Mittwoch, 28. Mai 2014

Dreistes Spiel



Seit Jahren wirbeln die Lebensmittel-Konzerne gewachsene Strukturen durcheinander und haben mit ihrer Marktmacht ganze Wirtschaftszweige fest im Schwitzkasten. Wenn sie sie denn nicht längst überhaupt mausetot gemacht haben. Manchen Vorständen in diesen Konzernen scheint das aber freilich noch zu wenig zu sein. Unbändig scheint die Lust geworden, in großen Stil nun auch die öffentliche Meinung und die Politik zu beeinflussen. Ausgerechnet sie versuchen ihre Konzerne nun immer öfter in nachgerade penetranter Weise zu Schützern und Rettern der Umwelt und des Guten im Allgemeinen zu stilisieren. Offene Briefe allerorten, Unterschriften unter Petitionen und jede Menge Stellungnahmen. Ganz so, als ob sie nicht selbst auch jede Menge zu den Problemen, die sie nun zu bekämpfen vorgeben, beigetragen hätten und immer noch beitragen.

In den NGOs wie Global 2000, Greenpeace, Vier Pfoten oder dem WWF hat man willfährige Partner gefunden. Da fügen sich die Interesen zweier einander eigentlich fremder Welten geschmeidig ineinander. Schmeichelweich und ultragrün versucht man alles, auf dass ihnen die Gesellschaft auf den Leim gehe.

Die Methoden dabei werden immer dreister. Gegenseitig wirft man sich die Bälle zu. Schmeißt man sich gegen die Bienen ins Zeug, kämpft gegen die Europäische Saatgutverordnung und warnt vor dem EU-US-Handelsabkommen TTIP, gibt es postwendend dickes und imageförderndes Lob von den NGOs. Und umgekehrt ist es nicht anders. "Wird öffentliche Meinung hier gehandelt wie Ware?", fragte jüngst ein Beobachter der Szene. Ganz zu recht.

Geld stinkt nicht. Auch nicht bei denen, die immer gut zu sein vorgeben. Viele NGOs verkaufen ihre Expertise und Kontrolltätigkeit für Spezialprogramme der Handelsketten und halten dafür die Hand auf, um das eigene Fortkommen zu sichern. Das gibt im Gegenzug den Handelskonzernen die Sicherheit, Ruhe vor den NGOs zu haben. Und ein hübsches grünes Mäntelchen obendrauf. Gut ist das fürs Geschäft auf allen Seiten allemal.

Für die Konsumenten, um die sich zu kümmern man so schlagzeilenträchtig vorgibt, ist das Spiel freilich kaum erkenn-und noch weniger durchschaubar. Transparenz und Ehrlichkeit sind auf Seiten des Handels genauso wie auf Seiten der NGOs Fremdworte.

Da hält man sich allemal lieber zugute gut zu sein. Mit ernster Miene, stolz geschwellter Brust und erhobenem Zeigefinger.

Mit der Wirklichkeit aber hat die mit Hilfe der von bezahlten Claqueuren aus den Reihen der NGOs und willfähriger Medien aufgebaute heile Welt nur selten zu tun. Denn, wenn es ums Geld geht, sind all die schönen Worte nichts als Makulatur.

Warum sonst legt man neben die von den heimischen Bauern erzeugten Waren, für deren Herstellung immer größere Auflagen verlangt werden, billige Produkte aus aller Welt in die Regale und betreibt heftige Werbung dafür? Warum etwa gehen die Käseregale mit ausländischem Industriekäse regelmäßig dann über, wenn die heimischen Produkte teurer werden? Warum hat man ausgerechnet Brot und Gebäck zur Kampfzone gemacht und macht den Bäckern das Leben schwer? Und warum sagen die NGOs in solchen Fällen nichts?

Die Antwort will man wohl nicht hören - weil es ums Verdienen geht. Ganz oben in der Qualitätspyramide, bei den Bioprodukten. In der Mitte, bei den konventionellen Erzeugnissen. Und ganz unten im Preissegment, mit den aus aller Welt herbeigekarrten Billigwaren der internationalen Agrarindustrie. Und natürlich auch bei den NGOs.

Besser beraten ist wohl, wer die Jubel-PR-Texte anders liest. Denn noch mehr als um den Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität, um die sich verdient zu machen man vorgibt, haben die Konzerne mit ihrer Preispolitik und der Gestaltung ihres Angebotes zur Stärkung der internationalen Nahrungsmittelindustrie beigetragen. Und sie haben damit genau jener Landwirtschaft, die sie nun als schlecht hinstellen, Vorschub geleistet. Gar nicht zu reden von jenen Branchen, denen sie regelrecht das Licht abgedreht haben.

Dass sie jetzt Bio hofieren und Nischen bedienen, ist da noch das Geringste, was sie der heimischen Landwirtschaft und allen anderen Branchen, denen sie ihren Stempel aufdrückten, schuldig sind. Sie dafür auch noch zu loben und als Vorbild zu sehen, ist aber zu viel verlangt. Und den NGOs, die gegen Geld ihr Image vermarkten, noch etwas zu glauben erst recht.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Mai 2014

Donnerstag, 22. Mai 2014

Zermürbendes Monster



So eine Reisekostenabrechnung kann ganz schön kitzelig sein. Auch dann, wenn man in der Schule beschäftigt ist und nur ein paar Kilometer entfernt ein Seminar besuchte. Dann erst recht. Fahrtkosten mit dem eigenen Auto abrechnen? Nur die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel? Wie viele Kilometer und von wo? Von der Schule, von daheim, oder von daheim über die Schule?

Da kann man schnell die Nase voll haben, zumal dann, wenn im Landesschulrat jemand aus den Tiefen der heimischen Beamtenschaft ohnehin an jeder noch so penibel ausgefüllten Abrechnung immer etwas auszusetzen hat und alles besser weiß - bis alles auf jeden Cent stimmt und die Nerven des Ansuchers im Labyrinth der heimischen Bürokratie durchgescheuert sind. Gar nicht zu reden von den Arbeitsstunden, die dafür aufgewendet werden müssen, weil vom Lehrer bis zur Schul-Sekretärin und nicht selten dem Direktor eine ganze Schar von Leuten mit der Interpretation der Vorschriften beschäftigt ist.

Es soll Lehrer geben, die längst den kürzeren Weg gehen und irgendetwas in das Formular schreiben, können sie doch sicher sein, dass es ohnehin korrigiert wird.

Das sagt weniger über die Lehrerschaft, das erspare man sich in diesem Zusammenhang, sondern über die verwinkelte Bürokratie mit ihren tausenden und abertausenden Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Vorschriften in diesem Land. Ihre Anforderungen zu erfüllen, ist zuweilen zu einer zermürbenden, wenn nicht gar unerfüllbaren Aufgabe geworden.

Dabei ist die lebende Rechenmaschine in den Tiefen des Landesschulrates nur ein kleines, wenn auch sehr typisches Beispiel für die nachgerade neurotischen Bemühungen, dieses Land bis in dies letzten Winkel hinein zu bürokratisieren. Eines von den vielen, die sich schlussendlich auf jährliche Kosten von nicht weniger als 43 Milliarden Euro, die in den Budgets von Bund und Ländern für den öffentlichen Dienst bereitgestellt werden müssen, summieren.

Das soll nun anders werden. Am Dienstag dieser Woche wurde die Einrichtung einer "Aufgabenreform- und Deregulierungskommission" vom Ministerrat verabschiedet. Und wenn es nach dem Wunsch des Bundeskanzlers geht, soll es auch bald ein "Amt der Bundesregierung" geben das alles besser machen soll.

Nur hoffnungslose Optimisten glauben freilich, dass es damit gelingt, Österreich und seine Bürger dem mitunter alles verschlingenden Bürokratie-Monster zu entwinden. Zumal man die Ernsthaftigkeit des Unterfangens nur schwer zu erkennen vermag, will man als Arbeitsgrundlage doch nichts denn bereits vorliegende Vorschläge zur Verwaltungsreform und die Berichte früherer Kommissionen nehmen und diese prüfen. Eine Kommission also zur Bewertung uns Sortierung der Vorschläge vorangangener Kommissionen also.

Das ist Österreich geworden und es ist typisch geworden. Die Bank, man weiß es, ist lang auf die in Österreich Probleme geschoben werden. Gerade was die Bekämpfung von Bürokratie und die Vereinfachung der Verwaltung angeht.

Viel weniger als eine neue Kommission und schöner Worte, auch das weiß man, bedarf es da endlich einmal des Handelns. Befunde gibt es doch längst im Dutzend. Und Konkrete Vorschläge zu hunderten. Darunter auch die penible Auflistung von insgesamt 599 Reformvorschlägen des Rechnungshofes. Daran fehlt es nicht. Es fehlt an der Umsetzung. Über die traut sich ganz offensichtlich niemand drüber. Was man scheut, ist unklar und immer schwerer nachvollziehbar, zumal der Nachholbedarf Österreichs längst drückend ist und damit durchaus politisch auch zu gewinnen wäre. Wenn stimmt, was Hannes Androsch kürzlich sagte, ist Österreich zweieinhalb mal so stark verbürokratisiert ,wie Baden-Württemberg, und muss man sich mit einem mehrfachen an Bürokratie herumschlagen, wie in der Schweiz.

Die Wirtschaftskammer Oberösterreich hat unlängst einen kleinen Tischler mit zwölf Mitarbeitern vor den Vorhang geholt, um exemplarisch zu zeigen, was sich selbst kleine Gewerbetreibende mitmachen. 27 Prüfungen öffentlicher Organe hat der gute Mann regelmäßig über sich zu ergehen lassen oder selbst durchzuführen - inklusive der Verwahrung von Kopien der Führerscheine jener Mitarbeiter, die mit Firmenautos unterwegs sind. Drei Wochen pro Jahr arbeitet er alleine dafür. In Geld sind das, günstig gerechnet, etwas mehr als 8000 Euro.

Die 28. Prüfung steht schon vor der Tür. Die Unfallversicherungsanstalt hat einen psychologischen Fragebogen angekündigt.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Mai 2014

Donnerstag, 15. Mai 2014

Ohne Politik



Der Andrang in der Verabschiedungshalle war groß, die Warteschlange lang. Bis zu zwei Stunden Stehen nahmen dieser Tage Trauergäste bei einem Begräbnis in Linz in Kauf, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen und so ihre Anerkennung zu zollen. Er war einer der großen der heimischen Wirtschaft. Einer, der viele Fäden in der Hand hielt, der wusste, Verbindungen herzustellen und Probleme zu lösen. Einer, dessen Rat und dessen Expertise gefragt und geschätzt waren. Einer, der etwas zu sagen hatte und dessen Wort zählte.  

Auffällig war, dass unter den zahllosen Trauergästen zwar zahllose prominente Köpfe der heimischen Wirtschaft zu sehen waren, aber kein einziger Politiker. Und das bei der Verabschiedung eines Mannes in dieser Position.

Neben all dem, was der Verstorbene Zeit seines Lebens geleistet hat, ist wohl das zu seinen größten und bemerkenswertesten Leistungen zu zählen. Und zu den beispielgebendsten. Er zeigte, dass es in Österreich ganz offensichtlich doch möglich ist, abseits der Politik, ihren Macht- und Beziehungsspielen, ihrer zuweilen schusseligen Geschäftigkeit und ihrem krankhaften Bedürfnis auf alles und jedes Einfluss zu nehmen und zu steuern, Erfolg zu haben.

In diesem Land, in dem mehr als eine Millionen Mitglieder bei politischen Parteien sind, wird das kaum mehr für möglich gehalten und nachgerade als Anachronismus empfunden. Dass man in diesem Land selbst, abseits von Ministern, Landeshauptleuten, Abgeordneten, Präsidenten und Sekretären, das Leben erfolgreich gestalten kann, gilt nach der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte längst als unwahrscheinlich.

Hinsichtl und Rücksichtl bestimmen viel eher Denken und Tun, der Aufbau der richtigen Beziehungen und hie und da die richtige Unterstützung am richtigen Platz. Das sieht der gemeine Österreicher, respektive die gemeine Österreicherin, als die probateste und zielführendste aller Erfolgsstrategien.

Rot und Schwarz haben sich das Land aufgeteilt und hie und da durften auch die Blauen mittun. Das gilt für ganz oben, wenn es um Ministerposten und die Verteilung von Geldern und Ämtern auf Bundesebene oder den staatlichen Rundfunk geht, reicht über die Vergabe von Aufträgen an die Wirtschaft und geht bis hinunter in den kleinsten Bezirksschulrat und in die Gemeindestuben.  

In diesem Umfeld abseits der Politik Karriere zu machen und sein Leben in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft erfolgreich zu gestalten, verlangt ein starkes Rückgrat, wohl auch eine große Portion Selbstbewusstsein und verdient größten Respekt.

Und es zeigt, dass es möglich ist. Auch wenn sich das in Österreich, und das ist wohl die Krux, schon kaum mehr jemand zutraut. Da steckt man zuweilen schon Kinder in Parteiorganisationen, auf dass ihnen dereinst der Weg bis zur Pensionierung geebnet wird, da übernimmt man politische Funktionen allenfalls für ein paar Jahre, um die Kinder zu versorgen, da geht man zu einer Partei sehr viel eher um sein Fortkommen abzusichern und keine Schwierigkeiten beim Häuslbauen zu haben, denn der politischen Überzeugung wegen.

Dass die Politik allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz das Land immer noch über die Maßen im Griff hat, hat auch damit zu tun, dass ihr, respektive den Herr- und Damenschaften die sie repräsentieren, zu viel Macht und  - viel zu oft unterwürfige - Anerkennung entgegengebracht wird. Wer wegen jedem noch so geringen Anliegen zu einem Politiker geht, um Hilfe einzufordern, wer für jedes Vorhaben zuerst einmal bei der Politik um Unterstützung vorstellig wird und wer für alles, was schief läuft, dazu neigt die Politik verantwortlich zu machen, ohne vorher zumindest versucht zu haben, die Dinge selbst zu regeln, darf sich nicht wundern, dass die Politik in diesem Land zu einer Macht gekommen ist, die einer Hybris gleicht, der kaum zu entkommen ist.

Dass man mit diesem Denken und Verhalten maßgeblich dazu beiträgt, dass die Politik so mächtig und allumfassend wurde, wie sie heute ist, kehrt man dabei geflissentlich unter den Tisch.

Man sollte es nicht tun. Zumal in Zeiten, in denen ohnehin Politikverdrossenheit zu einem immer größeren Thema wird und in dem die Wut auf und das Unverständnis für die Politik allerorten nachgrade explosionsartig wächst. Und man sollte zumindest versuchen, die Dinge wieder öfter selbst in die Hand zu nehmen. Zum Ziel zu kommen, ist auch dann möglich. Viel öfter, als man glauben mag. Auch in Österreich.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Mai 2015

Donnerstag, 8. Mai 2014

Zweite Wahl



Europa ist nie wirklich in Österreich angekommen. Hierzulande kann mit der europäischen Idee kaum jemand etwas anfangen. Das, was sich da jetzt Wahlkampf für die Ende Mai anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament nennt, ist der Beweis dafür. Belangsloser, sinnentleerter, desinteressierter und distanzierter geht es kaum mehr. "Sozial statt egal" plakatiert die SPÖ, "Ans Werk" das BZÖ und "Wir schauen über den Tellerrand" die pinken Neos. Die Grünen hauen sich für Grünzeug ins Zeug mit "Paradeiser dürfen nicht illegal werden" und machen sich Sorgen um die Schweine - "Für ein Leben vor dem Schnitzel".

"Geht's noch?", ist man angesichts dieses Angebots geneigt zu fragen. Dagegen nimmt sich das "Ein besseres Europa sichert Frieden und die Zukunft der Jungen" von Othmar Karas nachgerade als konkretes Angebot aus. Gar nicht zu reden vom "Österreich denkt um - zu viel EU ist dumm" aus der unsäglichen freiheitlichen Reimeschmeide. Da kann man wenigstens streiten darüber. Aber man probiere das einmal mit der Ansage einer Partei, über den Tellerrand schauen zu wollen.

Fast zwanzig Jahre ist Österreich jetzt Mitglied der Europäischen Union und hat dennoch kaum etwas zu sagen dazu. Keine Idee dazu, wie sich die Union entwickeln sollte und könnte, schon gar kein konkreter Vorschlag. Statt dessen nichts als Belanglosigkeiten. Man nimmt sich nicht einmal die Mühe sich zumindest aus Anlass der Europawahlen etwas einfallen zu lassen. Statt dessen hat man nichts anderes im Sinn, als innenpolitisches Kleingeld zu machen. "Denkzettel für EU, rot & schwarz" plakatiert Strache. Auch da ist immerhin seine Ehrlichkeit anzuerkennen. 

In diese belanglose Lauheit fügen sich auch die Kandidaten, zumal die, die an der Spitze stehen. Farblos sind sie allesamt, ohne jedes Charisma und ohne Ecken und Kanten, die Aufmerksamkeit erregen könnten. Eine ganz eigene Kaste ist es, die abseits des Kanonendonners der heimischen Innenpolitik, im entfernten Brüssel in ihrer eigenen Welt lebt und agiert. Gelitten von den heimischen Parteigranden und ihren Parteigängern, mehr nicht. Dabei stehen Leute wie  Hannes Swoboda, der nunmehr scheidende Fraktionsschef der europäischen Sozialdemokraten oder Othmar Karas als einer der Stellvertreter des Parlamentspräsidenten oder auch die Agrarpolitikerin Elli Köstinger im Europäischen Parlament hoch im Kurs, geschätzt für ihre Arbeit und anerkannt.

Gerade darin, dass die heimischen Parteigranden ihre EU-Politikern  nicht die nötige Wertschätzung und den ihnen zustehenden Stellenwert einräumen, liegt wohl auch eine der Hauptursachen dafür, dass sich Europa in Österreich so schwer tut und dass Parteien, die gegen die Union Stimmung machen, stets leichtes Spiel haben. Man gibt Brüssel und den dort arbeitenden Politikern des eigenen Landes nicht das Gewicht, das man ihm zugestehen müsste.  

Da ist kein Wunder, das Europa nie in den Herzen der Österreicher angekommen ist und längst viel eher dabei ist, sich, auch dort, wo es angekommen ist, wieder zu verabschieden. Die Europäische Union nicht zu mögen und auf Brüssel zu schimpfen ist schick geworden. Da nützen alle Statistiken und Bilanzen wenig, die in diesen Wochen hervorgekramt und zusammengestellt werden, um die Bedeutung der Union zu untermauern. Es verfängt nicht bei den Leuten.

Und so, wie sich der Wahlkampf bisher präsentiert, wird sich daran nichts ändern. Bei den letzten EU-Wahlen betrug die Wahlbeteiligung gerade einmal 46 Prozent. Das waren zwar um ein paar Prozentpunkte mehr, als bei den vorangegangenen Wahlen, aber Grund zur Freude und für Stolz war das auch nicht. Die EU ist auch in dieser Hinsicht zweite Wahl in Österreich. Bei den Nationalratswahlen liegt die Wahlbeteiligung bei knapp 75 Prozent, bei manchen Landtagswahlen gar bei rund 80 Prozent. Mit einer Wahlbeteiligung von 46 Prozent liegt man gerade einmal ein kleine bißchen über der Teilnahmequote bei den Arbeiterkammerwahlen.

Dass am 25. Mai viel anders sein wird, muss bezweifelt werden. Und dass Europa an diesem Tag gestärkt wird auch. Denn was in Österreich zu beobachten ist, gilt auch für die meisten der anderen EU-Länder. Auch dort wächst zumeist die Distanz zu Brüssel, auch dort läuft der Wahlkampf mehr als lau, auch dort gibt man sich der ziellosen Belanglosigkeit hin, weit davon entfernt Ideen in die Schlacht zu werfen, die Europa voranbringen könnten.
 
Meine Meinung- Raiffeisenzeitung, 8. Mai 2014

Freitag, 2. Mai 2014

An der falschen Adresse




Mit der Forderung, dass der heimische Lebensmittelhandel in die Agrarförderung einbezogen werden und Prämien zahlen soll, waren dem publicitybewussten Landwirtschaftsminister die Schlagzeilen gewiss. So etwas kommt immer gut. Bei den Medien und bei den Bauern. Mehr aber auch nicht. Für den Handel war es ein Leichtes sich abzuputzen. Die Reaktionen waren vorhersehbar. Prämien zahle man ohnehin über die Preise kam es prompt aus den Vorstandesetagen der Handelskonzerne. Und damit hatte es sich.

Der Handel ist in der Tat, und das weiß auch der Minister, nicht die richtige Adresse für solche Forderungen, es sei denn, man versteht Politik ausschließlich als Drängen ins Scheinwerferlicht, und nicht als ernsthafte und verantwortungsvolle Arbeit für den Wirtschaftszweig und die dort arbeitenden Menschen.

Weil wir das nicht unterstellen wollen, verwundert es, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde mit einer Forderung an die Öffentlichkeit zu treten, die mehr Substanz hat. Die Forderung, die Fremdenverkehrswirtschaft stärker als bisher in die Förderung der Landwirtschaft einzubeziehen wäre etwa eine solche. Schließlich sind es die Bauern, die, wie es in Sonntagsreden so gerne heißt, die Bühne für die Fremdenverkehrswirtschaft gestalten und den Tisch decken. Und das ohne bislang von den Nutznießern in Hotellerie und Gastronomie und all den anderen Einrichtungen, die zur Fremdenverkehrswirtschaft gezählt werden, viel zu bekommen.

Das Gegenteil ist eher der Fall. Ziemlich unverfroren benutzt man dort die Landwirtschaft und ihre Leistungen, um Image zu machen. Und viel zu oft hat man dabei die Unverfrorenheit, den Gästen nicht einmal heimische Produkte aufzutischen, sondern ihnen unter den Kitschbildern von Almwiesen und Kühen und in verkitschten Zirbenstuben, die bäuerliche Welt darstellen sollen, importierte Industrieware auf den Tisch zu stellen - vom der importierten Kaffeesahne zum Frühstückskaffee bis zum Steak aus den Kühllagern der internationalen Fleischindustrie beim Abendessen.

Freilich, es gibt nicht wenige Bauern, die selbst vom Fremdenverkehr und seinen Einrichtungen profitieren. Der überwiegende Großteil der Bauern aber hat wenig davon, dass die Touristen wegen der schönen und von ihnen gepflegten Landschaft gerne nach Österreich kommen. Und das nicht nur in den Fremdenverkehrsgebieten, sondern im ganzen Land zu dessen Ruf sie mit ihrer Arbeit beitragen.

Die Fremdenverkehrswirtschaft ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Dass das so ist, ist ohne Landwirtschaft undenkbar. Darum sollte darüber geredet werden, wie und was dieser Wirtschaftszweig für die Entwicklung und Erhaltung der Landwirtschaft beitragen kann.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Ansätze dazu. Über Ankündigungen kamen sie freilich nie hinaus. Immer wieder verschwanden Forderungen und Vorschläge sehr schnell in den Schubladen. Auf politischer Ebene scheinen die Verbindungen zwischen Tourismus und Landwirtschaft dünn zu sein. Ausbaufähig sind sie jedenfalls. Bunte Plakate, üppige Prospekte und wortreiche Beteuerungen, wie sehr man einander schätze und für wie wichtig man einander halte, sind zu wenig. Es sollten Taten folgen und Nägel mit Köpfen gemacht werden. Und vielleicht sollten Prämien fließen. Gerade für den Landwirtschaftminister, der sich so gerne auf seine Tiroler Wurzeln beruft, könnte das eine lohnende Aufgabe sein.

Ganz abgesehen davon, dass sie ganz sicher auch Schlagzeilen bringen würde.  

Gmeiner meint - Bick ins Land, 1. Mai 2014
 
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