Donnerstag, 9. Januar 2014

Schlammbad Europa



Einen ersten Vorgeschmack gibt es schon auf das, was da schon wieder, kaum erholt von den Nationalratswahlen und all den Ränken darum, auf uns zukommt. In den vergangenen Wochen versuchte man nach Kräften mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen politische Stimmung zu machen. Ende Mai stehen ja die Europa-Wahlen an, und da will man sich nichts vergeben. Das Schlammbad ist angerichtet. Schon jetzt kann man sicher sein, dass auch diese Wahlen, wiewohl, offiziell von den Parteien als untergeordnet eingestuft, zu einer Schlammschlacht werden.

Innenpolitisch sind die Wahlen zum Europäischen Parlament die erste Prüfung für die neue große Koalition und damit Anlass für heftige Auseinandersetzungen. Viele Wählerinnen und Wähler werden wohl die Gelegenheit nutzen, zu zeigen, was sie von der Arbeit Faymanns und Spindeleggers und ihrem Koalitionspakt halten. Und es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten um vorauszusagen, was wohl nicht wenige Wählerinnen und Wähler daran denken, die Mai-Wahlen zu nutzen, um den ausgefüllten Wahlzettel zu einem Denkzettel zu machen.

Auf europäischer Ebene bieten die Schuldenkrise, die Sorgen um den ohnehin wenig geliebten Euro und dem zögerlichen Vorankommen einer selbstständigen europäischen Politik, so man sie denn überhaupt für nötig hält, und zuweilen drollige bürokratische Vorschriften reichlich Angriffspunkte. Und dass mit Strasser und Ranner die Tätigkeit von zwei Europa-Politikern sogar gerichtsanhängig wurde, hob das Ansehen der europäischen Politik in Österreich auch nicht gerade.

Dass in Österreich die Zustimmung zum gemeinsamen Europa, zumal zu jenem in Form der Europäischen Union, ohnehin auf einer sehr fragilen Basis steht, tut wohl sein Übriges dazu, dass der Europa-Wahlkampf nicht eben erfreulich zu werden verspricht. Die Zustimmung zur EU geht seit Jahren zurück.

Europa steht nicht hoch im Kurs in diesen Land. Das Europa-Parlament und die Kommission werden als unpersönliche Bürokatie- und Abstimmungsmaschinen empfunden, die wenig mit der Realität des heimischen Alltags zu tun haben und die gemeinsame Ergebnisse allenfalls bei der Bemessung der Spülkästen in Toiletten vorweisen können, auf dem politischen Parkett aber denkbar schlechte Figur machen. Der Missmut ist nachvollziehbar. Die Bemühungen, das gemeinsame Europa voranzubringen, sind überschaubar und allzu oft erfolglos - in Österreich, in Brüssel und im Rest Europas auch.

Die europäische Integration kommt nur langsam voran. Dort wo gemeinsames Handeln und gemeinsame Politik notwendig und erwünscht sind, bleibt man schnell stecken. Je größer die Krise ist, desto stärker zeigen sich die Defizite. Ausgerechnet viele der Maßnahmen wie die Stärkung des Europäischen Parlaments, die mehr Demokratie und Transparenz bringen sollten, erwiesen sich oft als zu schwerfällig, um in der Krise zu reagieren.

Den handelnden Politikern blieb nichts anderes, als kurze Wege zu suchen, um die immer wieder aufdräuenden Katastrophen zu verhindern. Die ursprünglichen Absichten kehrten sich dadurch genau ins Gegenteil. Unter dem Druck der Zeit und der Fakten entscheiden heute viel zu oft ein paar wenige Politiker ohne viel demokratische Legitimation den Kurs Europas. Das zu ändern ist eine der wichtigen Aufgaben künftiger europäischer Politik. Und es ist nicht die einzige. Europa braucht wohl mehr Flexibilität um zu wachsen und sich zu festigen. Die Länder brauchen Freiräume, alleine, um auf Widerstände ihrer Bürger besser reagieren zu können.

Die Europäische Union muss sich bewegen und ihre Bürger zurückgewinnen. Vor allem gilt es, die Bürger in den alten EU-Ländern zurückzugewinnen. In den neuen Ländern von Polen bis Bulgarien, von Tschechien bis Lettland, ist das anders. Dort lebt Europa und die europäische Idee, dort ist die Stimmung so, wie man sie für ganz Europa wünschen würde. Und das nicht allein, weil Brüssel diese Länder mit viel Geld in die Gegenwart holte, sondern auch, weil man die Chancen sieht und spürt, die das gemeinsame Europa bieten kann.

In den alten EU-Ländern hingegen tut man das oft nicht mehr. Dass man dort auch vom Aufschwung der neuen Länder profitiert, gilt nicht viel. Auch nicht in Österreich, das vom Beitritt der neuen Länder profitierte wie kaum ein anderes Land.

Dabei kann Österreich darauf, genau betrachtet, nicht verzichten. Und auch nicht Europa.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Jänner 2014

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