Donnerstag, 21. November 2013

Oh, Europa!



"Ein Witz der Sonderklasse" ätzten konservative Europa-Politiker, "Die in der EU immer lauter werdende Forderung die deutsche Exportwirtschaft einzubremsen, ist an Dummheit nur schwer zu überbieten", die Kommentatoren.

Deutschland kochte und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso druckste in der vergangenen Woche, flankiert von den Kommissaren Olli Rehn und Laszlo Andor, herum. Weil Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss, Zeugnis der Tüchtigkeit der deutschen Volkswirtschaft, heuer im ersten Halbjahr besonders groß ausfiel, war es Pflicht des Portugiesen, die Einleitung eines Prüfverfahrens gegen Berlin zu verkünden. Das Land sei "natürlich die Wachstumslokomotive" für Europa, die wirtschaftliche Kraft helfe indirekt der Union und auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Exporterfolge seien nicht das eigentliche Problem, sagte Barroso, aber der Leistungsbilanzüberschuss habe im ersten Halbjahr 2013 mehr als sieben Prozent erreicht, wo doch maximal sechs erlaubt seien. Ergo bleibe nichts anderes, als das, wie es die EU-Regularien verlangen, in einem Verfahren zu prüfen. Ganz so, als hätte man sonst nichts zu tun, und ganz so, als wäre in Deutschland die Arbeitslosigkeit in Rekordhöhen vorgestoßen oder wäre das Land säumig beim Schuldenabbau. Nein, Deutschland muss sich wegen seines Erfolges prüfen lassen.

Ausgerechnet Deutschland, das Land, das die EU seit Jahren durch die Wirtschaftskrise zieht, das Land von dem Europa lebt, das Land, das als eines der wenigen funktioniert in der Union, muss sich zur Verantwortung ziehen lassen. Ausgerechnet das Land, das so vielen kränkelnden Staaten in der Union als Vorbild dienen sollte wird, wird vom europäischen Apparat diskreditiert.

Dabei stünde es der EU wohl wesentlich besser an, Deutschland als Vorbild hinzustellen und zu überprüfen, wie weit die EU-Mitgliedsländer bei der Umsetzung der deutschen Erfolgsfaktoren sind. Das freilich passt nicht zur Wirtschaftpolitik, wie sie in Europa verstanden und in Brüssel exekutiert wird. Da ist Deutschland-Bashing in Mode und sieht man den Erfolg viel eher als Gefahr, denn als Ziel und Alimentierung als höheren Wert als Leistung.

Da nimmt es nicht Wunder, dass die Bedeutung Europas und seiner Wirtschaft im internationalen Kontext seit geraumer Zeit abdriften. Schnell geht auf dem alten Kontinent schon lange nichts mehr. Und effizient auch nicht. Alles und jedes wird zerredet, es fehlt an mutigen Entscheidungen und nicht selten an harten Schnitten. In der Verteidigung von alten Ansprüchen in einem überkommenen Verständnis vom Sozialstaat und in einer zuweilen ins völlig Unübersichtliche gewucherten Anspruchsdemokratie hat man längst die Linie verloren, die in die Zukunft führen solle.

Ganze Wirtschaftszweige sind in den vergangenen Jahren abgewandert, nicht immer der hohen Löhne wegen, sondern viel öfter rigider und weit überzogener Bürokratie und Umweltauflagen wegen. Längst ist man dabei, die Grundlagen, auf denen die Staaten und die Gemeinschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufbauten, niederzureißen. Mit Wonne und großer Verve gräbt man sich den Boden unter den Füssen weg. Vor Problemen macht man immer öfter die Augen zu, als zu versuchen sie zu lösen. Da lebt man allemal viel lieber auf Kosten der restlichen Welt, als taugliche Lösungen zu suchen.

Während man auf dem eigenen Kontinent die Wirtschaft immer enger einzwängt in Vorschriften und Auflagen, hat man keine Scheu, die Grenzen für Produkte, die nach hierzulande geächteten Methoden erzeugt werden, immer weiter zu öffnen. Dass man dabei auf den internationalen Märkten an Bedeutung verliert und der eigenen Gesellschaft die Basis abgräbt, will man nicht erkennen. Und auch nicht, dass man sich aus der Verantwortung drückt und Probleme nur exportiert.

Bei einer Diskussionsveranstaltung in Linz fiel kürzlich der bemerkenswerte Satz, dass in Europa nur mehr vom Verteilen geredet werde, aber nicht mehr vom Wirtschaften. Dem ist nur beizupflichten. Europa ist verwöhnt und dabei fett geworden. Schnelles Geld und möglichst viel davon, eine frühe und ordentliche Pension und viel Urlaub gelten allzu vielen als wichtigste Ziele im Leben. Tun mag man freilich möglichst wenig dafür. Das lässt man lieber anderen. Man hat ja zu tun - etwa Deutschland abzumahnen. Dabei stünde es so vielen Staaten sehr viel eher an, Deutschland und seine Erfolgsmasche abzupausen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. 11. 2013

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