Samstag, 26. April 2014

Das Kreuz mit den Milchpreisen



In den Brief­ta­schen der Bau­ern wir­ken sich Preis­sen­kun­gen hef­tig aus, in je­nen der Kon­su­men­ten oft gar nicht.
 
Hans Gmei­ner

Die Un­ter­schrif­ten un­ter den neu­en Milch­lie­fer­ver­trä­gen mit den Mol­ke­rei­en wa­ren noch nicht tro­cken, da senk­ten ei­ni­ge gro­ße österreichische Milch­ver­ar­bei­ter mit Be­ginn des neu­en Milch­wirt­schafts­jah­res am 1. April die Prei­se um ein bis zwei Cent je Ki­lo­gramm auf knapp un­ter 40 Cent. „Sai­son­be­dingt“, lau­te­te die Be­grün­dung. Wenn es fri­sches Fut­ter gibt, ge­ben die Kü­he mehr Milch. Zu­dem er­höh­ten vie­le Bau­ern we­gen der gu­ten Prei­se in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten die Milch­pro­duk­tion. Bei­des drückt die Prei­se. Die Kon­su­men­ten spü­ren da­von frei­lich nichts. „Milch ist oh­ne­hin sehr güns­tig“, heißt es bei den Mol­ke­rei­en, de­ren Er­trags­la­ge an­ge­spannt ist und die je­den Cent brau­chen. „Un­se­re Mol­ke­rei-Ab­ga­be­prei­se san­ken in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, wäh­rend der Ver­brau­cher­preis­in­dex an­stieg.“ Vie­le Pro­duk­te sei­en so­gar bil­li­ger als vor 20 Jah­ren.

Für die Bau­ern hin­ge­gen hat es auch die­se re­la­tiv ge­rin­ge Preis­sen­kung in sich. Denn in ih­ren Brief­ta­schen wirkt sie sich recht hef­tig aus. „Bei ei­nem durch­schnitt­li­chen Milch-Spe­zi­al­be­trieb mit 17 Kü­hen ma­chen die jüngs­ten Preis­sen­kun­gen man­cher Mol­ke­rei­en ein Ein­kom­mens­mi­nus von rund neun Pro­zent aus“, sagt Bran­chen­ex­per­te Leo­pold Kir­ner von der Hoch­schu­le für Ag­rar- und Um­welt­pä­da­go­gik. „Das ist pro­zen­tu­ell mehr als dop­pelt so viel, wie die Sen­kung der Er­zeu­ger­milchp­rei­se aus­mach­te, und zeigt, dass die Pro­dukt­prei­se trotz der Aus­gleichs­zah­lun­gen und För­de­run­gen für die bäu­er­li­chen Ein­kom­men von enor­mer Be­deu­tung sind.“ Der Wis­sen­schaf­ter ist über­zeugt da­von, dass die Prei­se noch wich­ti­ger wer­den.


Wäh­rend die öf­fent­li­chen Gel­der in der Hö­he von rund 18.000 Eu­ro beim Durch­schnitts­milch­bau­ern un­ver­än­dert blei­ben, blei­ben nach der jüngs­ten Preis­sen­kung di­rekt aus der Milch­pro­duk­tion statt rund 8000 nur mehr 5700 Eu­ro. „Un­term Strich wird da­mit aus der Sen­kung des Er­zeu­ger­milch­prei­ses um drei, vier Pro­zent für die Bau­ern ein dop­pelt so ho­her Ein­kom­mens­rück­gang“, rech­net Kir­ner vor. „Es sei denn, auch das Fut­ter wird um den glei­chen Pro­zent­satz bil­li­ger, was frei­lich nie gleich­zei­tig der Fall ist.“

In an­de­ren Pro­duk­ti­ons­zwei­gen läuft es nach dem glei­chen Mus­ter. Prak­tisch über­all schla­gen sich Preis­sen­kun­gen in über­pro­por­tio­na­len Ein­kom­mens­ver­lus­ten nie­der. Das macht ver­ständ­lich, wa­rum die Bau­ern trotz der Aus­gleichs­zah­lun­gen und För­de­run­gen bei den Ver­ar­bei­tern und beim Le­bens­mit­tel­han­del auf gu­te Prei­se po­chen.


Den­noch re­la­ti­viert Kir­ner. Der Preis sei nur ein Fak­tor von vie­len. „Ei­nen gro­ßen Ein­fluss auf den wirt­schaft­li­chen Er­folg et­wa bei Milch­bau­ern ha­ben auch die Pro­duk­ti­ons­tech­nik, die Grund­fut­ter­qua­li­tät und die Ab­schrei­bun­gen“, sagt er. Güns­ti­ges Bau­en, bil­li­ge Tech­nik und ho­hes Maß an Ei­gen­leis­tung zei­gen sich laut Kir­ner als die wich­tigs­ten Er­folgs­fak­to­ren in der Milch­wirt­schaft. „Der Un­ter­schied macht oft Wel­ten aus.“ Be­triebs­aus­wer­tun­gen er­ga­ben, dass un­ter ver­gleich­ba­ren Be­din­gun­gen den gut wirt­schaf­ten­den Mil­cher­zeu­gern dop­pelt so viel bleibt wie ih­ren Kol­le­gen.


Die an­ste­hen­de Li­be­ra­li­sie­rung des eu­ro­päi­schen Milch­mark­tes wird je­den­falls ei­ne Rie­sen­he­raus­for­de­rung. „Denn im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich ha­ben un­se­re Mil­cher­zeu­ger ei­ne sehr ge­rin­ge Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät“, sagt Kir­ner.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 26. April 2014

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