Mittwoch, 4. Dezember 2013

Die Bauern warnen die Koalition



Schlechte Stimmung. Die Koalitions-espräche sind in der Krise: Die Bauern sind über die ÖVP verärgert, die ÖVP über die SPÖ.

ANDREAS KOLLER, HANS GMEINER, INGE BALDINGER

WIEN (SN). Die Regierungsverhandlungen sind ins Stocken geraten. Und zwar nicht nur wegen der Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP, sondern auch wegen des wachsenden Widerstands des erfolgsgewöhnten ÖVP-Bauernbunds. Heute, Mittwoch, tritt in Wien der Bauernbundrat zusammen – das aus mehr als 200 Mitgliedern bestehende höchste Gremium dieser mächtigen ÖVP-Teilorganisation. „Gut möglich, dass die Bauern heute die Notbremse (hinsichtlich der Koalitionsgespräche) ziehen“, verrät ein Insider den SN. Jedenfalls würden die Agrarvertreter „kräftig auf den Tisch hauen“.

Die Bauern verwahren sich gegen Pläne, die Kofinanzierung von EU-geförderten Projekten zu kürzen. Derzeit werden derartige Projekte von Österreich mit 50 Prozent mitfinanziert, vor allem die SPÖ drängt aus Budgetgründen auf eine Reduzierung. „Das hätte massive Auswirkungen auf das Agrarumweltprogramm und die Bergbauernförderung“, warnt ein Kenner der Materie im SN-Gespräch. „Die Kofinanzierung ist kein Spielball der Regierungsverhandlungen“, stellte Bauernbundpräsident Jakob Auer denn auch bereits vor Tagen klar.

Wie man hört, erwägen die SPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandler, Gelder der Ländlichen Entwicklung in den nicht landwirtschaftlichen Bereich umlenken. „Da treffen sich die Interessen der Wirtschaftskammer mit denen der Sozialdemokraten“, kritisieren die Bauern. Auch Kürzungen in der Agrarverwaltung sollen ein Thema der Koalitionsgespräche sein. Nach Angaben des „dlz agrarmagazins“ fehlen dem heimischen Agrarbudget von 2014 bis 2018 knapp 1,03 Mrd. Euro.

Der Haussegen zwischen der ÖVP und ihrem Bauernbund hängt seit geraumer Zeit schief. Denn im Gegensatz zum ÖAAB und zum Wirtschaftsbund hat der Bauernbund unter Parteichef Michael Spindelegger erheblich an Einfluss verloren. Schwarzer Chefverhandler des Kapitels „Landwirtschaft“ (die lediglich als Unterpunkt des Kapitels „Wachstum“ figuriert) ist nicht etwa Bauernbundpräsident Jakob Auer, sondern Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Das einzige vom Bauernbund gestellte Regierungsmitglied, Agrarminister Niki Berlakovich, hat weder Einfluss auf Parteichef Spindelegger noch auf die Regierungsgespräche und gilt als Ablösekandidat. Spindelegger hat kürzlich in einem SN-Gespräch angekündigt, dass die Kürzung der Förderungen auch die Bauern treffen werde.

Auch zwischen ÖVP und SPÖ scheint die Stimmung auf einem Tiefpunkt angekommen zu sein. Während man bereit sei, über den eigenen Schatten zu springen, bewege sich der Kanzler nicht, klagen ÖVP-Gesprächspartner. Einigungen, auf die sich die Untergruppen bereits verständigt hätten, seien von Faymann vom Tisch gewischt worden, weil sie manchem SPÖ-Granden oder dem ÖGB nicht gefallen könnten.

Überall dort, wo es um Geld und Einfluss geht, soll es sich spießen. Spindelegger drückte es am Dienstag so aus: „Bei den wesentlichen Fragen gibt es keine Einigung, das ist dramatisch.“ Und: Er gehe nur in eine Koalition, „wenn die Maßnahmen für die Konsolidierung des Haushalts klar sind“.

Ein Insider fasste die Stimmung in der ÖVP so zusammen: „Was bisher da ist, ist zu wenig. Das können wir nicht unterschreiben. Das ist Weiterwurstelei, aber kein echter Schritt nach vorn.“

Salzburger Nachrichten - Innenpolitik, 4. Dezember 2013

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