Donnerstag, 19. Dezember 2013

Das Schauspiel namens Weihnachten



Es war unwirklich. Gerade war Allerheiligen und eine Woche später waren schon die Weihnachtshütten aus den Skigebieten in den Bergen in die Stadt gekommen. Hütte an Hütte standen sie in der Fußgängerzone. Geschmückt mit Tannenreisig. Eine Gruppe Musiker füllte den Straßenzug mit weihnachtlichen Klängen. Aus der Zeit gefallen, zumal an einem warmen Tag ohne Sonne, wirkte die Szenerie seltsam und trist und allem grünen Anstrich zum Trotz grau.

Die Maschinerie beginnt immer früher zu laufen. Und sie läuft mit immer größerer Wucht. Weihnachten sei der "Turbo für Einzelhandel und Tourismus" heißt es. Weihnachtskataloge ab September, Weihnachtsdekoration in vielen Geschäften ab Oktober. Und wer erst Anfang November Angebote auslobt, hat schon verloren.

Weihnachten, das war doch gerade. Dieser Sehnsuchtspunkt im Jahr, an dem sich schier alle anders geben wollen, als sie sind. An dem sie all ihre guten Vorsätze zusammenzuraffen und wirklich werden zu lassen versuchen. Aufgeputztes Heim, festlich gedeckter Tisch, schönes Gewand. Und freundlich, freundlich, freundlich, wie man das ganze Jahr nicht ist. Der Kirchgang gehört für viele dazu und die gute Miene. Man neigt allerorten dazu, sich zu zelebrieren. Es wird ja Süßes erwartet, Zuckersüßes. Man watet nachgerade im Kitsch.

Nicht nur Waren werden feilgeboten, auch Schicksale von Menschen werden ausgestellt, um die Möglichkeit zu geben, gut zu sein. Alles soll das Herz treffen, auf dass man sich ein gutes Gefühl kaufe. Sei es durch ein Geschenk, sei es durch eine Spende.

Zu Weihnachten soll alles anders sein. Zumindest zu Weihnachten. Und wenn zu Weihnachten sonst nichts stimmt, so soll doch zumindest der Schein stimmen.

Selten entblößt sich die Gesellschaft so wie zur Weihnachtszeit. Nichts anderes führt so vor Augen, dass wir auf einem doppelten Boden leben. Der cholerische Chef wird freundlich, als bettle er um Entschuldigung für sein Verhalten im restlichen Jahr. Die gestrenge Chefin zeigt auf einmal ihre sanfte Seite. Der missmutige Ehegatte will mit einem Geschenk all seine Mühsamkeit vergessen machen. Die Frau kämpft indes mit Kerzen, Tannenreisig und Selbstgebackenem im Heim, das traut sein soll, um ein Gefühl, das sie während des Jahres so sehr vermisst. Und die Kinder lassen sich herab, zuweilen gnädig, um ihren Eltern nicht vollends die Illusion der heilen Familienwelt zu zerstören.

Kein Wunder, dass es für immer mehr Menschen immer schwerer wird, damit zurechtzukommen und das zu akzeptieren. Ersticken könnte man direkt unter all dem Guten, was in diesen Wochen der Weihnachtszeit über einen hereinbricht. Die Weihnachtszyniker haben starken Zulauf. Die Lust an Unkorrektem wächst angesichts der zuckersüßen Töne, die aus dem Radio quellen und die einem die Kaufhäuser unerträglich machen. Weihnachten verweigern, Weihnachten schlechtreden, Weihnachten ignorieren gilt immer mehr als schick.

Die Ernsthaftigkeit des Weihnachtsfestes und seinen eigentlichen Sinn haben wohl längst die einen wie die anderen aus den Augen verloren. Dabei stünden die der Zeit gut an. Ohne all die Zuckerglasur wäre das, was viele Menschen leidglich zu Weihnachten zusammenzubringen versuchen, im ganzen Jahr gefragt. Freundlichkeit, Zuvorkommenheit, Festlichkeit auch, aufeinander zugehen und Rücksichtnahme, Einkehr, Gelassenheit, Ruhe und Besinnung. Und durchaus hie und da ein Geschenk, als Zeichen der Wertschätzung. Es braucht nicht alles so zu sein, wie es zu Weihnachten sein sollte, ein bisschen etwas davon wäre schon gut. Vieles wäre dann wohl besser und leichter.

Es spricht nichts dagegen, das ganze Jahr zur Weihnachtszeit zu machen - freilich ohne sich permanent Frohe Weinachten zu wünschen, ohne Weihnachtsmusik und ohne Weihnachtsschleim. Man sollte es probieren. Viele sollten es probieren. Man kann nur wünschen, dass allen nur ein bisschen etwas davon gelingt und vor allem, dass zumindest ein bisschen etwas davon die Weihnachtsfeiertage überdauert - auf dass die frohen Weihnachten keine hohlen Weihnachten werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. 12. 2013

Dienstag, 17. Dezember 2013

Bauernzorn trug Früchte



Neue Regierung will Pauschalierung ausweiten und macht Almbauern Hoffnung

HANS GMEINER Salzburg (SN). Für die Bauern hat sich der Widerstand in den Koalitionsverhandlungen, der in einer Vetodrohung gipfelte, bezahlt gemacht. Man setzte nicht nur durch, dass Bund und Länder die von der EU für Umwelt- und Investitionsprogramme und die Bergbauernförderung bereitgestellten Mittel auch in Zukunft verdoppeln. Auf den zwei Seiten des Koalitionspaktes, die sich mit dem Thema Landwirtschaft befassen, finden sich unter den vielen oft nichtssagenden Absichtserklärungen auch einige Vorhaben, in denen Brisanz steckt.

Nach der Neuregelung der Besteuerung der Landwirtschaft im Zug der Neufestsetzung der Einheitswerte soll das Besteuerungssystem abermals angepasst werden. Die neue Regierung beabsichtigt die Anhebung der Umsatzgrenze, ab der Bauern ungeachtet des Einheitswertes ihres Betriebes zur Buchführung verpflichtet sind, von derzeit 400.000 auf 550.000 Euro. Das kommt vor allem Betrieben mit geringen Einheitswerten, aber hohen Umsätzen zugute. Zu den Profiteuren zählen vor allem Schweinemäster, aber auch Gemüse- und Weinbauern, die damit steuerlich pauschaliert bleiben können. Für alle anderen Bauern hingegen wird sich nichts ändern.

Brisanz steckt auch in der Absicht, die neun Landes-Landwirtschaftkammern neu zu organisieren. Eine neu eingerichtete und per Bundesgesetz verankerte Bundes-Landwirtschaftskammer soll die Kräfte bündeln. Die derzeitige Landwirtschaftskammer Österreich ist nichts anderes als ein loser Zusammenschluss der Kammern. Bis zum Sommer wollen die Kammern ein Modell für eine Bundes-Landwirtschaftskammer gefunden haben, heißt es. Es gehe dabei nicht um eine Entmachtung der Länder, sondern um eine Stärkung der Interessenvertretung auf Bundesebene.

Neue Hoffnung gibt es für die von Straf- und Rückzahlungen betroffenen Almbauern, die sich bei den Angaben zu den Almflächen zumeist auf die Beratung der Landwirtschaftskammer verließen. Ein Großteil der Landes-Landwirtschaftskammern ist nun bereit, den Bauern Bestätigungen auszustellen, dass sie die Flächen nach bestem Wissen und Gewissen angegeben haben. „Das ist kein Persilschein und kein Schuldeingeständnis“, betont man bei den Kammern. „Damit soll zumindest ein Teil der Sanktionen vermieden werden“, hofft man. Ob die Konstruktion juristisch hält, ist aber noch nicht ausdiskutiert.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Dezember 2013

Samstag, 14. Dezember 2013

Das Gespenst



In den vergangenen Jahren wuchsen die Arbeitskosten in Österreich doppelt so schnell wie im EU-Schnitt."

International macht sie schon lange Sorgen, nun ist die Arbeitslosigkeit auch in Österreich wieder ein Thema. Die mehr als 1000 verlorenen Arbeitsplätze bei Dayli, die 200 in Diskussion stehenden Entlassungen bei Lenzing scheuchen auf. Was man zuweilen als Gespenst der Arbeitslosigkeit bezeichnet, geht wieder um.

Im November waren 381.000 Österreicherinnen und Österreich ohne Job, um fast elf Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahresmonat. Im Jänner sollen es gar 450.000 Österreicherinnen und Österreicher sein, die stempeln gehen müssen, erwartet der Chef des Arbeitsmarktservices. Im Laufe des kommenden Jahres wird die Arbeitslosenquote kontinuierlich weiter ansteigen. Eine Entspannung erwartet man frühestens in zwei Jahren, Ende 2015.

Der Druck wächst also massiv. Selbst die nach wie vor steigende Zahl der Arbeitsplätze in der heimischen Wirtschaft reicht nicht mehr für beruhigende und abwiegelnde Erklärungen. Wie die Arbeitslosenquote hat zwar auch die Beschäftigungsquote einen Höchststand erreicht, das aber ist zu wenig. Das Angebot an Arbeitskräften wächst schneller, als neue Jobs geschaffen werden.

Damit ist wohl für längere Zeit vorbei, dass sich Österreich als Musterschüler Europas darstellen kann. Da werden selbst all die Tricks, die man so gerne anwendet, um gut dazustehen, nicht mehr reichen. Dazu gehört es, die Arbeitsuchenden (derzeit sind es 80.000), die in Schulungen geschickt wurden, zu verschweigen. Und dazu gehört auch, dass man nur sehr ungern darüber redet, dass die relativ niedrige Arbeitslosenrate sehr viel mit dem nach wie vor äußerst niedrigen Pensionsantrittsalter zu tun hat. Man will sich die Statistik nicht zu verpatzen.

Alles vorherbestimmt? Mitnichten. Denn es gibt auch eine andere Seite.

Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit schreibt man sich zwar allerorten gerne auf die Fahnen, aber den wichtigsten und effizientesten Hebel für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu nutzen, will man indes auch in Zukunft vermeiden - die Senkung der Arbeitskosten und die Verbesserung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich.

In den vergangenen Jahren wuchsen die Arbeitskosten in Österreich doppelt so schnell wie im EU-Schnitt. Das hat, erhob die deutsche Hans-Böckler-Stiftung, weniger mit allzu flott und üppig angehobenen Löhnen für die Mitarbeiter zu tun, als vielmehr mit dem überdurchschnittlichen Anstieg der Steuerlast, die auf Arbeitseinkommen in Österreich liegt. Profitiert haben sohin nicht die Mitarbeiter der Unternehmungen, sondern praktisch ausschließlich die öffentliche Hand. Steuern, Arbeitgeberbeiträge, Sozialbeiträge, Förderungen für gemeinnützigen Wohnbau und vieles andere machen Arbeit in Österreich unmäßig teuer.

Von einem Euro, den ein Unternehmer an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlt, kommen bei uns im Schnitt nur 51,6 Cent in der Brieftasche des Angestellten an. Das sind um fast 25 Prozent weniger als im internationalen Schnitt.

Aber es sind nicht allein die hohen Arbeitskosten, die die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unnötig erschweren. Es ist auch die wirtschaftsfeindliche Stimmung, die sich im Land immer breiter macht. Sehr viel mehr Energie wird nach wie vor darein gesetzt, immer neue Hürden aufzubauen, als Unternehmungen Wege zu ebnen, die Arbeitsplätze bringen und absichern können.

Und: Die wachsenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben auch mit der Qualität der Arbeitsuchenden zu tun. Darüber mag freilich niemand reden. Aber selten hörte man Unternehmer so oft über ihre Probleme klagen, gutes Personal zu bekommen, wie in diesen Monaten. Selbst unter 60 und mehr Bewerbungen tun sich die Personalverantwortlichen oft schwer, den oder die Richtige zu finden. Das hat sehr viel mit praxisferner Ausbildung zu tun, das hat aber auch mit persönlichen Eigenschaften zu tun, die in unserer Gesellschaft ausgebreitet haben. Sattheit gehört dazu, fehlender Ehrgeiz, eigenwillige Ansprüche. Wie es eben ist in einer Gesellschaft, in der vielen die Pension als Lebensziel gilt.

Zeit zum Handeln also. Aber man schaut zu. Dabei hat man vor der Wahl versprochen, etwas zu ändern. Aber da hat man ja so viel versprochen. Und darum wird sich Österreich wohl künftig nicht mehr als Beschäftigungsparadies rühmen können. Und für viele Menschen wird die Arbeitslosigkeit wohl zu einem richtig ernsten Thema, selbst für die, die bestens qualifiziert, ehrgeizig und hochmotiviert sind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14.12. 2013

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Schicke Schuldner



Österreichs Jugendliche tun sich schwer mit Geld umzugehen, hieß es dieser Tage. Ein Drittel der unter 19-Jährigen findet es völlig normal, Schulden zu machen, fand ein Meinungsforschungsinstitut heraus. Das schicke Smartphone, die coolen Klamotten und die Drinks in der Disco gelten als unverzichtbar. Weil das Taschengeld dafür selten reicht, pumpt man es - bei den Eltern, bei der Oma, bei Freunden. Man lebt ja nur einmal. Und da braucht es nun einmal alles und das möglichst sofort. Da wächst der Schuldenberg schnell. Bei den unter 30-Jährigen, die dann bei der Schuldnerberatung Hilfe suchen, weil's gar nichts mehr geht, beträgt die durchschnittliche Höhe der Verschuldung gut 32.500 Euro.

Das ist nicht nichts. Und es fügt sich in die österreichische Schuldenkultur. Schnurstracks lässt sich eine Linie vom Verhalten und der Sorglosigkeit der Jugendlichen zur Politik ziehen. Bis zu Sozialminister Hundstorfer etwa, der sich erst einmal anschauen will, wie sich die Staatschulden und das Loch, das darin klafft, weiter entwickeln, ehe er handeln will. Und bis zu seinen Parteifreunden von Werner Faymann bis Andreas Schieder, die auf einen Zaubertrick zu setzen scheinen -sparen, ohne dass die Bevölkerung davon etwas spürt. Eine direkte Linie lässt sich wohl auch nach Kärnten und zum Hypo-Desaster ziehen und zu vielen anderen.

Österreich hat beim Schulden machen längst das Maß verloren. Was bei den Jungen die Eltern und die Oma sind, sind beim Staat die Steuerzahler, die herhalten müssen. Die Schuldentürme, die sich aufbauen, haben dabei längst unvorstellbare Dimensionen erreicht. Sie sind nicht mehr überschaubar, nicht mehr einschätzbar und nicht mehr begreifbar.

Die Politik, namentlich die sozialdemokratische Politik in diesem Land, scheint das nutzen zu wollen. Mit Vorsatz und mit Geschick. "Es stimmt einfach nicht, dass nur für die Bevölkerung sehr schmerzhafte Einsparungen und Belastungen zu einem Nulldefizit führen können", sagen sie und bereiten dafür den Boden für ein ungebremstes Weiterprassen auf. Warum sollte dann irgendjemand Verständnis für einen Sparkurs haben? Für Einschränkungen, für Kürzungen?

"Geht ja doch, also gibt es keinen Anlass auf irgendetwas zu verzichten", ist die Botschaft. Und die wird gerne angenommen. Zumal in Österreich, wo der Anspruch auf Alimentation von der Wiege bis zur Bahre längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zuschüsse, Beiträge, Förderungen, Ausgleichzahlungen. Damit wird man in Österreich groß, damit lebt man, ohne geht gar nichts. Dementsprechend beschränkt ist die Bereitschaft, da auch nur irgendwelche Veränderungen hinzunehmen, schon gar nicht, wenn selbst höchste Politiker des Landes versichern, dass keine "sehr schmerzhaften Einsparungen und Belastungen" erforderlich sind, um auch in Zukunft über die Runden zu kommen. Ob da die Staatsschulden noch ein bisschen mehr werden oder nicht, scheint dann ohnehin egal zu sein. Was soll's. Deswegen will man doch nicht auf etwas verzichten, kürzer treten gar. Deswegen nicht.

Da hält man lieber dagegen. Man will nicht der Verlierer sein und am Ende dumm dastehen, man will nicht zu kurz kommen. Das ist die österreichische Kultur. Von Vertrauen ist sie nicht getragen, vor allem nicht, was die Politik betrifft. Viel eher ist sie getragen von der Angst, zu den Draufzahlern zu gehören.

Der Unterschied zum Verhalten der Jugendlichen ist marginal. Man will alles und das sofort. Was das alles kostet, spielt da genau so wenig eine Rolle wie dort. Und wo die Mittel herkommen auch nicht. "Es geht immer irgendwie", zwinkert man nonchalant. Der junge Möchtegern-Playboy mit dem neuesten iPhone und der teuren Jacke. Und der rote Regierungspolitiker in Zweireiher, Krawatte und genagelten Schuhen. Es leben ja alle gut davon. Der Möchtegern-Playboy, der Regierungspolitiker und die Wirtschaft.

Und die Angebetete und die präsumtiven Wähler natürlich auch - bis der eine bei der Schuldnerberatung oder gar vor dem Konkursrichter steht. Und bis der andere mit dem von ihm und seinesgleichen geführten Staat eine ordentliche Pleite hingelegt hat. Der feine Unterscheid: Während der Möchtegern-Playboy selbst ausbaden muss, was er angerichtet hat, sind es bei den Politikern wir alle. Auch die, die sie immer schon gewarnt haben und die dafür mit Geringschätzung gestraft wurden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Dezember 2013

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Die Bauern warnen die Koalition



Schlechte Stimmung. Die Koalitions-espräche sind in der Krise: Die Bauern sind über die ÖVP verärgert, die ÖVP über die SPÖ.

ANDREAS KOLLER, HANS GMEINER, INGE BALDINGER

WIEN (SN). Die Regierungsverhandlungen sind ins Stocken geraten. Und zwar nicht nur wegen der Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP, sondern auch wegen des wachsenden Widerstands des erfolgsgewöhnten ÖVP-Bauernbunds. Heute, Mittwoch, tritt in Wien der Bauernbundrat zusammen – das aus mehr als 200 Mitgliedern bestehende höchste Gremium dieser mächtigen ÖVP-Teilorganisation. „Gut möglich, dass die Bauern heute die Notbremse (hinsichtlich der Koalitionsgespräche) ziehen“, verrät ein Insider den SN. Jedenfalls würden die Agrarvertreter „kräftig auf den Tisch hauen“.

Die Bauern verwahren sich gegen Pläne, die Kofinanzierung von EU-geförderten Projekten zu kürzen. Derzeit werden derartige Projekte von Österreich mit 50 Prozent mitfinanziert, vor allem die SPÖ drängt aus Budgetgründen auf eine Reduzierung. „Das hätte massive Auswirkungen auf das Agrarumweltprogramm und die Bergbauernförderung“, warnt ein Kenner der Materie im SN-Gespräch. „Die Kofinanzierung ist kein Spielball der Regierungsverhandlungen“, stellte Bauernbundpräsident Jakob Auer denn auch bereits vor Tagen klar.

Wie man hört, erwägen die SPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandler, Gelder der Ländlichen Entwicklung in den nicht landwirtschaftlichen Bereich umlenken. „Da treffen sich die Interessen der Wirtschaftskammer mit denen der Sozialdemokraten“, kritisieren die Bauern. Auch Kürzungen in der Agrarverwaltung sollen ein Thema der Koalitionsgespräche sein. Nach Angaben des „dlz agrarmagazins“ fehlen dem heimischen Agrarbudget von 2014 bis 2018 knapp 1,03 Mrd. Euro.

Der Haussegen zwischen der ÖVP und ihrem Bauernbund hängt seit geraumer Zeit schief. Denn im Gegensatz zum ÖAAB und zum Wirtschaftsbund hat der Bauernbund unter Parteichef Michael Spindelegger erheblich an Einfluss verloren. Schwarzer Chefverhandler des Kapitels „Landwirtschaft“ (die lediglich als Unterpunkt des Kapitels „Wachstum“ figuriert) ist nicht etwa Bauernbundpräsident Jakob Auer, sondern Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Das einzige vom Bauernbund gestellte Regierungsmitglied, Agrarminister Niki Berlakovich, hat weder Einfluss auf Parteichef Spindelegger noch auf die Regierungsgespräche und gilt als Ablösekandidat. Spindelegger hat kürzlich in einem SN-Gespräch angekündigt, dass die Kürzung der Förderungen auch die Bauern treffen werde.

Auch zwischen ÖVP und SPÖ scheint die Stimmung auf einem Tiefpunkt angekommen zu sein. Während man bereit sei, über den eigenen Schatten zu springen, bewege sich der Kanzler nicht, klagen ÖVP-Gesprächspartner. Einigungen, auf die sich die Untergruppen bereits verständigt hätten, seien von Faymann vom Tisch gewischt worden, weil sie manchem SPÖ-Granden oder dem ÖGB nicht gefallen könnten.

Überall dort, wo es um Geld und Einfluss geht, soll es sich spießen. Spindelegger drückte es am Dienstag so aus: „Bei den wesentlichen Fragen gibt es keine Einigung, das ist dramatisch.“ Und: Er gehe nur in eine Koalition, „wenn die Maßnahmen für die Konsolidierung des Haushalts klar sind“.

Ein Insider fasste die Stimmung in der ÖVP so zusammen: „Was bisher da ist, ist zu wenig. Das können wir nicht unterschreiben. Das ist Weiterwurstelei, aber kein echter Schritt nach vorn.“

Salzburger Nachrichten - Innenpolitik, 4. Dezember 2013

Sonntag, 1. Dezember 2013

Schmutzige Spiele auf Kosten der Landwirtschaft




Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich gilt als fixer Ablösekandidat in der Regierung. In manchen bäuerlichen Kreisen hat er es zum wohl bestgehassten Mann gebracht und in der Öffentlichkeit zuweilen zu einer der Lächerlichkeit preisgegebenen Figur, mit der wohl niemand tauschen möchte. "Almen" sagen die Spötter nur. Und "Bienen". Und vielleicht auch noch "Paris". Da weiß man unter Bauern, was gemeint ist, da kann man sich auf die Schenkel klopfen und ereifern und so richtig den Zorn raus lassen.

Das mag zuweilen nachvollziehbar sein, gerecht wird es dem Landwirtschaftsminister nicht. Und gerecht ist es auch nicht. Seine Performance, respektive die Agrarreform, kann sich alles in allem durchaus sehen lassen. Es ist gar zu einfach, ihm alles anzulasten, was etwa bei der Vermessung respektive Nicht-Vermessung der Almen und bei den Neonicotinoiden und sonst wo schief gelaufen ist. Da putzen sich allzu viele an Berlakovich ab und lassen ihn im Regen stehen.

In der Alm-Causa etwa sind es manche Landwirtschaftskammerpräsidenten und -experten und auch Landesräte, die sich selbst an der Nase nehmen und zu ihrer Verantwortung stehen sollten, haben sie diese doch allem Anschein nach bisher eher als Schlitzohrigkeit interpretiert. Sie tun es freilich nicht und putzen sich lieber am Landwirtschaftsminister im fernen Wien ab.

Und auch in der Bienen-Causa Berlakovich zum Buhmann und zur Lachnummer zu machen ist zu billig und nichts als ein schmutziges Spiel, das nichts anderem dient, als von den eigenen Versäumnissen abzulenken. Man mag sich gar nicht vorstellen, was mit Berlakovich in bäuerlichen Kreisen passiert wäre, hätte er gesagt: "Ja, wenn die NGOs und die Grünen sagen, dass die Neonicotinoide so gefährlich für die Bienen sind, dann verzichten wir natürlich sofort darauf."

Er hat es nicht gesagt, sondern wollte ihnen Paroli bieten. Doch statt ihn dabei zu unterstützen, schauten ihm lieber alle zu, wie es für ihn Tag für Tag schwieriger wurde. Viele von den Verantwortungsträgern in den unterschiedlichen bäuerlichen Vertretungen genossen es regelrecht, dass er seine Ohrfeigen abbekam -so lange, bis es für die gesamte Landwirtschaft zu spät und die öffentliche Meinung gekippt war. Dafür war man nachher umso gescheiter. So gescheit, dass es mitunter weh tat. Und so falsch.

Alleine diese zwei Beispiele zeigen, wie sich die Landwirtschaftsvertretung und Agrarpolitik in der Öffentlichkeit immer wieder selbst vorführt und selbst beschädigt. Es funktioniert viel weniger, als man glauben, und viel tiefer sind die Gräben, als man annehmen möchte. Und alles einem Landwirtschaftminister umhängen zu wollen ist so unfair wie falsch und leichtsinnig.

Die Bauern brauchen eine starke Vertretung und vor allem eine Vertretung, die zusammenhält und auch in schwierigen Zeiten zusammensteht. Das ist seit Jahren kaum mehr der Fall. Da erzählt man lieber G'schichterln, lässt den einen und den anderen in bester Fußballermanier auflaufen, drückt sich, wenn's ums Aufzeigen geht, hält sich bedeckt, wo klare Worte nötig wären. Dass man dabei nur mehr schwach ist, erkennt man nicht einmal mehr. Wie denn auch, wenn man zu jeder richtigen Selbsteinschätzung unfähig geworden ist, wo man sich doch viel lieber an anderen abarbeitet?

In diesen Monaten heißt er gerade Berlakovich. Ein anderes Mal wird's ein anderer sein. Oder eine andere. Schwach wird es in jedem Fall bleiben, wenn es in diesem Stil weitergeht.

Gmeiner meint, Blick ins Land, 1. Dezember 2013
 
UA-12584698-1