Sonntag, 1. Juni 2014

Pflanzenschutz: "Europa überlässt Asiaten und Amerikanern den Markt"




Die Her­stel­ler von che­mi­schen Pflan­zen­schutz­mit­teln füh­len sich in Eu­ro­pa nicht mehr son­der­lich er­wünscht.
Hans Gmei­nerSalz­burg, Wien.Die in Eu­ro­pa wach­sen­de Stim­mung ge­gen che­mi­schen Pflan­zen­schutz macht den Her­stel­lern Sor­gen. „Das bringt so­wohl uns Er­zeu­ger als auch die Land­wirt­schaft un­ter Druck“, sagt Chris­ti­an Stock­mar, Ös­ter­reich-Chef des Schwei­zer Kon­zerns Syn­gen­ta und Spre­cher der hei­mi­schen Pflan­zen­schutz­mit­tel­bran­che. Die EU drif­te in ei­ne Rich­tung, die sie stär­ker von Im­por­ten ab­hän­gig ma­che, klagt Stock­mar über ein in­no­va­ti­ons­feind­li­ches Kli­ma in der EU.

Die Ent­wick­lung sei auch mo­ra­lisch be­denk­lich. „Es ist un­ver­ant­wort­lich, die aus­ge­zeich­ne­ten land­wirt­schaft­li­chen Vo­raus­set­zun­gen Eu­ro­pas durch Ein­schrän­kun­gen beim Pflan­zen­schutz nicht zu nut­zen und statt­des­sen auf an­de­ren Kon­ti­nen­ten mit hier ver­pön­ten Me­tho­den pro­du­zie­ren zu las­sen.“ Das scha­de auch dem Wirt­schafts­stand­ort Eu­ro­pa. In den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren sei­en die For­schungs­aus­ga­ben der eu­ro­päi­schen Pflan­zen­schutz­mit­tel­her­stel­ler von mehr als 30 auf nur noch sie­ben Pro­zent des Um­sat­zes ge­sun­ken. „Frü­her sind die Gro­ßen wie Syn­gen­ta, Bayer und BASF am Rhein in der Schweiz und in Deutsch­land ge­ses­sen“, sagt Stock­mar. „Jetzt wer­den wir aus Eu­ro­pa raus­ge­drängt, wäh­rend sich die Ame­ri­ka­ner und Asia­ten, die Dow Che­mi­cals oder Su­mi­to­mo, die Hän­de rei­ben.“

Es geht um viel Geld. Auf 38,5 Mrd. Eu­ro wird der Welt­markt für Pflan­zen­schutz­mit­tel ge­schätzt. In Eu­ro­pa set­zen die Her­stel­ler rund 7,5 Mrd. Eu­ro um. In Ös­ter­reich liegt der Um­satz der Bran­che, die 475 Mit­ar­bei­ter be­schäf­tigt, seit Jah­ren bei 130 Mill. Eu­ro. Et­was mehr als 90 Pro­zent da­von ent­fal­len auf das Ge­schäft mit der Land­wirt­schaft, der Rest auf pri­va­te Nut­zer. Von den 16 Un­ter­neh­men, die sich in der In­te­res­sen­grup­pe Pflan­zen­schutz zu­sam­men­ge­schlos­sen ha­ben, pro­du­zie­ren nur mehr zwei (Kwiz­da und Nu­farm) auch in Ös­ter­reich.

Die An­grif­fe auf die Bran­che hält Stock­mar für nicht ge­recht­fer­tigt. „Der che­mi­sche Pflan­zen­schutz stellt den Er­trag und ge­sun­des Ern­te­gut si­cher“, sagt er. „Oh­ne Pflan­zen­schutz kann der Be­darf an Nah­rungs­mit­teln nicht ge­deckt wer­den.“ Pflan­zen­schutz­mit­tel und die da­bei ein­ge­setz­ten Subs­tan­zen sei­en bes­ser und viel­sei­ti­ger ge­prüft als Me­di­ka­men­te. „Ich füh­le mich bei che­misch-syn­the­ti­schen Pro­duk­ten, wie es auch Pflan­zen­schutz­mit­tel sind, am si­chers­ten, weil sie rauf und run­ter ge­prüft sind. Bei ei­nem Brenn­nes­sel­ex­trakt weiß ich nicht, was drin­nen ist.“

Der Auf­wand für die Ent­wick­lung von Pflan­zen­schutz­mit­teln ist hoch. Rund 200 Mill. Eu­ro müs­sen laut Stock­mar von der Su­che nach ei­ner ge­eig­ne­ten Subs­tanz über die vor­ge­schrie­be­ne zehn­jäh­ri­ge Test­pha­se bis zum An­su­chen um Zu­las­sung ei­nes neu­en Wirk­stof­fes auf­ge­wen­det wer­den.
In der EU gibt es den­noch Be­stre­bun­gen, die Schrau­ben für Her­stel­ler von Pflan­zen­schutz­mit­teln wei­ter an­zu­zie­hen. So steht ei­ne Leit­li­nie zur Ri­si­ko­be­wer­tung der Wir­kung auf Bie­nen in Dis­kus­si­on, die für je­des Mit­tel über Jah­re ei­ne Test­flä­che von fast 450 Quad­rat­ki­lo­me­tern ver­lan­gen wür­de. Für Un­mut sorgt auch ei­ne ge­plan­te Neu­re­ge­lung der Zu­las­sung von Pflan­zen­schutz­mit­teln. „Wenn das kommt, was ge­plant ist, fal­len 75 Pro­zent der Mit­tel ge­gen Krank­hei­ten bei Ge­trei­de, Kar­tof­feln und Wein und ein gu­ter Teil der Un­kraut­be­kämp­fungs­mit­tel bei Kar­tof­feln weg.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Mai 2014



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