche Leben zu bringen, "wo doch eh alle jammern, dass nichts los ist". Wie es aussieht, werden sie wieder übersiedeln und wohl fürderhin in der nächstgelegenen Stadt ihr dörfliches Leben leben müssen.

Die Bürokratie und unbeugsame Bürokraten wollen es so. Dass Landflucht, das Aushungern der ländlichen Räume, das mangelnde gesellschaftliche Angebot und die schale Attraktivität vieler Regionen längst eines der brennendsten Problem des Landes sind, scheint sie nicht anzufechten. Sie nicht und auch die Politik nicht, die wortreich wie hilflos zuschaut, wie viele Vereine und Initiativen mit immer mehr Bürokratie abgewürgt werden.

Mit großer Lust an Paragrafen, Vorschriften und Auflagen scheint sich ein ganzes Land selbst zu strangulieren und das, was vom Landleben noch geblieben ist, ruinieren zu wollen. Vorschrift ist Vorschrift. Mit an Entmündigung grenzender Penetranz und Perfektion geht man dabei mitunter ans Werk, wenn es gilt, Vorschriften durchzusetzen. Ohne viel Augenmaß und Großzügigkeit. Und oft ohne viel Verständnis für die Sache.

Diese Regulierungswut ist ein Phänomen, das sich die Gesellschaft freilich zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben hat, in der Rücksichtslosigkeit immer öfter zur Regel wird und in der man sich nach Möglichkeit um Verantwortung drückt. Es ist Teil des gutbürgerlichen Selbstbewusstseins, ohne Scham und Rücksicht, mit den richtigen juristischen Spitzfindigkeiten Unliebiges abzudrehen und alles und jedes an Möglichkeiten, das sich ergibt, auszureizen, wenn es darum geht, nur irgendeinen in Aussicht stehenden Erfolg einzuheimsen.

Genährt wird die Regulierungssucht freilich auch vom immer lauer werden gesellschaftlichen Zusammenhalt, respektive dem, was davon verblieben ist. Das Verständnis füreinander hat sich auch auf dem Land nicht nur zwischen Vereinen und Gruppen, sondern auch zwischen Menschen in den vergangenen Jahren stark verdünnt. Da will man sich viel eher nichts gefallen lassen, als dass man Dinge wie Lärm, parkende Autos oder Ähnliches auch nur für eine Nacht oder ein Wochenende in Kauf nimmt.

Und genährt wird das Phänomen mitunter freilich auch von den Veranstaltern und Vereinen selbst, die zuweilen die Grenzen nicht mehr zu erkennen vermögen, und aus einfachen Wiesenfesten ohne Rücksicht auf die Umgebung mehrtägige Events mit allem Trara machen.

Vieles was ist, muss nicht sein. Auf allen Seiten. Darum sollte man herunter vom Gas. Auch auf allen Seiten. Sonst zerstört man das Landleben und die Gemeinschaft, auf die man gerade in den ländlichen Gemeinden angewiesen ist, vollends. Und das will wohl auch niemand.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. November 2013

Freitag, 1. November 2013

Hilflos in die Erniedrigung




Wien schwirrt in diesen Tagen vor Gerüchten. Eines davon ist, dass das Landwirtschaftsministerium aufgelöst und als Staatssekretariat in das Wirtschaftsministerium eingegliedert wird. Für den Bauernbund und seine Führung wäre das wohl der politische Supergau. Schlimmeres gäbe es wohl kaum, abgeräumt und erniedrigt ausgerechnet von der eigenen Partei, der man immer am treuesten diente.

Dass ausgerechnet der bei den Bauern absolut unbeliebte Wirtschaftskammerpräsident Leitl federführend für die Volkspartei in den Koalitionsgesprächen mit der SPÖ das Kapital Landwirtschaft verhandelt, wird von vielen Bauern ohnehin bereits als Affront und Zeichen der Demontage empfunden. Dass sich der Bauernbund nicht durchsetzen konnte, wird als Schwäche gewertet.

Die schwarzen Agrarier zeigen sich bislang gegenüber diesen Weichenstellungen bemerkenswert hilflos. Sie versuchen zu kalmieren und die Gerüchte rund um eine Abwertung des Landwirtschaftministeriums zu einem Staatssekretariat als "Geplänkel" abzutun.

Ihre Argumentation ist kläglich. Als wichtigstes Argument für die Beibehaltung des Ministeriums ins Treffen zu führen, dass Österreich andernfalls das einzige EU-Land wäre, das kein eigenes Landwirtschaftsministerium hätte, grenzt ans Lächerliche. Wenn man nicht mehr als das und den zuweilen weinerlich daherkommenden Hinweis darauf zu bieten hat, dass ein Drittel der ÖVP-Stimmen von den Bauern kommt, hat man keine andere Behandlung verdient.

Überraschend wäre die drohende Demontage der Landwirtschaft in der Bundesregierung jedenfalls nicht. Seit Jahren büßt die Agrarpolitik an Glaubwürdigkeit ein und handelte sich stattdessen ein Image zwischen Schrulligkeit und nervender Persistenz ein. Auf dem politischen Parkett verlor man massiv an Gewicht. Dass man in den vergangenen Jahren auch aus den eigenen Reihen nach Kräften das Ministerium schwächte, statt es bei der Beseitigung von Schwächen zu unterstützen, tat sein Übriges.

Dass es hinter den Kulissen mächtig gärt, ist kaum mehr zu verbergen. Der Unmut über die VP-internen Vorgänge wird immer lauter. Und er wird auch für die obersten Bauernbündler selbst zum Thema. Dass sich Bauernbund-Vizepräsident Schmuckenschlager Sorgen macht, "dass es dem Bauernbund offensichtlich nicht gelingt, sein Wählerpotenzial auch in Verhandlungsstärke umzusetzen", kann man auch als Kritik an der obersten Führung lesen, die es nicht schaffte, die ÖVP-Treue der Bauernwähler an den Verhandlungstisch zu bringen.

Die kommenden Wochen werden für die Landwirtschaft spannend. Das Schicksal der Bauern bestimmt aber nicht, ob das Landwirtschaftsministerium bleibt oder nicht. Wenn die Landwirtschaft nicht mehr so prominent im Fokus der politischen Öffentlichkeit stehen würde, könnte das durchaus auch in manchen Bereichen von Vorteil sein.

Dass die Welt nicht untergeht, zeigte sich vor Jahren in Oberösterreich, als es für eine Periode keinen Agrarlandesrat gab. Dass die bäuerliche Seele, die so sehr nach Anerkennung und Wertschätzung lechzt, leidet, ist dennoch verständlich. Und dass die Wut auf die Volkspartei und ihre Führer groß ist, auch.

Würde eine allfällige rot-grüne Regierung so etwas planen, würden die Bauern längst gegen Wien marschieren. Vielleicht sollten sie es auch diesmal. Freilich nicht vor die SP-Zentrale in der Löwelstraße oder das Kanzleramt am Ballhausplatz, sondern vor die ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse.

Gmeiner meint , Blick ins Land, 1. November 2013
 
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