Montag, 21. Juli 2014

Konsumenten kaufen immer öfter direkt






Mit der Sehnsucht der Menschen nach Ursprünglichkeit machen die bäuerlichen Direktvermarkter ein gutes Geschäft. Produkte wie Fleisch, Milch, Brot, Eier oder Gemüse direkt von den Bauern zu kaufen liegt im Trend.

Hans Gmeiner
Nach jüngsten Erhebungen der Landwirtschaftskammern kaufen 71 Prozent der Österreicher zumindest hin und wieder entweder direkt bei den Bauern ab Hof oder auf Bauernmärkten. Auch die Gastronomie lobt immer öfter direkt von den Bauern gekaufte Ware in ihren Speisekarten aus. Gar nicht zu reden von den Handelsketten, die mit regionalen Produkten werben und vielerorts Produkte von Direktvermarktern in eigens gestalteten Regalen anbieten. „Das schafft Authentizität“, weiß Michael Blass als Chef der AMA-Marketing, Österreichs oberster Lebensmittelvermarkter. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter sieht darin gar eine „Gegenbewegung zur Globalisierung“, wie er kürzlich bei der Ehrung der besten bäuerlichen Direktvermarkter in Linz sagte.

Österreichs Bauern versuchen diesen Trend nach Kräften zu nutzen. „Die Direktvermarkter als Nahversorger bieten das, was die Menschen an Lebensmitteln wirklich schätzen – frisch, kontrolliert und von bester Qualität“, sagt Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich.

Aus dem Nebengeschäft von einst, das oft dazu diente, die Haushaltskasse der Bäuerin aufzubessern, wurde für viele bäuerliche Betriebe ein einträgliches Geschäft. In manchen Sparten ist die Nachfrage oft größer als das Angebot. „Nach einer Zeit des Rückgangs steigt die Zahl der Direktvermarkter seit einigen Jahren wieder“, erklärt Anton Heritzer, der Sprecher der bäuerlichen Direktvermarkter. Dahinter stehen eine Professionalisierung in Vermarktung und Verarbeitung der Produkte und markante Qualitätsverbesserungen. Vor allem über die landwirtschaftlichen Fachschulen kommen neue Impulse. „Wer heute einsteigt, ist in seiner Sparte und in der Vermarktung Profi.“

Den Bauern bleibt auch gar nichts anderes übrig. Für Direktvermarkter gelten heute die gleichen Vorschriften wie für Gewerbebetriebe. Die Standards sind hoch. Viele der bäuerlichen Direktvermarkter haben die Grenze von der Landwirtschaft zum Gewerbe übersprungen und sind heute auch Mitglied in der Wirtschaftskammer. Nach Jahren oft heftiger Auseinandersetzungen mit Branchen im Lebensmittelgewerbe hat man sich arrangiert. „Diese Spannungsfelder gibt es nicht mehr, seit die Direktvermarkter im Kontrollsystem gleich behandelt werden“, sagt Heritzer. Aus der Gegnerschaft von einst seien inzwischen oft Partnerschaften geworden. „Es gibt viele Kooperationen und man hilft sich gegenseitig.“

Jeder dritte Landwirt verkauft heute zumindest einen Teil der von ihm erzeugten Produkte direkt an die Konsumenten. Rund 11.000 Landwirte erwirtschaften laut Landwirtschaftskammer Österreich mit der Direktvermarktung sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens. Rund 1500 Bauern in Österreich leben ausschließlich davon, das von ihnen erzeugte Fleisch, die Milchprodukte, das Gemüse oder Getränke direkt zu vermarkten. Die Direktvermarktung der Produkte ist vor allem im Gemüse-, Obst- und Weinbau und für Schweinehalter ein wichtiges Einkommensstandbein. Fleisch zählt zu den besonders beliebten Produkten, die Konsumenten direkt bei den Bauern kaufen.

Laut dem „Grünen Bericht“ beträgt der Produktionswert, den die bäuerlichen Betriebe in der Direktvermarktung erzielen, mehr als 160 Mill. Euro, um ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. 78 Prozent entfallen demnach auf die Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Produkten über den Ab-Hof- Verkauf, Bauernläden oder Bauernmärkte. Der Rest entfällt auf Heurigenbetriebe und Buschenschanken.

Eitel Wonne ist dennoch nicht alles. Die zuweilen unscharfen Vermarktungsprofile und die oft parallelen Strukturen gelten als Problem. In der Überwachung und Kontrolle der vielen Spezialprogramme, in deren Rahmen bäuerliche Produkte vermarktet werden, gibt es „noch jede Menge Luft und Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen“, formuliert ein Kenner der Szene. So straff die gesetzlichen Vorschriften und Kontrollen sind, so wenig nachvollziehbar sind bei diesen Programmen zuweilen die Richtlinien und deren Überwachung.

Schon jetzt hat man Probleme mit Trittbrettfahrern, die sich das gute Image der Landwirtschaft zunutze machen und ihren Produkten das verkaufsfördernde Wort „Bauer“ beifügen. Besonders im Magen liegt den Direktvermarktern das „Bauernbrot“, das niemals einen Bauernhof gesehen hat. 40.000 Unterschriften sammelten sie 2013 im Rahmen der Aktion „Bauernbrot ist Brot vom Bauern“, um eine Verbesserung der Kennzeichnung zu fordern. Bisher freilich ohne Erfolg.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. Juli 2014

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