Dienstag, 22. April 2014

Die Bauern kämpfen um ihre Position



Der neue Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes gilt als Mann mit Kanten. „Ich will mir die Landwirtschaft nicht schlechtmachen lassen“, sagt er.

Hans Gmeiner

Sie waren Obmann des Distelvereins, der schon vor Jahrzehnten den Umweltgedanken in die Agrarproduktion einzubringen versuchte. Jetzt gibt es ein neues Umweltprogramm. Wäre die Gelegenheit nicht günstig, jetzt auf Ihrem Betrieb auf bio umzusteigen?

Schultes: Thema könnte bei uns eher sein, wieder in die Rinderhaltung einzusteigen, aber bio ist nicht das Thema.

Die Biobauern halten sich für die höchste Stufe der Landwirtschaft. Sie sind damit nicht allein, konventionelle Landwirtschaft steht in keinem guten Ruf. Hat man da nicht etwas versäumt?

Schultes: Wir haben in Österreich nach wie vor die hochwertigste Landwirtschaft Europas. Ich lasse mir von niemandem die konventionelle Landwirtschaft schlechtreden. Der österreichische Konsument sagt jeden Tag, was er will. Die Umsätze im Lebensmittelhandel zeigen, dass 93 Prozent der Konsumenten die konventionelle Landwirtschaft schätzen und sieben Prozent der Konsumenten bio wollen. Und beides verträgt sich nebeneinander recht gut.

In Österreich wird dennoch immer öfter eine Art Hobbylandwirtschaft fernab der Realität auf den Märkten zur idealen Form, Stall und Felder zu bewirtschaften, verklärt. Viele Bauern leiden darunter. Wie will man das ändern?

Schultes: Meine feste Überzeugung ist, dass wir nur über Produktion unsere Zukunft begründen können. Und wir stehen da im Wettbewerb mit vielen anderen Produzenten in Europa. Eine Art Hobbylandwirtschaft würde da in die Sackgasse führen. Aber Bauern, die unter erschwerten Bedingungen wirtschaften, wollen wir auf jeden Fall in der Produktion halten. Das braucht besondere Ausgleichszahlungen.

Können Sie Kritik an der Landwirtschaft nachvollziehen?

Schultes: Objektiv und nach Fakten ist die österreichische Landwirtschaft unter den Besten. In der Öffentlichkeit entsteht mitunter vielleicht ein anderer Eindruck, weil wir die sachliche Diskussion schon lang verloren haben und die emotionale Diskussion von jedem so gestrickt wird, wie sie ihm gerade nützlich ist.

Wie kann die Landwirtschaft diese emotionale Diskussion wieder in den Griff bekommen?

Schultes: Ich bin der Meinung, dass diese Diskussion über die Landwirtschaft stark damit zusammenhängt, dass die Menschen nicht mehr wissen, wie wichtig es ist, dass es eine verlässliche Landwirtschaft mit einer sicheren Produktionsgrundlage im eigenen Land gibt. Wir leben in einer Gesellschaft, die vergessen hat, das zu schätzen.
Das gilt nicht nur für die Lebensmittel, sondern auch für die Energie aus Biomasse, die von der Landwirtschaft kommt und einen hohen Anteil an der Energieversorgung hat.

Zuweilen hat man den Eindruck, dass die Landwirtschaft in ihren ureigensten Bereichen die Hoheit verloren hat und Nichtregierungsorganisationen und der Handel die Linien vorgeben.

Schultes: Diesen Eindruck habe ich nicht. Tatsache ist, dass sowohl die NGOs als auch die Handelskonzerne kommerzielle Unternehmen sind, die nach Business- und Marketingplänen arbeiten. Da gibt es Bereiche, in denen sie zusammenarbeiten, in denen sie sich ergänzen und in denen sie gute Geschäfte mit dem Thema Landwirtschaft und oft auf Kosten der Bauern machen.

Ein hoher Teil der Bauerneinkommen kommt von öffentlichen Geldern. Die Bauern hängen also stark von der Politik ab. Sehen Sie einen Weg, um da einmal rauszukommen?

Schultes: Wer glaubt, dass die billigen Lebensmittel und Leistungen ohne die staatlichen Zusatzgelder möglich sind, lügt sich selbst an. Es gibt diese Bühne, die die Bauern den Österreichern bieten, nur dann, wenn die Österreicher zu den billigen Weltmarktpreisen das an Ausgleichszahlungen dazulegen, was diese Leistungen wert sind.

In Österreich fließen jährlich rund 1,9 Mrd. Euro in die Landwirtschaft. Der Strukturwandel geht dennoch unvermindert weiter. Fragt man sich da als Interessenvertreter und Politiker nicht, ob man auf dem richtigen Weg ist?

Schultes: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat viele Gründe. Ausgleichszahlungen spielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Auch Größe ist kein Kriterium. Vielmehr hängt der Wandel von der Diskussion und der Situation in den Familien selbst ab. Auch gut geförderte Betriebe in sogenannten Gunstlagen werden nicht weiter Bestand haben, wenn die Motivation verloren geht.

Angesichts knapper werdender Fördermittel wächst der Druck auch in der Bauernschaft. Nie sind die einzelnen Produktionssparten und -regionen so aufeinander losgegangen wie in den vergangenen Monaten im Zuge der Geldverteilung im Rahmen der Agrarreform. Macht Ihnen das Sorgen?

Schultes: Mich irritiert stark, dass es Mode geworden ist, die Zukunft der Landwirtschaft an eine bestimmte Höhe von Ausgleichszahlungen zu hängen. Fünf Euro mehr oder weniger pro Hektar sind bei den meisten Betrieben weniger bedeutend als eine nur kleine Veränderung in der Marktentwicklung. Dieses Auseinanderdividieren über die Ausgleichszahlungen schadet sehr.

Wie sehen Sie die Position der Landwirtschaft innerhalb der Sozialpartner? Empfinden Sie die Arbeiterkammer, die zu den heftigsten Kritikern der Landwirtschaft zählt, als Partner?

Schultes: Wir haben einfach viel zu diskutieren. Die Arbeiterkammer hat mit ihren Umlagen ein Budget, das ungefähr dem halben Budget unserer ländlichen Entwicklung entspricht. Ich hoffe, dass sie damit so viel leistet für Österreich wie die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft kann selbstbewusst in der Sozialpartnerschaft auftreten.

Wie geht es Ihnen mit dem neuen Landwirtschaftsminister und seinen Aussagen?

Schultes: Unser neuer Landwirtschaftsminister hat viele neue bunte Botschaften gebracht. Weil ich ein Mensch bin, der gern diskutiert, finde ich jede neue politische Debatte interessant. Was zum Schluss herauskommt, wird sich zeigen.

Sie gelten als Mann mit Kanten. Für manche in Westösterreich sind Sie ein rotes Tuch, auch unter den Kammerpräsidenten.

Schultes: Ich weiß nicht, warum dieses Bild aufgebaut wurde. Aber ich glaube, dass ich gerade dort inzwischen anders wahrgenommen werde.

Was soll einmal von Schultes an der Spitze der Landwirtschaftskammern bleiben?

Schultes: Ich bin zufrieden, wenn in der österreichischen Bevölkerung der Stellenwert und die Arbeit der Bauern mehr geschätzt werden und die Leute stolz drauf sind, dass sie ein gutes Schnitzel am Teller haben, und die österreichischen Bauern an dem Schnitzel was verdienen dürfen.


HermannSchultes
Als Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich ist der aus Zwerndorf im Marchfeld stammende Schultes (60) seit Ende Februar oberster Interessenvertreter der Bauern. Der ÖVP-Nationalratsabgeordnete, NÖ-Kammerpräsident und ehemalige Präsident der Rübenbauern zählt seit Jahren zu den einflussreichsten Agrarpolitikern.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 22. April 2014

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