Samstag, 28. Juni 2014

Getreide gibt es im Überfluss



Die weltweit guten Ernteaussichten drücken auch heuer auf die Getreidepreise. Die Bauern kontern mit Spezialproduktionen und neuen Partnerschaften.

Hans Gmeiner
Die Winterbraugerste auf dem Feld des Hörschinger Bauern Reinhart Lehner steht gut. Karl Fischer von der Saatbau Linz und Brau-Union-Chef Markus Liebl reiben die reifen Ähren zwischen den Fingern. Sie sind zufrieden mit ihrem Projekt, aus Wintergerste Braugerste zu erzeugen. Bisher wurde dafür nur Sommergerste verwendet, die hauptsächlich in Ostösterreich angebaut wurde. „Wegen der wachsenden Probleme mit der Trockenheit dort ging aber die Anbaufläche in den vergangenen Jahren um zwei Drittel zurück“, sagt Fischer. Die Brau Union deckt derzeit rund 15 Prozent ihres Bedarfs mit Wintergerste, die in den feuchteren Regionen wie Oberösterreich besonders gut gedeiht. „Wir wollen einen Anteil von 50 Prozent erreichen“, sagt Liebl.

Die Getreidebauern hören das gern, zumal sie für Winterbraugerste um 15 Prozent mehr bezahlt bekommen als für herkömmliche Futtergerste. Sie beteiligen sich daher gern an solchen Vertragsanbaumodellen, die Unternehmen wie die Saatbau Linz entwickeln und die für Kunden, wie in diesem Fall die Brau Union, für die man auch Brauweizen erzeugt, maßgeschneidert sind.

Gerade heuer können die Getreidebauern jeden zusätzlichen Cent gebrauchen. Wie im Vorjahr stehen die Preise wieder kräftig unter Druck. Weltweit wird sowohl eine sehr gute Getreide- als auch eine sehr gute Maisernte erwartet. „Nach jüngsten Schätzungen wird sie zwar nicht ganz das Rekordniveau des Vorjahres erreichen, aber wieder größer sein als der weltweite Verbrauch“, sagt Ernst Gauhs von der Raiffeisen Ware Austria, einem der wichtigsten Getreide- und Maisvermarkter Österreichs. „Zu den 46 Millionen Tonnen aus dem Vorjahr werden weitere zehn Millionen Tonnen zu den Weltvorräten dazukommen.“

In Amerika sind die Aussichten für die Ernte sehr gut. Auch in Europa, in der Ukraine und in Russland erwartet man gute Ernten. Das drückt auf die Preise. „Weizen notiert derzeit bei rund 190 Euro je Tonne, das ist ungefähr so hoch wie vor einem Jahr“, sagt Gauhs. „Da wird sich nicht viel tun, außer es bricht irgendwo eine Krise aus.“ Zumindest bisher jedenfalls hinterließ die Ukraine-Krise keine markanten Spuren auf den internationalen Getreidemärkten. Mit 190 Euro liegen die Preise unmittelbar vor der Ernte nahe der Untergrenze aus den vergangenen Jahren, die 2010 mit 180 Euro erreicht wurde, und sind weit entfernt von den Höchstpreisen von über 300 Euro im Jahr 2007.

Dabei sind die Ernteschätzungen für Österreich gar nicht so zuversichtlich. „In der für den Ertrag entscheidenden Phase, in der sich die Getreidekörner zur endgültigen Größe füllen, hat in vielen Regionen Österreichs die Trockenheit zugeschlagen“, sagt Gauhs. „Tendenziell“ erwartet er daher eine geringere Getreideernte als im Vorjahr, als die Bauern insgesamt rund 2,9 Millionen Tonnen einbrachten.

Auch für die Biobauern ist Gauhs nicht uneingeschränkt zuversichtlich. „Dort sind die Fragezeichen wegen der Folgen der Trockenheit noch größer.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. Juni 2014

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